BAföG-Statistik 2015Nur noch 15,1% aller Studierenden bekamen BAföG
Seit 1. August (für neue Bewilligungszeiträume; für bereits vorher laufende erst ab 1. Oktober) gelten endlich die erhöhten BAföG-Bedarfssätze und die größeren Freibeträge auf Einkommen, Vermögen und einiges anderes. Es sollten also wieder mehr BAföG-Empfänger werden. Darüber wird aber erst in einem Jahr zu berichten sein. Möglicherweise wird die Steigerung auch gar nicht so groß ausfallen, da ja nur das Ende des Jahres davon betroffen ist – und es sich wohl erst wieder herumsprechen muss, dass sich die (erneute) Antragstellung wieder deutlich eher lohnt, als in den letzten Jahren.
Die BAföG-Zahlen machen keine gute Laune – denn auch die aktuelle Erhöhung gleich nicht ganz das aus, was seit 2010 versäumt wurde.
Die vom Statistischen Bundesamt heute vorgelegten Zahlen zur BAföG-Statistik 2015 sind aber nochmals negativ. Sowohl bei SchülerInnen als auch Studierenden gingen die Gefördertenzahlen zurück. Insgesamt erhielten 2015 rund 870.000 Personen BAföG – ein Rückgang um 5,9% im Vergleich zu 2014. Und schon 2014 gab es Rückgang, damals „nur“ um 3,5%.
Freuen kann sich höchstens der Bundes-Finanzminister. Zwar übernimmt der Bund seit 2015 die vollen BAföG-Kosten, d.h. aus Sicht des Bundes musste trotz Rückgangs mehr gezahlt werden. Aber eben doch weniger, als wenn die Förderzahlen stabil geblieben wären. Insgesamt sanken die Ausgaben für die BAföG-Leistungen (2014 Bund+Länder; 2015 alles der Bund) um 170 Millionen auf 3 Milliarden. Davon machte allein der Rückgang bei der Studierendenförderung 123 Millionen der Einsparung aus.
Entwicklung der BAföG-Förderung (nur Studierende) von 2010 bis 2015
2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | |
Studierende (gesamt) in Tsd. | 2098 | 2209 | 2358 | 2473 | 2579 | 2652 |
Anspruchsberechtigte in Tsd.1 | 1413 | 1472 | 1572 | ? | ? | ? |
BAföG-Geförderte in Tsd. | 386 | 419 | 440 | 439 | 425 | 401 |
Gefördertenquote (alle Studierende) | 18,4% | 19,0% | 18,7% | 17,8% | 16,5% | 15,1% |
Gefördertenquote (Anspruchsberechtigte) | 27,3% | 28,4% | 28,0% | ? | ? | ? |
Gesamtausgaben in Mio. € | 2019 | 2270 | 2365 | 2349 | 2281 | 2158 |
Quellen/Erläuterungen zu den Eigenberechnungen: Da der letzte Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG vom Januar 2014 stammt und nur Zahlen bis 2012 enthält, haben wir stattdessen die Statistiken des Statischen Bundesamtes verwendet, die meist etwas von den Berichten abweichen. Für die Spalten „Gefördertenquote (Anspruchsberechtigte)“ und „Anspruchsberechtigte“ haben wir den Bericht herangezogen, ebenso für die Studierendenzahlen bis 2012, ab 2013 haben wir selbst gerechnet (es geht hier um die Studierenden im Jahresschnitt; wir haben dafür zu einem Viertel die Studizahlen des aus dem Vorjahr hereinragenden Wintersemesters genommen, zu einem Viertel des Wintersemesters, das ins Folgejahr geht und zur Hälfte die Studizahl des vorherigen Wintersemesters um 4,5% vermindert als Schätzung für das Sommersemester – dieser Rechenweg bringt auch ziemlich genau die Zahlen des Berichts 2010 bis 2012 zustande).
In den Berichten der Bundesregierung wird die Quote der Geförderten auf die Anzahl der dem Grunde nach förderungsfähigen Studierenden bezogen – bei uns die Zeilen „Gefördertenquote (Anspruchsberechtigte)“ – somit sehen die Zahlen besser aus, als wenn man sie auf alle Studierende bezieht (was in den Frühzeiten des BAföGs auch in den BAföG-Berichten getan wurde).
Kritik an der langen Durststrecke beim BAföG
Die lange Durststrecke in Sachen BAföG-Erhöhung von 2010 bis jetzt ist schon die zweite in den letzten 14 Jahren. Zwischen 2002 und 2008 gab es ebenfalls keine Anpassungen.
Georg Schlanzke vom Deutschen Studentenwerk erinnert daher in einer aktuellen Pressemitteilung nochmals an die Forderung, das BAföG regelmäßig zu erhöhen und an die Preis- und Einkommensentwicklung anzupassen. „Eine BAföG-Erhöhung pro Legislaturperiode reicht nicht aus.“
Auch der hochschulpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, Kai Gehring, erinnert in einer Pressemitteilung daran, dass „[s]eit 2010 [..] die individuellen Chancen auf Förderung für ein erfolgreiches Studium jährlich gesunken [sind]“. Er unterstellt der Großen Koalition taktische Spielchen auf Kosten der Studierenden: „Denn im Sommer 2017 werden die Zahlen für 2016 so aussehen, wie eine Regierung sie sich im Wahljahr nur wünschen kann: Deutliche Steigerungen bei den Geförderten und ihren Förderbeträgen werden dann den von der Regierungskoalition erhofften Glanz verbreiten. Den Preis dafür haben die gezahlt, die in den letzten sechs Jahren vergeblich auf Anpassungen und Erhöhungen gewartet haben. Sie haben gejobbt oder Kredite aufgenommen, wo eigentlich die solidarische Unterstützung nötig gewesen wäre.“
Tatsächlich wurde mit der Verabschiedung der aktuellen BAföG-Reform auch die Veröffentlichung des BAföG-Berichts, der eigentlich 2016 hätte erscheinen sollen, auf nächstes Jahr verschoben (§ 35 BAföG wurde um den Satz ergänzt: „Die im Jahr 2016 anstehende Berichterstattung erfolgt im Jahr 2017.“).
Was müsste zukünftig beim BAföG geschehen?
Optimalvorstellung wäre sicher – wie bspw. vom studentischen Dachverband fzs schon mehrfach gefordert – eine jährliche, automatische Anpassung der Förderhöhen und Bedarfssätze, die im BAföG-Gesetz verankert würde. Auch das Deutsche Studentenwerk äußert sich ähnlich, wenn auch nicht auf eine jährliche Anpassung bestehend. Vergleichbare Forderungen kamen auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund oder politische Jugendverbänden wie den Jusos, der Jungen Union Deutschlands und den Jungen Liberalen. Mehr dazu auch in unserem Artikel Chance auf Realisierung? – Dynamische Erhöhung des BAföG.
Indiskutabel ist es jedenfalls, wenn die nächste Erhöhung wieder sechs Jahre auf sich warten lässt. Spätestens alle zwei Jahre (bei höherer Inflation wirklich jährlich) muss es eine Anpassung geben, wenn BAföG wirklich eine Förderung sein soll, auf die sich die Studierenden auch verlassen können. Die wenigen Erhöhungen in der Vergangenheit dürften das Vertrauen in das BAföG aber ziemlich angeknackst haben – und machen vielleicht eine Verankerung im Gesetz wirklich notwendig. (oi)
Quellen und Material
- BAföG-Statistik 2015: 870 000 Geförderte in Deutschland (Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 278 vom 11.08.2016)
Weniger BAföG - Geförderte: „Regelmäßige BAföG- Erhöhung dringend notwendig“ (DSW-Pressemitteilung, 11.08.2016)
- Sechs BAföG-Nullrunden hinterlassen Spuren (Pressemitteilung von Kai Gehring, Grüne Bundestagsfraktion, 11.08.2016)
- BAföG ausbauen - Breitenförderung statt Elite (Anforderungen des fzs an eine BAföG-Novellierung, beschlossen auf der 45. MV in Mainz; 02.03.2013)