Wann spielen die Eltern keine Rolle?Elternunabhängiges BAföG
1. Oft gestellte Fragen
Du kannst in verschiedenen Situationen unabhängig von deinen Eltern BAföG erhalten. Am einfachsten ist es, wenn du bei Beginn des Studiums oder der schulischen Ausbildung schon über 30 bist. Aber auch, wenn du fünf Jahre erwerbstätig warst, deine allgemeine Hochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg erwirbst oder du Vollwaise bist, ist elternunabhängiges BAföG möglich.
Das kommt auf den einzelnen Fall an. So musst du bspw. nach abgeschlossener Berufsausbildung mindestens drei Jahre gearbeitet haben. Du musst bestimmte Mindestbeträge verdient haben. Alle Bestimmungen findest du hier.
Es gibt keinen speziellen Antrag für elternunabhängiges BAföG. Das BAföG-Amt prüft anhand deiner Angaben (und Belege!) zu deinem bisherigen schulischen und beruflichen Laufbahn, ob du die Bedingungen erfüllst.
Nur für den Fall, dass die Bedingungen laut BAföG nicht erfüllt wären, deine Eltern aber dennoch nicht mehr für dich zahlen wollen, wäre ein Antrag auf Vorausleistungen zu stellen.
2. Voraussetzungen, um elternunabhängiges BAföG bekommen zu können
Wie immer gilt zunächst, dass das konkrete Studium bzw. die Ausbildung und du selbst förderungsfähig sein müssen. Allgemein informiert dazu unser Artikel Bekomme ich BAföG? Die Grundlagen des BAföG.
Ist das geklärt und hast du deinen monatlichen BAföG-Bedarf ermittelt (am einfachsten geht das mit dem BAföG-Rechner), so ist dies nicht zwingend auch der Betrag, den du vom BAföG-Amt erhalten wirst. Denn normalerweise fördert dich der Staat nur dann, wenn dein eigenes Einkommen, das Einkommen deines/deiner Ehegatten/in/Lebenspartners/in (soweit vorhanden) und das deiner Eltern nicht ausreichen, um dir die Ausbildung zu finanzieren. Der Hintergrund ist, dass dein/e Ehegatte/in/Lebenspartner/in und deine Eltern dir gegenüber eine Unterhaltsverpflichtung haben, zu der auch die Finanzierung einer Ausbildung gehört (mehr dazu im Artikel zum Ausbildungsunterhalt); diese Pflicht geht der finanziellen Unterstützung durch den Staat vor.
Es gibt jedoch Fälle, in denen die Unterhaltsverpflichtung deiner Eltern nicht (mehr) besteht und du trotzdem (oder gerade deshalb) nach dem Willen des Gesetzgebers Unterstützung für die Ausbildung bekommen sollst. Geregelt sind diese Ausnahmen in § 11 Abs. 3 BAföG unter dem Stichwort elternunabhängige Förderung.
Da der Unterhaltsanspruch dir nichts nützt, wenn der Aufenthaltsort deiner Eltern unbekannt ist oder sie rechtlich oder tatsächlich daran gehindert sind, im Inland Unterhalt zu leisten, gibt es auch hierfür eine Sonderregelung (§ 11 Abs. 2a BAföG).
Elternunabhängiges BAföG gibt es zusammengefasst in folgenden Fällen:
Wenn du nach fünf Jahren Erwerbstätigkeit mit einem bestimmten Mindesteinkommen Förderung für ein Studium / schulische Ausbildung beantragst;
Wenn du BAföG für ein Studium / schulische Ausbildung beantragst, nachdem du nach einer Berufsausbildung mindestens drei Jahre erwerbstätig warst (und während der Erwerbstätigkeit ein bestimmtes Mindesteinkommen erzielt hast); zusammen mit der Ausbildung musst du auf mindestens sechs Jahre kommen. Auch ein Bachelorstudium gilt als Berufsausbildung.
Für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg;
Wenn du bei Beginn des Ausbildungsabschnitts über 30 Jahre alt bist.
Wenn der Aufenthaltsort deiner Eltern unbekannt ist oder sie rechtlich oder tatsächlich gehindert sind, im Inland Unterhalt zu leisten.
Wenn du Vollwaise bist.
Wenn du die Voraussetzungen für eine elternunabhängige Förderung zwar nicht erfüllst, deine Eltern aber nicht mehr unterhaltspflichtig sind und ohne BAföG deine Ausbildung gefährdet wäre.
Wichtig: Die Zeiten der „Erwerbstätigkeit“ können auch anders als durch klassische Arbeitstätigkeit erfüllt werden (z.B. Kindererziehung, Zeiten des gesetzlichen Mutterschutzes, FSJ, FÖJ, Bundesfreiwiligendienst). Außer bei Kindererziehung müssen aber gewisse Mindesteinkünfte vorhanden gewesen sein.
Ob du für dein Studium bzw. deine Ausbildung überhaupt BAföG-Anspruch haben kannst (und wenn ja, ob vielleicht auch elternunabhängig), kannst du mit unserem BAföG-Check herausfinden!
Das BAföG-Amt prüft automatisch anhand des Lebenslaufs, ob elternunabhängiges BAföG wegen vorheriger Erwerbstätigkeit (oder vergleichbar anerkannter Zeiten), deines Alters oder dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg möglich ist. Für ersteres ist es deshalb vorteilhaft, wenn Ausbildungszeiten und Zeiten der Erwerbstätigkeit lückenlos belegt werden können (Zeugnisse, Lohnsteuerkarten, Lohnzettel ...).
In dem Fall, dass du elternunabhängiges BAföG bekommen möchtest, weil der Aufenthaltsort deiner Eltern unbekannt ist, musst du das Amt selbst explizit darauf hinweisen. Wenn du Vollwaise bist, solltest du das gleich durch amtliche Unterlagen belegen.
3. Antrag: Wie beantragt man elternunabhängiges BAföG?
Sind die oben beschriebenen Kriterien erfüllt (die im Detail weiter unten erläutert werden), willst du natürlich elternunabhängiges BAföG beantragen. Doch es gibt dafür gar kein besonderes Antragsformular. Das Amt muss nämlich von sich aus prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, was es an Hand der Antragsunterlagen tut.
Am einfachsten ist es, wenn sich aus der Schulart direkt elternunabhängiges BAföG ergibt – dann braucht das Amt nur die Schulbescheinigung. Möglich ist das nur beim Erwerb des Abiturs auf dem zweiten Bildungsweg (Kolleg, Abendgymnasium u.ä.).
Geht es um elternunabhängiges BAföG auf Grund vorheriger Erwerbstätigkeit (bzw. anderer anrechenbarer Zeiten), so muss aus Formblatt 1, Seite 5 (Lebenslauf) hervorgehen, dass die Zeiträume ausreichen. Die Zeiträume musst du in geeigneter Weise (Kopien der Schulbescheinigung, Lohnabrechnung, Geburtsurkunden Kinder etc.) nachweisen. Um die ausreichende Höhe der Einkünfte während der Erwerbstätigkeit nachzuweisen, sind evt. auch Jahresabrechnungen oder Steuerbescheide ergänzend sinnvoll.
Bist du Vollwaise, so belegst du das durch amtliche Unterlagen.
Ist dir der Aufenthaltsort deiner Eltern nicht bekannt, so musst du das schriftlich erklären.
4. Längere Erwerbstätigkeit (oder andere anerkannte Zeiten) vor dem Studium bzw. der BAföG-förderungsfähigen schulischen Ausbildung
Wenn bei den beiden folgenden Varianten von Erwerbstätigkeit die Rede ist, gelten dafür – wie könnte es anders sein – noch ein paar Randbedingungen, auf die wir weiter unten genauer eingehen. Es gibt darüberhinaus auch andere Zeiten, die wie Erwerbstätigkeit zählen, auch darauf gehen wir ein.
Variante 1: Fünf Jahre Erwerbstätigkeit vor dem Studium / Ausbildung
(5️⃣ Jahre-Regel)
Das Einkommen deiner Eltern bleibt unberücksichtigt, wenn du zwischen deinem 18. Geburtstag und dem Beginn des Studiums mindestens fünf Jahre gearbeitet hast oder andere anerkannte Zeiten vorweisen kannst.
Variante 2: Berufsausbildung und danach mindestens drei Jahre Erwerbstätigkeit, insgesamt mindestens sechs Jahre
(3️⃣+3️⃣=6️⃣ Jahre-Regel)
Elternunabhängig gefördert werden kannst du auch dann, wenn du eine Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hast und danach (Reihenfolge ist zwingend!) noch so lange erwerbstätig warst (oder andere anerkannte Zeiten vorweisen könnt), dass du mit Berufsausbildung und Erwerbstätigkeit zusammen auf mindestens sechs Jahre kommst.
Die Erwerbstätigkeit muss dabei mindestens drei Jahre gedauert haben. Eine kürzere Ausbildungszeit ist also erlaubt, soweit du insgesamt auf sechs Jahre kommst, nicht aber eine kürzere Zeit der Erwerbstätigkeit. Auch hier muss die Erwerbstätigkeit die folgenden Kriterien erfüllen. Es ist nicht erforderlich, dass du gerade in dem Beruf erwerbstätig warst, für den du zuvor ausgebildet wurdest.
Auch in dieser Variante muss die Voraussetzung der sechs Jahre vor Beginn des Ausbildungsabschnitts erfüllt sein. Insofern gilt das oben in Variante 1 Gesagte.
Und du musst natürlich auch hier die Altersgrenze einhalten, darfst also nicht älter als 45 (gilt seit Wintersemester 2022/2023) sein.
Geht es um BAföG für ein Masterstudium, reicht es, wenn du zu Beginn des Masters noch nicht 35 bist. Da ein Bachelorstudium als Berufsausbildung zählt, kannst du auch dann elternunabhängig gefördert werden, wenn du nach deinem Bachelorabschluss drei Jahre arbeitest und dann ein Master anschließt. Und natürlich noch die folgenden Randbedingungen erfüllt sind …
Randbedingungen für die Erwerbstätigkeit
Es müssen nicht die für die jeweilige Variante nötige Jahre Erwerbstätigkeit (oder entsprechende andere anerkannte Zeiten) am Stück gewesen sein, es können auch verschiedene Teilzeiträume sein, die zusammen die nötige Zeit ergeben.
Es kann sich um Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigungen, selbstständige oder abhängige Beschäftigungen gehandelt haben.
Ausbildungszeiten bleiben unberücksichtigt, auch wenn du im Rahmen der Ausbildung ein Ausbildungsentgelt bezogen hast.
Eine Teilzeitbeschäftigung neben (= unabhängig von) der Ausbildung zählt jedoch als Erwerbstätigkeit.
Ferienarbeit dagegen findet keine Berücksichtigung.
Wie hoch ist der Mindestverdienst für Arbeitstätigkeit, die für elternunabhängiges BAföG berücksichtigt wird?
Du musst auch so viel verdient haben, dass du von dem verdienten Geld deinen Lebensunterhalt bestreiten konntest. Bei abhängiger Beschäftigung wird dies angenommen, wenn du brutto mindestens 120 % des jeweils geltenden BAföG-Bedarfssatzes für Studierende, die nicht bei ihren Eltern wohnen (ohne Kranken- und Pflegeversicherungszuschlag) zum Leben hattest. Der Betrag lag von Oktober 2010 bis Juli 2016 bei rund 716 Euro, von Oktober 2016 bis September 2019 bei rund 780 Euro, von Oktober 2019 bis September 2020 bei 893 Euro, von Oktober 2020 bis September 2022 bei 902,40 Euro und ab Oktober 2022 bei 974,40 Euro. Bei unterschiedlichen Bedarfssätzen in einem Kalenderjahr oder schwankendem Einkommen sind jeweils durchschnittliche Monatsbeträge zu ermitteln und gegenüberzustellen (VwV 11.3.5).
Bei Selbstständigen genügt es, wenn sie nicht überwiegend Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen haben (VwV 11.3.6).
Welche Zeiten zählen im Sinne des BAföGs wie Erwerbstätigkeit?
Unabhängig von den gerade beschriebenen Regelungen zur Erwerbstätigkeit werden Zeiträume berücksichtigt, in denen nachweislich folgende Tätigkeiten ausgeübt wurden:
die Haushaltstätigkeit eines Elternteils, der zumindest ein Kind unter zehn Jahren (seit August 2019: 14 Jahre) oder ein Kind, das behindert und auf Hilfe angewiesen ist, im eigenen Haushalt zu versorgen hatte.
Betreuungszeiten werden nicht berücksichtigt, wenn du parallel eine Ausbildung gemacht hast, die mit BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe gefördert wurde oder hätte gefördert werden können, vgl. VwV 11.3.6a.
Wehr- und Zivildienst sowie diesen gleichgestellte Dienste
ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr
der Bundesfreiwilligendienst
Außerdem werden berücksichtigt:
Zeiten der mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit
Zeiten des gesetzlichen Mutterschutzes
Zeiten der Erwerbsunfähigkeit
Zeiten der Arbeitslosigkeit, soweit du während dieser Zeit nicht eine BAföG-förderungsfähige Ausbildung gemacht hast (mit der Folge, dass du der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden hast)
Zeiten der Teilnahme an einer Maßnahme zur medizinischen oder beruflichen Rehabilitation
Zeiten der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach §§ 81 ff. SGB III (es geht hier nur um Maßnahmen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus gefördert werden oder in einigen Sonderfällen [„Strukturwandel“, „Engpassberuf“])
... sofern du entsprechende Leistungen (z. B. Krankengeld, Arbeitslosengeld I – nicht jedoch ALG II!) erhalten hast. Die Höhe dieser Leistungen muss dabei lediglich 100 % des Bedarfssatzes (s. o.), nicht 120 % betragen haben. Bei Kindererziehung spielen die Einkünfte keine Rolle (wg. Tz 11.3.6a).
Bevor du nun anfängst, deinen Lebenslauf zurückzuverfolgen und das damalige Einkommen zu ermitteln, noch zwei Dinge:
Bist du bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den du nun Förderung beantragen willst, über 30 Jahre (ab Wintersemester 2022/2023) alt, so kannst du dir die Rechnerei schenken. Dann gibt es direkt elternunabhängiges BAföG. Nur wenn du sogar über 45 bist, wird es komplizierter.
Die Voraussetzung der fünfjährigen Erwerbstätigkeit bzw. der Ausbildung und anschließenden Erwerbstätigkeit (3+3 Jahre) muss vor Beginn des Ausbildungsabschnitts erfüllt worden sein.
Ein Ausbildungsabschnitt ist dabei die Zeit, die an Ausbildungsstätten einer Ausbildungsstättenart einschließlich der im Zusammenhang hiermit geforderten Praktika bis zu einem Abschluss oder Abbruch verbracht wird (§ 2 Abs. 5 Satz 2 BAföG). Im Klartext heißt das: Warst du vor der Erwerbstätigkeit schon mal als StudentIn eingeschrieben, so nützen dir die fünf Jahre Arbeit überhaupt nichts, weil sie nicht vor Beginn des Ausbildungsabschnitts liegen. Der damals begonnene Ausbildungsabschnitt „Hochschulstudium“ wird nämlich nach einer Unterbrechung lediglich fortgesetzt.
Was allerdings möglich ist: Nach einem abgeschlossenem Bachelorstudium mindestens drei Jahre erwerbstätig sein und dann im Masterstudium elternunabhängig gefördert werden. Der Grund: Mit dem Beginn des Masterstudiums nach einem Bachelor beginnt immer ein neuer Ausbildungsabschnitt.
Elternunabhängige Förderung bei doppeltem Perspektivwechsel
Anders ist es dagegen beim Studienabbruch und dem sog. doppelten Perspektivwechsel: Hast du das frühere Studium abgebrochen, dich also endgültig von dem Ziel, einen Hochschulabschluss machen zu wollen, verabschiedet und beginnst du dann Jahre später doch wieder ein Studium, so wird nicht der alte Ausbildungsabschnitt „Hochschulstudium“ fortgesetzt, sondern es beginnt ein neuer Ausbildungsabschnitt.
Elternunabhängige Förderung könnte dann möglich sein – zu den weiteren Randbedingungen bezüglich der Erwerbstätigkeit (oder Ausbildung und anschließende Erwerbstätigkeit) siehe hier.
5. Sonderfall: Voraussetzungen der elternunabhängigen Förderung nicht erfüllt, aber auch keine Unterhaltspflicht der Eltern
Das Unterhaltsrecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und die Voraussetzungen der staatlichen BAföG-Förderung greifen nicht nahtlos ineinander. Zum einen endet die Unterhaltspflicht deiner Eltern früher als die BAföG-Förderung einsetzt. Hier müssen für die Förderung ohne Berücksichtigung des Einkommens der Eltern – wie oben gesehen – noch weitere Voraussetzungen (nämlich z. B. eine längere Erwerbstätigkeit) erfüllt sein. Zum anderen kann es zu Unterschieden in der zivilrechtlich ermittelten Unterhaltshöhe und dem Anrechnungsbetrag nach dem BAföG kommen, weil beide Berechnungen unterschiedlichen Prinzipien folgen.
Für dich heißt das: Erfüllst du die Voraussetzungen für eine elternunabhängige Förderung nach dem BAföG (noch) nicht und sind deine Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig oder müssten sie nach dem staatlichen Förderungsrecht Geld zahlen, welches sie zivilrechtlich nicht als Unterhalt schulden, so fällst du gewissermaßen in eine gesetzliche Regelungslücke.
In dieser Situation hast du eine Chance, über einen „Umweg“ elternunabhängig gefördert zu werden: du stellst einen Antrag auf Vorausleistungen. Dafür steht das Formblatt 8 zur Verfügung.
Was sind Vorausleistungen?
Das Vorausleistungsverfahren ist an sich für den Fall gedacht, dass sich die Eltern weigern, dir den nötigen Ausbildungsunterhalt zu zahlen. Ist deine Ausbildung dadurch gefährdet, weil das Geld vom BAföG-Amt nicht zum Leben reicht, kannst du beantragen, dass das Amt dir den Unterhaltsbetrag, den an sich deine Eltern zahlen müssten, vorschießt. Leider wird in diesem Fall Kindergeld, das du erhältst, angerechnet.
Natürlich setzt das Amt anschließend alles daran, sich das Geld von deinen Eltern zurückzuholen. Notfalls führt es auch einen Unterhaltsprozess gegen deine Eltern. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass ein Unterhaltsanspruch besteht, holt sich das Amt das vorausgeleistete Geld von den Eltern zurück, ansonsten wirst du – wie gesagt – elternunabhängig gefördert, denn das Amt hat keine Ansprüche gegen die Eltern, wird die vorausgeleisteten Beträge aber auch nicht von dir zurückfordern.
Wann führt das Vorausleistungsverfahren zu einer elternunabhängigen Förderung?
Wenn du nachvollziehbar darlegen kannst, dass gegenüber den Eltern, die keinen Unterhalt zahlen, kein Unterhaltsanspruch besteht, trotzdem im Rahmen des BAföG aber ein solcher vorausgesetzt wird und ohne staatliche Hilfe die Ausbildung gefährdet wäre.
Siehe dazu auch den Artikel zum Vorausleistungsverfahren.
Wie geht es weiter, nachdem du den Antrag auf Vorausleistungen gestellt hast?
Das BAföG-Amt fördert dich in analoger Anwendung des § 11 Abs. 2a BAföG elternunabhängig, wenn die in VwV 36.1.17 aufgeführten Voraussetzungen vorliegen:
Deine Eltern leisten keinen Unterhalt.
Du hast offensichtlich keinen Unterhaltsanspruch gegen sie.
Der Unterhaltsanspruch wird nicht nur deshalb verneint, weil die Eltern nicht leistungsfähig sind.
Es wurde noch kein Vorausleistungsbescheid erlassen (dazu sogleich). Wird nach Erlass eines Vorausleistungsbescheides festgestellt, dass kein Unterhaltsanspruch besteht, gibt es elternunabhängige Förderung analog § 11 Abs. 2a BAföG ab dem folgenden Bewilligungszeitraum.
Ist dagegen unklar, ob ein Unterhaltsanspruch besteht, wird das Vorausleistungsverfahren fortgeführt. Stellt sich in seinem weiteren Verlauf heraus, dass deine Eltern nicht unterhaltspflichtig sind, wirst du im Ergebnis ebenfalls elternunabhängig gefördert. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 (Az.: 1 BvL 50/92, zur Kurzfassung vgl. Pressemitteilung Nr. 140 des BVerfG vom 22. Dezember 1998) betrifft dies insbesondere den Fall, dass du eine zweite Ausbildung machen willst, für die deine Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig sind.
6. Beginn der Ausbildung über 30 Jahre
Bist du bei Beginn des Ausbildungsabschnitts bereits über 30, wirst du auf jeden Fall elternunabhängig gefördert. Durch die Erhöhung der Altersgrenze für BAföG auf 45 Jahre seit August 2022 wird ein ehemaliger Sonderfall nun zu einem „Regelfall“. Und selbst mit über 45 kann es in bestimmten Fällen noch BAföG geben. Wie es genau mit der Altersgrenze beim BAföG aussieht, kannst du im Artikel BAföG-Anspruch bei Studienbeginn mit über 45 nachlesen.
7. Weitere Ausnahmefälle
a. Elternunabhängiges BAföG für den Erwerb der allg. Hochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg
Wer seine allgemeine Hochschulreife auf einem Abendgymnasium oder Kolleg (Vorsicht: Ein Berufskolleg ist meist kein Kolleg in diesem Sinne!) erwerben will, bekommt grundsätzlich elternunabhängiges BAföG – jedenfalls dann, wenn die Ausbildungsstätte ausschließlich den Erwerb des Abiturs als Ziel hat.
Gleiches gilt für den Besuch
a) der Oberstufe der Berufsoberschulen in Baden-Württemberg,
b) der Berufsoberschulen in Bayern,
c) der Klassen 13 der Berufsoberschulen in Niedersachsen.
Die elternunabhängige Förderung beim Erwerb der Hochschulreife bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass dies auch für ein anschließendes Studium gilt. Dies ist nur dann der Fall, wenn eine der anderen Voraussetzungen für eine elternunabhängige Förderung vorliegt..
c. Unbekannter Aufenthaltsort der Eltern / kein Unterhalt möglich
Das Einkommen eines Elternteils (oder beider Eltern) bleibt schließlich dann außer Betracht, wenn sein Aufenthaltsort nicht bekannt ist und auch nicht ermittelt werden kann. Du hast gegenüber dem BAföG-Amt schriftlich zu versichern, dass du weder den Aufenthaltsort noch eine Kontaktperson der Eltern kennst und auch keinen Unterhalt von ihnen beziehst. Wann ein Aufenthaltsort im Ausland nicht ermittelt werden kann, kannst du in VwV 11.2a.2 nachlesen.
Nach VwV 11.2a.4 gilt Entsprechendes, wenn der Aufenthaltsort deines Ehe- oder Lebenspartners nicht bekannt ist oder wenn dieser rechtlich oder tatsächlich gehindert ist, im Inland Unterhalt zu leisten.
d. Vollwaise
Sind die Eltern verstorben, gibt es natürlich auch elternunabhängiges BAföG – beachte aber die Anrechnung von Waisenrente als Einkommen, sofern der Freibetrag überschritten wird.
Hinweis: Dieser Artikel stammt ursprünglich von Nicola Pridik. Er wurde von der Studis Online-Redaktion immer wieder aktualisiert und ergänzt, zuletzt am oben angegebenen Datum.
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