ÜberraschungStipendienprogramm beschlossen, BAföG-Änderung verzögert
Eine böse Überraschung: Das Stipendienprogramm ist dem Bund wichtiger als die BAföG-Erhöhung
Hintergrund für die überraschende Wendung in Sachen Nationales Stipendienprogramm: Der Bund hat offenbar kurz vor der Bundesratssitzung zugesichert, die direkten Kosten für das Programm voll zu übernehmen (ursprünglich sollten die Länder die Hälfte des staatlichen Anteils tragen). So ließ sich die - wahrscheinlich vorläufig zum letzten Mal bestehende - CDU/CSU-FDP Mehrheit im Bundesrat doch noch zu einer Zustimmung überreden.
Die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat wird bei der nächsten Bundesratssitzung vermutlich nicht mehr vorhanden sein, da es in Nordrhein-Westfalen - wenn alles glatt geht - zu einer Ablösung der noch geschäftsführenden CDU-FDP-Regierung durch eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen kommt. Diese steht dem Stipendienprogramm skeptisch gegenüber. Somit wäre das Stipendienprogramm bei einem Scheitern in der heutigen Bundesratssitzung möglicherweise komplett gestorben.
Bitter: Breitenförderung wird nicht ernstgenommen
Beim BAföG wollte der Bund offenbar (noch) keine finanziellen Zugeständnisse machen, der Gesetzentwurf wurde daher wie angekündigt in den Vermittlungsausschuss geschoben. Damit sind sinnvolle Verbesserungen beim BAföG wie die Anhebung der Altersgrenze bei Master-Studiengängen und einigen Vereinfachungen, aber vor allem auch der immerhin geringen Anhebung der Bedarfssätze und einiger Freibeträge erst einmal auf Eis gelegt.
Langfristig wird das Stipendienprogramm (so es denn planmäßig bis auf 8% der Studierenden ausgebaut wird) die öffentlichen Haushalte mit bis zu 430 Millionen Euro im Jahr belasten. Bei der BAföG-Erhöhung ging es um ca. 350 Millionen Euro. Zum Start (also noch dieses Jahr) kostet das Stipendienprogramm den Bund allerdings wohl nur ca. 80 Millionen.
Trotzdem ist es bitter, wenn sich Bund und Länder jetzt auf diese langfristigen Kosten einlassen, die einen deutlich kleineren Teil der Studierenden erreichen werden (und davon viele, die finanzielle Hilfe gar nicht dringend benötigen).
BAföG-Änderung "nur" verschoben
Letztlich wird das BAföG-Änderungsgesetz wahrscheinlich doch verabschiedet werden. Gerade einige Bundesländer mit SPD, Grünen oder Linken in der Regierung haben sich ja sogar dafür ausgesprochen, das Gesetz direkt zu verabschieden und nicht erst noch zu verzögern. Im Gegensatz zum Stipendienprogramm würde also auch ein Bundesrat mit rot-(rot)-grüner Mehrheit das BAföG nicht endgültig stoppen.
So sah Bundesbildungsministerin Schavan und Bundeskanzlerin Merkel offenbar keinen Anlass, sich auch beim BAföG stärker zu bemühen, wie sie es in Sachen Stipendienprogramm schließlich doch taten. Ihr umstrittenes Prestigeobjekt Nationales Stipendienprogramm sollte nicht sterben, das BAföG kann dagegen noch warten.
Wie geht es weiter in Sachen BAföG-Änderung?
Einen genauen Zeitplan kann man aktuell noch nicht angeben. Das Bundesministerium betont, man wolle die BAföG-Änderung so schnell wie möglich. Der nächste Vermittlungsauschuss und tagt jedoch erst im September, schließlich muss in jedem Fall der Bundesrat dem Ergebnis der Vermittlung zustimmen, was frühestens Ende September möglich ist. Muss das Gesetz noch geändert werden, wäre auch eine Zustimmung des Bundestages notwendig. Denkbar wäre bspw. eine neue Quote bezüglich der Verteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern (aktuell 65% zu 35% - in Zukunft z.B. 70% zu 30%).
Ebenfalls denkbar wäre, dass das Gesetz selbst nicht mehr geändert wird, weil der Bund die Länder an anderer Stelle finanziell entlastet bzw. Geld bereitstellt.
Im besten Fall ...
... einigen sich Bund und Länder schnell. Wegen der Sommerpause könnte der Bundesrat das Gesetz aber wie erwähnt erst Ende September 2010 beschließen. Dann hätte das Schuljahr bereits begonnen, ebenso das Wintersemester an vielen Hochschulen. Eine Änderung insbesondere der BAföG-Sätze, die "mittendrin" für alle Studierende greifen soll, ist eigentlich nicht üblich, da der Verwaltungsaufwand dafür hoch ist. So müssten alle BAföG-BezieherInnen einen Änderungsbescheid erhalten. Insofern erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass die Änderung nur für Neuanträge gleich in Kraft tritt (vielleicht aber auch für diese noch nicht) und ansonsten erst zum Sommersemester 2011 oder sogar erst zum Wintersemester 2011/2012.
Dagegen könnten - für einige durchaus entscheidende Details - andere Dinge wie bspw. die Altersgrenze bei Masterstudiengängen (zukünftig wäre BAföG möglich, sofern man zu Beginn des Masterstudiums noch nicht 35 war) doch noch dieses Jahr in Kraft treten, möglicherweise wirklich zum Oktober.
... aber eher wahrscheinlich ist ...
... dass das ganze Gesetz erst zum Sommersemester 2011 in Kraft treten wird. Die Änderung der Bedarfssätze und Freibeträge könnte sogar erst im Wintersemester 2011/2012 allgemein greifen und ansonsten nur für Neuanträge zum Sommersemester.
... sofern es nicht ganz böse ausgeht
Der Vollständigkeit halber sei auch noch die Möglichkeit erwähnt, dass das Gesetz gar nicht mehr beschlossen wird. Bisher gibt es von Seiten des Bundes keine Andeutung in Richtung einer Übernahme erhöhter finanzieller Lasten. Was aber vielen Ländern wichtig wäre. Denkbar wäre insofern auch ein Scheitern der Vermittlung, wenn alle an ihrem Standpunkt festhalten (evt. auch deswegen, weil bspw. die finanzielle Lage von Bund und Ländern sich noch verschlechtert). Zu hoffen ist aber, dass es so schlimm nicht kommen wird.
Weiteres zum Thema
- Was sich im BAföG ändern soll (Details des Änderungsgesetzes)
- Der Staat zahlt das meiste: Nationales Stipendienprogramm (29.04.2010)
- Gesetzesnovelle 2010: Vorschläge für eine BAföG-Reform (09.12.2009; Forderungen und Ideen verschiedener Institutionen zu BAföG-Reformen)
- Wunschträume und Zerrbilder: Stipendien für 10% der Studierenden? (23.10.2009; Kritik am Stipendienprogramm)