UmstellungsschwierigkeitenNeues BAföG-Gesetz - alter Bescheid
Von Oliver Iost
Die Politik hat unnötig Unordnung in die BAföG-Verwaltung gebracht
Interpretationsspielraum der Länder
Auch wenn BAföG ein Bundesgesetz ist - die Umsetzung verantworten die einzelnen Bundesländer. Das führt vor allem bei Gesetzesänderungen dazu, dass Details von Neuregelungen unterschiedlich interpretiert werden. Oder auch fragwürdige Verfahren den Ämtern von Ihrer Landesstelle vorgegeben werden.
So ist uns bekannt, dass viele Ämter trotz der Gesetzesänderung in Bezug auf die Wohnpauschale immer noch eine Mietkostenbescheinigung bzw. einen Mietvertrag anfordern. Das ist eigentlich nicht mehr notwendig, denn die Höhe der Miete spielt nun keine Rolle mehr. Es geht einzig und allein nur noch darum, dass nicht bei den Eltern (oder in einer Wohnung, die den Eltern gehört) gewohnt wird. Insofern wären andere Nachweise auch denkbar. Aber manche Landesbehörde ist da offenbar etwas stur - und muss möglicherweise erst auf dem Wege einer Klage dazu gebracht werden, dieses Vorgehen zu überdenken. [Wobei man natürlich nicht sicher voraussehen kann, wie ein Gericht dazu entscheidet, aber eigentlich ...] Oder sich die Länder irgendwann absprechen und andere Nachweise als ausreichend definieren.
Zum Thema "Ärger mit dem BAföG-Amt" empfiehlt sich auch unser gleichnamiger Artikel vom 05.10.2007, in dem wir Achim Meyer auf der Heyde (Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks) zu Problemen rund mit der Bearbeitung der BAföG-Anträge befragt hatten.
Probleme mit der Software
Weil die Länder für die Durchführung des Gesetzes zuständig sind, gibt es keine bundesweit einheitliche BAföG-Software, die den Ämtern zur Verfügung stehen würde. Diesmal hat es - soweit wir das mitbekommen haben - nur Nordrhein-Westfalen geschafft, seine Software schon im Oktober für die neuen BAföG-Regelungen fit zu machen, so dass viele BAföG-EmpfängerInnen tatsächlich schon mit der Überweisung für den November die korrigierten Beträge erhalten haben.
Überall sonst dauert es wohl bis zur Dezember-Zahlung und in manchen Fällen vielleicht auch länger. Denn die Tücke steckt im Detail.
So führt beispielsweise die für BAföG-EmpfängerInnen sehr erfreuliche Änderung bezüglich der Förderungsart nach Wechsel aus wichtigem Grund dazu, dass Bescheide, die ein Bankdarlehen beinhalteten, komplett vom Amt neu aufgesetzt werden müssen. Denn für das Bankdarlehen gilt eine andere Förderungsnummer als für das "normale" BAföG (das aber nach Änderung ja doch weitergeht. Noch dazu muss die KfW-Bank Bescheid bekommen, dass sie doch nicht zahlen muss bzw. ihre schon herausgegangenen Zahlungen vom Amt ausgeglichen werden.
Auch manche andere Änderung durch das Gesetz sind in den angepassten BAföG-Programmen der Ämter möglicherweise nicht korrekt enthalten oder bei nachträglicher Änderung nicht so einfach einzufügen.
Ein wenig Verständnis für die Ämter wäre angebracht
Auch wenn alle BAföG-EmpfängerInnen auf das zusätzliche Geld durch das BAföG-Änderungsgesetz warten und es kaum abwarten können: Durch dauernde Nachfragen bei den Ämtern wird die Lage nicht besser.
So hörten wir aus einem Amt: "Bei uns wird geschätzt, dass wir von Ende November bis ca. Mitte Dezember nur mit den Bescheiden beschäftigt sind (wenn keiner ausfällt). [Gerade wenn "automatisch" - also per Software - umgestellt wird, gibt es einige Konstellationen, bei denen die Automatik versagt und daher müssen faktisch alle Bescheid nochmals angesehen werden ...] Post bleibt liegen [aber auch nicht ganz - sonst gibt's ja auch Ärger ...]."
Wirklich sauer sein kann man auf die Politik, die diese Probleme durch die verspätete Verabschiedung des Gesetzes deutlich verstärkt hat. Der monatelange Stellungskrieg zwischen Bund und Ländern (egal, ob CDU/CSU- oder SPD-geführt) war ein trauriges Schauspiel (vgl. z.B. Bund und Länder feilschen: BAföG-Änderungsgesetz weiter in der Schwebe (15.09.2010) und Bundesrat stellt Forderungen: BAföG-Erhöhung noch unsicher.
Zwar bringt jede BAföG-Gesetzesänderung zunächst ein paar Probleme. Diesmal aber müssen alle Bescheide rückwirkend geändert werden, was bei rechtzeitiger Verabschiedung des Gesetzes nicht notwendig gewesen wäre.