Monate späterLeistungsanreize im BAföG erhalten?
Studienfinanzierung ist in Deutschland meist eine Kombination aus verschiedensten Leistungen – nicht immer übersichtlich. Die BAföG-Details machen es nicht einfacher.
Wer sich intensiv mit dem BAföG beschäftigt (oder auch nur die Artikel bei uns im Laufe der Planungen zur letzten BAföG-Novelle aufmerksam gelesen hat), wusste schon lange, dass die "Leistungsanreize" im BAföG ab 2013 gestrichen werden. Die bis dahin möglichen Rabatte bei der BAföG-Rückzahlung, wenn man das Studium schneller als in der Regelstudienzeit abschließt oder höchstens 12 Monate länger benötigt und zu den besten 30% der AbsolventInnen (bezogen auf den Abschlussjahrgang) gehört, sind dann nicht mehr möglich (Details siehe im entsprechenden Abschnitt Teilerlassmöglichkeiten unseres FAQ-Artikels zur BAföG-Rückzahlung).
Während der Debatten um die Novelle wurde dieser Gesetzesteil auch von manchen kritisiert (so u.a. auch von der SPD). Allerdings wurde das tatsächlich in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Als weiterer Teil des Gesetzs wurde das Bankdarlehen zurückgedrängt, was allgemein begrüßt wurde. So erhalten Studierende bei einem ersten Fachrichtungswechsel innerhalb der ersten beiden Semester trotzdem bis zum Ende der (neuen) Regelstudienzeit des neuen Studiengangs normales BAföG und werden nicht mehr am Ende auf das verzinsten Bankdarlehen verwiesen. Diese Maßnahme kann man sich - jedenfalls langfristig - durch die Einsparungen bei der Rückzahlung querfinanziert ansehen.
Im Gesetzesentwurf selbst wurde zur Streichung der Teilerlassmöglichkeiten angeführt, dass "[d]er erhebliche Vollzugsaufwand, insb. bei den zur Ermittlung der maßgeblichen Ecknoten und Vergleichskohorten berufenen Prüfungsämtern, und die unausgewogene Verteilung der Erlass-Chancen wegen der je nach Studiengang unterschiedlichen Beschleunigungspotenziale sind im BAföG nicht länger zu rechtfertigen [seien]."
Warum also nun der "Aufschrei"?
Der SPD-Angeordneter Klaus Hagemann hatte in einer kleinen Anfrage die Bundesregierung ermitteln lassen, wie viele Studierende tatsächlich vom noch möglichen Teilerlass profitieren und welche Kosten entstehen. Offenbar sind das zur Zeit ca. 12.600 Studierende im Jahr, die insgesamt einen Rabatt von 12 Millionen Euro erhalten. Auf der anderen Seite sollen für die Werbung für das Deutschlandstipendium in diesem (und in geringem Umfang letztem) Jahr insgesamt 5 Mio. Euro eingeplant sein (siehe die Pressemitteilung von Klaus Hagemann dazu).
Verknüpft mit der (für dieses Jahr durchaus zutreffende) Aussage, Bundesbildungsministerin Schavan (CDU) nehme so "mehr Studierenden Leistungsanreize, als sie mit dem groß angekündigten ‘Deutschlandstipendium’ geben möchte" gelang es offenbar, in die Wahrnehmung der Medien zu geraten, da parallel Bundesbildungsministerin Schavan dabei war, den Start des neuen Deutschlandstipendium zu feiern. Manchmal braucht es also erst den richtigen Anlass und den richtigen Aufhänger (hier: die konkreten Zahlen im Vergleich), um auf ein Thema aufmerksam machen zu können.
Das "Deutschlandstipendium" (zunächst unter dem Namen "Nationales Stipendienprogramm" angekündig) wurde von Schavan mit Unterstützung durch Bundeskanzlerin Merkel noch vor der BAföG-Einigung (die damals noch absolut offen war) durch den Bundesrat gedrückt, der Bund war sogar bereit, die direkten Kosten voll zu übernehmen, so dass die Bundesländer keine direkten Kosten übernehmen mussten (ursprünglich sollten Bund und Länder die staatliche Seite des Stipendiums halbe-halbe bezahlen). Voraussetzung, dass ein Stipendium ausgezahlt wird, ist immer, dass die Hochschule einen Spender für die andere Hälfte findet. Dieser Spender (z.B. ein Unternehmen) kann dann in einem gewissen Rahmen festlegen, wer vom Stipendium profitieren soll (z.B. kann er festlegen, dass der/die Geförderte ein bestimmtes Studienfach studiert).
Das Deutschlandstipendium wird in diesem Jahr allerdings nur sehr wenige Studierende erfreuen können (es ist von 6.000 die Rede), da die finanzielle Ausstattung im Vergleich zu den ersten Plänen ebenfalls stark zurückgefahren wurde. Wer es bekommt, kann sich freuen: Er bekommt es auch zusätzlich zu etwaigen BAföG-Leistungen und - wie ja bei allen Stipendien üblich - zu 100% als Zuschuss. Die wenigen, die also in den Genuss des Deutschlandstipendiums kommen, sollten glatte 300 Euro mehr zur Verfügung haben, als Leute mit BAföG-Höchstsatz. Denn das Stipendium wird vollkommen unabhängig von der sonstigen finanziellen Lage ausgezahlt.
Leistungsanreize im BAföG also erhalten?
Kaum berichten viele Medien über die Streichung des Leistungsanreizes beim BAföG, wird das trivialste gefordert: Der Leistungsanreiz muss wieder her! Aber ist das wirklich sinnvoll?
Zwar ist sicher richtig: Warum mit offenbar großem Aufwand (5 Mio. Euro allein für Werbung) ein neues Programm wie das Deutschlandstipendium aus dem Boden stampfen, dessen Erfolg nicht absehbar ist? Schließlich müssen nun die Hochschulen erst auch noch Unternehmen finden, die die andere Hälfte des Stipendiums finanzieren. Faktisch ist es übrigens so, dass am Ende der Staat ungefähr 2/3 der Kosten trägt, denn die Mit-Finanzierung der Stipendien bspw. durch Unternehmen ist ja steuerlich absetzbar und führt somit zu geringeren Steuereinnahmen. Nicht zu vergessen sind die Kosten der Hochschulen, denn die Suche nach Spendern und die Verwaltung des Ganzen ist ja selbst erst einmal zu bezahlen.
So kann man also zum Schluss kommen: Leistungsanreize lieber im BAföG. So argumentiert auch das Deutsche Studentenwerk. Die Sozialleistung BAföG würde so auch aufgewertet.
Man kann allerdings anderer Meinung sein: Wer gute Leistung im Studium bringt, wird in der Regel durch bessere Jobchancen genügend belohnt und wird das BAföG (so denn welches benötigt wurde) sowieso schneller zurückzahlen können (dafür gibt es auch zukünftig Rabatte!). Überhaupt: Wer der Meinung ist, dass das Deutschlandstipendium sozialpolitisch verfehlt ist und eine Erhöhung / Ausweitung des BAföG der richtige Weg ist, der sollte nicht auf der anderen Seite für Leistungsanreize beim BAföG sein. Denn warum sollte man nicht auch das Geld, dass diese Anreize kosten (würden) für Verbesserungen im BAföG nutzen, die potentiell allen zugute kommen?
Die Reform, die eigentlich wartet - aber niemand traut sich
Sowieso wäre es eigentlich an der Zeit, endlich vom Ur-Alt Unterhaltsrecht wegzukommen, bei dem das BAföG sowieso erst dann einspringt, wenn die Eltern nicht genug Geld haben. Wenn sie aus Sicht des Gesetzes genug Geld hätten und sich weigern, Unterhalt zu leisten, bleibt nur eine Klage gegen die eigenen Eltern. Was die wenigsten machen und sich so verschulden müssen oder einen anderen Berufsweg wählen, weil sie eben nicht frei wählen können.
Um von dieser Abhängigkeit wegzukommen, müsste stattdessen das Unterhaltsrecht radikal reformiert werden: Ab dem 18. Lebensjahr sollten die Eltern keinerlei staatliche Transferleistungen mehr für Kinder bekommen (Kindergeld, steuerliche Vorteile etc.), stattdessen diese Leistungen direkt an das "Kind" ausgezahlt werden. Komplizierte Vorausleistungsverfahren wie heute beim BAföG wären nicht mehr nötig, das BAföG könnte zumindest teilweise aus den eingesparten Transfers an die Eltern finanziert werden.
Vorschläge in diese Richtung gab es schon oft - u.a. auch vom Deutschen Studentenwerk ("Drei-Körbe-Modell") und in teilweise weitergehender Form von Studierendenvertretungen. In der ersten Legislaturperiode von SPD und Grünen zwischen 1998 und 2002 wollte die damalige Bundesbildungsministerin sogar tatsächlich Schritte in diese Richtung gehen – und wurde frühzeitig vom damaligen Bundeslanzler Schröder gestoppt. Es blieb also am Flicken am BAföG. Wie auch heute noch. Wer wird das jemals ändern?