Geheimniskrämerei19. BAföG-Bericht verabschiedet – aber nicht zu bekommen
Mit dem BAföG-Bericht wird diesmal wie mit einem Geheimbericht umgegangen – obwohl er in spätestens 2 Wochen sowieso veröffentlicht wird.
Bekannt sind bisher nur die Zahlen, die BMBF bzw. Bundesregierung in ihren Presseerklärungen bekannt gegeben haben. Alle gehen deutlich nach oben. Allerdings ist das bei steigenden Studierendenzahlen kein Wunder. So sind die Studierendenzahlen zwischen 2008 und 2010 um 9,6% gestiegen, die Zahl der StudienanfängerInnen sogar um 12,1%. Insofern bedeutet die Steigerung der geförderten Studierenden um 11,4% sogar, dass im Grunde der relative Anteil der Geförderten nicht relevant gestiegen ist.
Auch die Steigerung der durchschnittlichen Förderbeiträge für Studierende um 9,5% relativiert sich bei genauerem Hinsehen stark: Zum Wintersemester 2008 wurden die Bedarfssätze um 10% erhöht, 2010 nochmals um 2%. Da es sich bei den Angaben um die durchschnittlichen Monatsbeiträge des Gesamtjahres handelt, wirkt sich die Erhöhung von 2008 erst in diesem Bericht so richtig aus. Und diese Erhöhung war dringend nötig gewesen: Seit 2002 waren die Bedarfssätze unverändert geblieben, selbst die Erhöhung um 10% hat nicht ganz ausgereicht, um die Kaufkraftverluste durch Inflation auszugleichen.
Weitere unschöne Details im BAföG-Bericht versteckt?
Die Pressemitteilung von BMBF und Bundesregierung sprechen nur von den Steigerungen und verzichten auf jede Relativierung, die mit etwas Kenntnis der Materie schon diese wenige Zahlen hergeben. Erst recht würde man wohl skeptisch werden, wenn der Bericht im Detail vorliegt, denn spätestens dort kommen auch kritischere Stimmen zu Wort (und sei es in Form des Statements des BAföG-Beirats, der meist die Finger in die offenen Wunden legt). Aber offenbar hofft das BMBF mit den Steigerungsraten beeindrucken zu können und diese in die Medien bringen zu können. Über die Details des Berichts, der nach Angaben der Pressestelle des BMBF erst in ca. zwei Wochen veröffentlicht werden soll, wird dann hoffentlich nur noch am Rande oder in ausgesprochenen Fachmedien berichtet.
Jedenfalls verwundert es schon, dass das Bundeskabinett den Bericht beschließt, die Pressestelle BMBF auf Nachfrage, ob eine Fassung des Berichts nicht doch zu bekommen sei, behauptet, dem Kabinett wären nur Auszüge vorgelegen und der Bericht an sich würde nun erst zusammengestellt und müsse erst den Bundestagsabgeordneten zugeleitet werden, bevor er veröffentlicht werden könne. Als wenn das hochgeheime Daten wären und der Bericht zumindest als Entwurf nicht schon lange vorliegen würde. Auf die Nachfrage, warum denn dann nicht wenigstens die Auszüge zur Verfügung gestellt werden könnten, wurde einfach aufgelegt. Warum mit diesem Bericht diesmal so umgegangen wird, ist den meisten Fachleuten, mit denen gesprochen wurde, ein Rätsel. Beim 18. Bericht jedenfalls lag dieser mehr oder weniger parallel mit der ersten Pressemitteilung des BMBF dazu auch tatsächlich öffentlich vor bzw. war jedenfalls auf Nachfrage zu bekommen.
Wir werden in jedem Fall ausführlich berichten, wenn der Bericht tatsächlich vorliegt – oder uns eine glaubhafte Fassung vorab erreichen sollte. [Nachtrag 20.01.2011: Inzwischen liegt uns der Bericht tatsächlich vor – mehr dazu im Artikel Was drinsteht: 19. BAföG-Bericht enthüllt]
BAföG-Erhöhung oder nicht?
Einige Meldungen in anderen Medien sprechen zwar davon, dass Schavan keine BAföG-Erhöhung fordere. Ganz so scheint es zwar nicht zu sein. Eher soll wohl der schwarze Peter von vornherein den Bundesländern zugespielt werden und die ausfallende (und vielleicht wirklich gar nicht angestrebte) Erhöhung der Ländern in die Schuhe geschoben werden.
Statements von Abgeordneten aus den Bundestagsfraktionen CDU/CSU und FDP deuten dies jedenfalls an: Sowohl Patrick Reinhardt (FDP) als auch Albert Rupprecht (CDU/CSU) zeigen sich Erhöhungen aufgeschlossen. Aber die Verantwortung hätten vor allem die Länder. Albrecht nutzt das gleich dazu, SPD und Grüne anzugreifen: "SPD und Grüne müssen nun Farbe bekennen. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann müssen nun zeigen, dass es ihnen mit der Unterstützung für Kinder aus ärmeren Familien wirklich ernst ist."
Kai Gehring, bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, spielt den Ball aber wieder an Schavan zurück. Er äußert: "Wenn Bundesbildungsministerin Schavan beim BAföG auf die Länder zugehen will, muss sie dies mit konkreten Reformvorschlägen tun. Klaren Konzepten für eine bildungsgerechtere Studienfinanzierung werden sich die rot-grün regierten Bundesländer nicht verschließen."
Tatsächlich müssen die Länder 35% der Kosten des BAföG tragen und daher der Bundesrat BAföG-Änderungsgesetzen mehrheitlich zustimmen. Andererseits ist seit Jahren bekannt, dass die Bundesländer (egal ob von CDU, CSU, SPD oder Grünen) u.a. durch die Schuldenbremse Einschränkungen bei ihren Ausgaben unterliegen. Ihre Einnahmeseite dagegen können sie kaum beeinflussen: "Landessteuern" gibt es so gut wie keine, die Regelungen sind Bundessache oder teilweise (z.B. Höhe der Gewerbesteuer) Sache der Kommunen. So hatten schon vor der letzten BAföG-Erhöhung Bundesländer egal welcher politischer Färbung gefordert, dass der Anteil der Länder am BAföG gesenkt würde und sich der Bund stärker engagieren soll. Getan hat sich da noch nichts.
So ist das "Angebot" von Bundesbildungsministerin Schavan, mit den Ländern über mögliche Anpassungen des BAföGs zu reden, wenig überzeugend. Geredet wurde in der Bildungspolitik in den letzten Jahren viel (man erinnere sich an die diversen "Bildungsgipfel"), konkret getan wurde dafür recht wenig. So auch diesmal: Schavan macht keinerlei Andeutungen, was sie bzw. die Bundesregierung sich vorstellen könnten und schiebt damit alles an die Länder. Die Taktik scheint also zu sein, die Länder dafür verantwortlich zu machen, dass es "leider" keine BAföG-Erhöhungen geben wird.
Das wär's: 10 Eckpunkte für ein modernes BAföG
Was eine vernünftige Reform des BAföG umfassen sollte, haben das Deutsche Studentenwerk (DSW) und der Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in ihrem Papier "10 Eckpunkte für ein modernes BAföG" zusammengetragen. Die dort aufgestellten Forderungen – die bei weitem nicht Maximalforderungen sind (wirklich radikal wäre ein BAföG als Teil eines Bildungsgeldes) – würden gewährleisten, dass das BAföG weniger Spielball der Politik ist und eine verlässlichere Studienfinanzierung darstellt, die dann auch wirklich wieder die soziale Schere etwas schließen könnte.
Vor allem anderen steht hierbei die Forderung nach einem automatischen Inflationsausgleich. Die Geschichte des BAföG zeigt, dass dieser sinnvoll wäre, um das BAföG dauerhaft verlässlich zu machen. Leider ist das Gegenargument auch schnell gefunden: Es gibt praktisch keine Sozialleistung, die direkt an die Inflation gekoppelt ist. Andererseits: Nur weil es etwas noch nicht gibt, ist das kein Grund, das nicht doch zu realisieren. Aktuell wären aus Sicht von DSW und DGB aktuell eine weitere Erhöhung der Bedarfssätze um 5% und der Freibeträge um 6% sinnvoll, um damit nicht nur die Inflation auszugleichen, sondern die Zahl der tatsächlich in den Genuss einer Förderung kommenden anzuheben.
Recht weit gehen DSW und DGB mit der Forderung, die Altersgrenze für das BAföG komplett aufzuheben. Im Sinne des auch von der Politik immer betonten lebenslangen Lernens sicher richtig, wenn auch so pauschal wohl höchstens langfristig durchsetzbar. Gleiches gilt leider auch für den Darlehensanteil: Aus Sicht von DSW und DGB ist dieser bis hin zu einem Vollzuschuss abzubauen. Genau so war es übrigens bei Einführung des BAföGs 1971: BAföG war damals ein Vollzuschuss.
Kostenintensiv – aber nichts desto trotz wichtig – wäre auch die Realisierung der siebten Forderung: Das Schüler-BAföG wieder allen SchülerInnen ab der Oberstufe zugänglich zu machen. Denn schon hier können Weichen gestellt werden: Geht man noch auf die Oberstufe oder macht man nach der 10. Klasse eine Ausbildung (und hat mit letzterem erst einmal keinen direkten Zugang zu einem Studium)?
Die weiteren Forderungen betreffen die "Bologna-Kompatibilität" (beim Übergang zwischen Bachelor und Master kann es aktuell noch zu Förderungslücken kommen), Verlängerungsmöglichkeiten der Förderungshöchstdauer bspw. bei Pflege von Angehörigen und bei (späteren) Fachrichtungswechseln. Für behinderte Studierende sollten Mehrbedarfe möglich sein (bisher sind diese – wenn überhaupt – höchstens über andere Sozialleistungen zu bekommen, was weitere Anträge und Aufwand bedeutet). Schließlich werden höhere Freibeträge für Kinder von Studierenden gefordert (d.h. die Eltern dürften mehr neben dem Studium arbeiten, ohne dass die BAföG-Förderung beschnitten wird) und die Möglichkeit, dass auch ein Teilzeitstudium durch BAföG gefördert werden kann.
Quellen und Statements