Rückblick und AusblickWie es zu BAföG-Engpässen kommen kann
Vorschuss durch das BAföG-Amt
Beim erstmalige BAföG-Antrag (der dazu möglichst vollständig abgegeben worden sein sollte!) hat man laut Gesetz Anspruch darauf, dass spätestens nach 10 Wochen ein Vorschuss geleistet wird, sofern die Angaben im Antrag darauf hindeuten, dass es BAföG geben wird. Der Vorschuss ist (leider) auf 360 Euro begrenzt bzw. auf 80% der Summe, die nach vorläufiger Schätzung des Amtes zu erwarten ist.
Bei Folgeanträgen wiederum wird die fortlaufende Zahlung garantiert, wenn man den Folgeantrag spätestens zwei Monate vor Ablauf des aktuellen Bewilligungszeitraums "im wesentlichen vollständig" abgibt. Einziger Nachteil: Falls sich herausstellt, dass der Folgeantrag weniger BAföG bringt, wird das bereits zu viel ausgezahlte Geld verrechnet oder man muss sogar etwas zurückzahlen.
Details zu beiden Varianten im Artikel "Vorschuss beim BAföG"
Im Wintersemester 2011/2012 haben so viele Erstsemester wie nie zuvor ihr Studium begonnen. Folgerichtig ist auch die Zahl der BAföG-Anträge auf einen Höchststand geklettert. Eigentlich war das durchaus absehbar – so in Bayern und Niedersachsen mit einem doppelten Abiturjahrgang 2011. Ein weiterer Teil war der relativ kurzfristigen Abschaffung der Wehrpflicht geschuldet, die sich erstmals zum vergangenen Wintersemester auswirkte. Ansonsten hat sich der Trend fortgesetzt, dass der Anteil der AbiturientInnen, die sich für ein Studium entscheiden, steigt.
BAföG ist ein Bundesgesetz, die Kosten teilen sich Bund und Länder. Die Förderbeträge übernimmt vor allem der Bund (65%). Für die personelle Ausstattung der BAföG-Ämter sind dagegen allein die Bundesländer zuständig, die den Studentenwerken (oder in Rheinland-Pfalz den Hochschulen) für die BAföG-Verwaltung Gelder zur Verfügung stellen. Die Modelle, wie die "Bezahlung" funktioniert, sind von Land zu Land unterschiedlich. Und genau das war ein Grund, warum es gerade in Nordrhein-Westfalen zu den größten Problemen kam. Mehr dazu weiter unten.
Ist es erst zu einem Stau von Anträgen gekommen oder steht eine neue Flut von Anträgen kurz bevor, ist es für eine Reaktion zu spät: Es wird davon ausgegangen, dass neue MitarbeiterInnen in den BAföG-Ämtern sich einige Monate mit dem BAföG vertraut machen müssen, bevor sie Anträge effizient bearbeiten können. Das bedeutet, dass im Grunde am besten schon jetzt neue MitarbeiterInnen eingestellt werden müssten, damit diese im kommenden Wintersemester mithelfen können.
Bis der BAföG-Antrag endgültig bearbeitet ist, das kann schon mal dauern.
Wie sieht es also für das kommende Wintersemester aus? Ist wieder mit Problemen zu rechnen und wenn ja, in welchen Bundesländern? Studis Online hat bei den für BAföG zuständigen Wissenschaftsministerien aller Bundesländern nachgefragt, in denen 2012 oder 2013 doppelte Abiturjahrgänge anstehen, inwieweit die BAföG-Ämter mit zusätzlichen Stellen ausgestattet werden. Zum Vergleich haben wir uns auch in Bayern erkundigt, wie dort auf die (absehbaren) höheren BAföG-Antragzahlen wegen des doppelten Abiturjahrgangs 2011 reagiert wurde. Und wir berichten darüber, warum es in Nordrhein-Westfalen schon ohne doppelten Abitur-Jahrgang zu großen Problemen gekommen ist.
Ein kleiner Rückblick: Probleme in Bayern und Nordrhein-Westfalen – aus vollkommen unterschiedlichen Gründen
Bayern: Frühzeitige Vorbereitungen – und trotzdem Probleme
Bayern hatte im Grunde frühzeitig reagiert und den Studentenwerken nach Angaben des Wissenschaftsministeriums schon ein Jahr vor dem Höhepunkt der Antragswelle genehmigt, das Personal um rund 10% aufzustocken. Zusätzlich hat Bayern als erstes Bundesland die Möglichkeit geschaffen, die Anträge online zu stellen (genau genommen kann man die Anträge nur online ausfüllen – ausdrucken und per Post einschicken muss man sie immer noch, da sie unterschrieben werden müssen und ja diverse Belege hinzugefügt werden müssen). Die Hoffnung, dass das Online-Verfahren durch Plausibilitätskontrollen während des Ausfüllens und Hinweise auf benötigte, beizulegende Unterlagen, die Antragsbearbeitung für die Ämter erleichtert, dürfte nur zum Teil eingetroffen sein. Nach Kenntnis des Deutschen Studentenwerks wurden nur ca. 15% der Anträge tatsächlich online ausgefüllt. Darüber hinaus ist es dem Ämtern laut Wissenschaftsministerium oft nicht gelungen, das Personal ausreichend aufzustocken, offenbar aus Mangel an geeigneten BewerberInnen: Der Personalbestand ist nur um 7% gestiegen. Da die Zahl der Anträge jedoch im Wintersemester um 13% stieg und der Anteil spät gestellter Anträge ebenfalls überdurchschnittlich hoch war, kam es schließlich auch in Bayern zu merkbar längeren Bearbeitungszeiten.
Offenbar ist also durchaus mehr zu tun, als ein paar Stellen auszuschreiben, um wirklich rechtzeitig genügend neue SachbearbeiterInnen einstellen zu können. In Bayern soll der eigentlich schon für das vergangene Wintersemester angestrebte Personalstand nun dieses Jahr erreicht werden. So sollte es in Bayern im Wintersemester eigentlich ganz gut aussehen, was die Bearbeitungszeiten betreffen wird. Das sollten auch die Bundesländer bedenken, bei denen Personalaufstockungen noch anstehen – wie bei den folgenden ...
NRW: BAföG-Ämter bekommen seit 2010 unveränderte Zuschüsse – und müssen mit gleich viel Personal immer mehr Anträge bearbeiten
Die damalige schwarz-gelbe Landesregierung hatte für die BAföG-Verwaltung 2009 eine feste Pauschale für die Jahre 2010 bis 2012 festgelegt. In jedem dieser Jahre sollten die Ämter mit 15,26 Mio. Euro auskommen – unabhängig von der Zahl der Anträge. Diese Vereinbarung wurde von der rot-grünen Minderheitsregierung, die seit 2010 an der Macht ist, nicht angepasst, obwohl die Studentenwerke auf die dadurch entstehende Problematik durchaus hingewiesen hatten. So kommt es, dass die BAföG-Ämter in Nordrhein-Westfalen trotz steigender Antragszahlen kein zusätzliches Personal einstellen konnten. Auch ohne doppelte Abiturjahrgang – der allerdings 2013 kommen wird – sind die Ämter schon im Wintersemester 2011/2012 so überlastet gewesen, dass die Bearbeitungszeit deutlich angestiegen ist.
Erst jetzt ist beim Ministerium offenbar angekommen, dass ein großes Problem besteht. Mehr dazu dann weiter unten im Ausblick – 2013 steht in NRW ja auch noch ein doppelter Abitur-Jahrgang an.
Ausblick 2012/2013
Die allgemein steigenden Studierendenzahlen wirken sich in allen Bundesländern aus. Trotzdem sind die Steigerungen "vor Ort" – also direkt im Bundesland mit doppelten Abiturjahrgang – am höchsten und demzufolge sind dort auch die größten Probleme zu erwarten. Wir haben daher die Wissenschaftsministerien aller Bundesländer befragt, die 2012 oder 2013 doppelte Abiturjahrgänge haben, was sie schon getan haben bzw. noch tun werden, um die Bearbeitungszeiten der BAföG-Anträge möglichst nicht steigen zu lassen.
AntragstellerInnen können auch etwas zur Beschleunigung der Bearbeitung tun!
Auch die AntragstellerInnen können etwas dazu beitragen, dass die Bearbeitung schneller geht (und damit für kompliziertere Fälle oder Beratung mehr Zeit übrig bleibt). Sie sollten die Antrags-Formulare und alle Hinweise dazu sehr genau durchlesen und vor allem darauf achten, was weitere Belege (z.B. Kopie des Steuerbescheids der Eltern etc.) erfordert und diese möglichst gleich beilegen oder so schnell wie möglich nachzuliefern. Unvollständige Anträge erfordern Nachfragen vom Amt und kosten dadurch wertvolle Zeit.
Im Zweifel können unsere BAföG-FAQ-Artikel bei vielen Dingen weiterhelfen und – falls das nicht reicht – im Forum kann ebenfalls meist Hilfe gefunden werden.
Wenn es im jeweiligen Bundesland die Möglichkeit gibt, den Antrag Online-gestützt auszufüllen (er muss zwar schließlich doch ausgedruckt und unterschrieben werden, aber es wird eben einiges vorab auf Plausibilität geprüft), so sollte man diese Möglichkeit nutzen. Details siehe hier.
Baden-Württemberg: doppelter Abitur-Jahrgang 2012, Ämter sind gerüstet
Baden-Württemberg gewährt den Studentwerken für ihre BAföG-Ämter eine Fallpauschale, also einen Betrag pro gestelltem Antrag. Das Ministerium kann somit die Verantwortung größtenteils an die Studentenwerke abschieben, die selbst kalkulieren müssen, ob sie in Vorleistung treten wollen für zukünftige Steigerungen der Antragszahlen. Laut Wissenschaftsministerium haben die Ämter jedenfalls ihren Personalbestand in den letzten Jahren ausgebaut. Die Antragszahlen sind schon von 2007 bis 2011 um rund 25% gestiegen (von 48.000 auf 64.500). Für das aktuelle Jahr wird vom Ministerium mit einer weiteren Steigerung um 5.000 bis 5.500 Anträge gerechnet. Es wurden daher auch schon zum Anfang dieses Jahres durch die Studentenwerke Neueinstellungen vorgenommen.
Berlin: doppelter Abitur-Jahrgang 2012, man kann hoffen
Genaue Angaben konnte die zuständige Senatsverwaltung zwar nicht machen und sprach lediglich davon, dass für das Studentenwerk zusätzliche Mittel vorgesehen seien zur Verbesserung des Antrags- und Bewilligungsverfahrens.
Brandenburg: doppelter Abitur-Jahrgang 2012, Ämter sollten gerüstet sein
In Brandenburg sind die Personalmittel an die Zahl der Anträge gekoppelt. Die Ämter können also – so sie von steigenden Antragszahlen ausgehen – flexibel reagieren und weiteres Personal einstellen. Laut Pressestelle wurde unsere Anfrage als Anlass genommen, die Ämter nochmals auf die Problematik hinzuweisen.
Bremen: doppelter Abitur-Jahrgang 2012, BAföG-Amt sollte gerüstet sein
Laut der Pressereferentin der Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit sind die Fallzahlen im Amt für Ausbildungsförderung des Studentenwerks bereits in der Vergangenheit gestiegen, sodass geregelt wurde, dass im Bedarfsfall zusätzliche Sachbearbeiter/-innen (befristet) eingestellt werden.
Hessen: doppelter Abitur-Jahrgang 2013, neues IT-Verfahren soll es richten – ob das reicht?
Hessen will noch 2012 ein neues BAföG-IT-Verfahren einführen, was auch die Online-Antragstellung umfasst. Es wird darauf gesetzt, dass so Verbesserungen im Antrags- und Auszahlungsverfahren und eine Verkürzung der Bearbeitungszeiten erreicht werden. Ob das ausreicht, wird man abwarten müssen. Nach den Erfahrungen aus Bayern sollte man nicht zu viel erwarten.
Nordrhein-Westfalen: doppelter Abitur-Jahrgang 2013, schlechte Aussichten aber vor allem 2012
In NRW gab es – wie ja schon oben zu lesen war – schon im vergangenen Wintersemester 2011/12 große Probleme. Das Ministerium hat zwar am 05.03.2012 unter dem Druck immer mehr Medienberichte über immer noch ausstehende BAföG-Bescheide und die Postkartenaktion vieler ASten eine Sitzung mit den Zuständigen der Studentenwerke abgehalten. Aber gleichzeitig hieß es, es könne nur begrenzt etwas getan werden, Schuld sei die Vorgängerregierung. Nun ist es zwar richtig, dass diese auf die wenig sinnvolle Idee gekommen ist, für die BAföG-Antragsbearbeitung über Jahre feste Zuschüsse (unabhängig von der Zahl der bearbeiteten Anträge) vorzugeben. Aber niemand hat ja die aktuelle Regierung gehindert, diese Regelung zu ändern. Die sonstigen Zuschüsse für die Studentenwerke wurden bspw. zwischen 2009 und 2012 um ca. 7 Mio. angehoben (allerdings betonen die Studierendenwerke, dass es 2006 eine drastische Kürzung gab und die Erhöhung im Grunde diese nicht mal ausgleicht). Neben der BAföG-Bearbeitung müssen ja auch die Mensen ausgebaut, mehr Wohnraum geschaffen und die sonstigen Dienstleistungen der Studierendenwerke für mehr Studierende ausgebaut werden. Offenbar wurde aber "übersehen", dass auch die BAföG-Bearbeitung ausgebaut werden muss.
Man kann nun hoffen, dass zumindest für 2013 mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, damit es wenigstens dann nicht ganz so schlimm wird (das Beispiel Bayern zeigt ja, dass es nicht so einfach ist, ausreichend neue MitarbeiterInnen zu gewinnen). Jedenfalls hat das erwähnte Gespräch erbracht, dass die aktuellen Zahlen (Entwicklung der Zahl der Anträge, Personalstand etc.) für alle BAföG-Ämter an den Studentenwerken zusammengetragen werden, damit das Wissenschaftsministerium eine Erhöhung der Zuschüsse beim Finanzministerium mit guter Datenbasis durchsetzen kann. Im besten Fall könnte sich also sogar noch 2012 etwas tun, aber da es sowieso schon zeitlich kaum noch reicht, um sinnvoll neue MitarbeiterInnen einzustellen und rechtzeitig einzuarbeiten, sollte man sich in Nordrhein-Westfalen im Wintersemester 2012/2013 auf eher lange Wartezeiten einstellen.
Und in den anderen Bundesländern?
In den anderen Bundesländern gibt es 2012 oder 2013 keine doppelten Abiturjahrgänge. Da die Aussetzung der Wehrpflicht ihren Haupteffekt wohl auch schon 2011 hatte, ist dort mit keinen besonders negativen Effekten zu rechnen. In Bayern gab es 2011 durch den doppelten Abiturjahrgang einige Probleme, da aber in diesem Zuge der Personalbestand erhöht wurde und vielleicht auch das Online-Verfahren doch langsam mehr Nutzung erfährt und so seine Vorteile ausspielen kann, sollte es in den kommenden Jahren wieder besser laufen.
Nicht ausschließen lässt sich aber natürlich, dass einzelne BAföG-Ämter durch Personalprobleme trotzdem überdurchschnittlich lange brauchen werden. Hier sei dann nochmals auf die Möglichkeit des Vorschusses hingewiesen, wenn die Bearbeitung übermäßig lange dauert. Aber noch zuvor sollte man sich als AntragstellerIn natürlich darum bemühen, den Antrag so früh und so vollständig wie möglich abzugeben (siehe schon oben).