Weniger für MehrBAföG-Einschnitte geplant
Zuerst machte die schlechte Kunde die Runde. Am Mittwoch titelte Focus Online: "250 Millionen Euro weniger BAföG" und bezog sich damit auf den am selben Tag vom Regierungskabinett gebilligten Haushaltsentwurf für 20131. Während im laufenden Jahr noch 1,76 Milliarden Euro für die Ausbildungsförderung von Schülern und Studierenden vorgesehen sind, wären für das kommende nur mehr 1,5 Milliarden ausgewiesen.
Die exakten Zahlen hatte zuvor der SPD-Abgeordnete im Bundestag, Klaus Hagemann, per Pressemitteilung in die Welt gesetzt2. Darin spricht er von einer "drastischen" Etatabsenkung von 1,763 Milliarden auf 1,51 Milliarden Euro und wirft den Regierungsparteien vor, ihren "Ruf als Anti-BAföG-Koalition" weiter zu untermauern. Jeder erwarte eigentlich eine "Erhöhung sowohl bei den Freibeträgen als auch den Bedarfssätzen, zumindest doch eine Anpassung an die allgemeine Preisentwicklung", fuhr der Politiker fort. Aber statt wenigstens die bestehenden Spielräume in ihrem eigenen Haushalt zu nutzen, streiche die Bildungsministerin "lieber den Ansatz bei der Studierendenförderung zusammen".
Schavan verspricht Studienplätze
Achtung Ungleichgewicht: Etatabsenkung bei steigendem Bedarf
Das wollte die Gescholtene nicht auf sich sitzen lassen. Annette Schavan (CDU) drehte den Spieß einfach um und erklärte die eigentlich traurig anmutende Neuigkeit kurzerhand zur Erfolgsmeldung. In der Presse war am Donnerstag plötzlich von einem Brief ihres Hauses an die Kultusminister der Länder die Rede, der diese am Vortag erreicht haben soll. "Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass der Haushaltsentwurf des Bundes für das Jahr 2013 eine Erhöhung der Mittel um 664 Millionen Euro vorsieht", zitierte unter anderem Spiegel Online aus dem Schreiben3. Im Haushaltsjahr 2013 würden insgesamt 1,85 Milliarden Euro für zusätzliche Studienplätze zur Verfügung stehen, so die Ministerin.
Der Plan erscheint zunächst einmal sinnvoll. Deutschlands Hochschulen werden gegenwärtig von weit über zwei Millionen Studierenden bevölkert. 2011 gab es über eine halbe Million Studieneinsteiger, und ein Ende des Booms ist erst einmal nicht in Sicht. Kritiker monieren seit längerem, dass der von Bund und Ländern aufgelegte Hochschulpakt zur Schaffung zusätzlicher Kapazitäten mit der Entwicklung nicht mithält und dringend einer finanziellen Nachbesserung bedarf. Der in der Vorwoche veröffentlichte nationale Bildungsbericht geht von einer "Unterdeckung der Zielzahlen" bis zum Jahr 2020 um rund 300.000 Studienanfänger aus, und bereits die Ausbauziele bis 2015 erschienen "unterdimensioniert"4.
Woher kommen 664 Millionen?
Hat die Regierung also die Zeichen der Zeit erkannt? Daran bleiben leider Zweifel. Das geht mit der Frage los, wo die besagten 664 Millionen Euro überhaupt hergenommen werden sollen. 320 Millionen stammen nach Auskunft des Ministeriums vom Bundesfinanzministerium, wären also ein klassischer Mittelaufwuchs. Anders die restlichen 344 Millionen: Die sollen durch "Umschichtungen" im Etat des Bildungsministerium zustande kommen. Und eben darin verbergen sich dann auch die 250 Millionen Euro, die man beim BAföG abknapsen will.
Nur wie passt das zusammen? Einerseits soll es mehr Studienplätze für mehr Studierende geben, und andererseits glaubt man, die Aufwendungen zur Ausbildungsförderung massiv zusammenstreichen zu können. Studis online wollte es genau wissen und hat bei Schavans Ministerium nachgehakt. In der Antwort verwahrt sich die Pressestelle zunächst einmal dagegen, die Einschnitte eine "Kürzung" zu nennen. Zurecht wird darauf verwiesen, dass es sich um einen gesetzlichen Anspruch handelt, "jeder Bedürftige wird in dem ihm zustehenden vollen Umfang gefördert". Tatsächlich spiegelt der Kostenansatz immer nur eine Schätzung wieder, wie viele Mittel von wie vielen Anspruchsberechtigten voraussehbar abgerufen werden.
Weniger Bedarf erwartet
Ergo muss das Ministerium von rückläufigen Bedarfszahlen ausgehen, und genau das tut es auch. "Wegen der demografischen Entwicklung sinken die Schülerzahlen, so dass weniger Schüler-BAföG benötigt wird", heißt es in der Antwort. Für das Studierenden-BAföG sei dagegen eine "Steigerung von 5,1 Millionen Euro gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen". Aber warum nur so wenig, wenn für die nächsten Jahre mit Hunderttausenden Studienneulingen zu rechnen ist?
Dafür hat die Pressestelle zwei Erklärungen parat: Durch einen "Einmaleffekt" infolge eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, bei dem es um die Erstattung von Altfällen behinderungsbedingter Mehraufwendungen ging, sei der Etat 2012 um 114 Millionen Euro in die Höhe gegangen. Dieses Geld sei nun wieder frei. Außerdem müsste der Bund angesichts der "günstigen Wirtschafts- und Zinsentwicklung" weniger Ausfallhaftung für BAföG-Schuldner betreiben.
Kritiker monieren Taschenspielertricks
Kritiker halten das für Augenwischerei. Während Schavan "das eine Loch stopft, reißt sie ein Neues auf", monierte Swen Schulz von der SPD-Bundestagsfraktion5. Da es vom Finanzminister keinen "ausreichenden Aufwuchs der Mittel erhält, schichtet sie das Geld für Studienplätze nur zulasten des BAföG um". Das sei "linke Tasche – rechte Tasche".
Schulz machte wie zuvor schon sein Kollege Hagemann auf eine weitere Fragwürdigkeit aufmerksam. Gemäß der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung soll der Bildungs- und Forschungsetat ab 2014 nämlich sukzessive sinken. Weder für die Weiterentwicklung des Hochschulpaktes noch des BAföG seien zusätzliche Mittel vorgesehen. Das bedeutet: Das Geld, das nach bisheriger – inzwischen wohl aber hinfälliger Planung – für den Studienplatzaufbau 2015 und 2016 einkalkuliert war, wird nun bereits für das Jahr 2013 bereitgestellt. Die vermeintliche "Zugabe" von 320 Millionen Euro durch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist also faktisch gar keine. Vielmehr sollen kurzfristig Löcher gestopft werden mit Geld, das dann in den Folgejahren fehlen wird.
Eliten- statt Breitenförderung
In naher Zukunft werden also wahrscheinlich gleich zwei Löcher aufreißen: Beim Studienplatzausbau und beim BAföG. Auch der Eliteforscher Michael Hartmann von der Universität Darmstadt kann sich nicht vorstellen, dass die Kostenkalkulation bei der Ausbildungsförderung aufgeht. "Die Bedarfszahlen werden weiter anziehen, das kann die Regierung nicht verhindern – so gerne sie das auch wollte", sagte er im Gespräch mit Studis Online. Eines sei angesichts des reduzierten Haushaltsansatzes aber sicher: "Eine BAföG-Erhöhung kann es auf dieser Grundlage nicht geben, und das entspricht ganz der Linie von Frau Schavan." Die Ministerin sei bekannt dafür, dass sie lieber in die Elite investiere als in die Breitenförderung.
BAföG ins Abseits
Die Haushaltszahlen erhärten Hartmanns Vorwurf. Während beim BAföG geknausert wird, legen die Zuwendungen für das sogenannte Deutschlandstipendium Jahr für Jahr mit riesigen Schritten zu6. Obwohl das Instrument bisher ein totaler Flop ist, will der Bund dafür allein in diesem Jahr 36,7 Millionen Euro locker machen. Nach Ministeriumsangaben werden es 2013 noch einmal neun Millionen Euro mehr sein. "Wo Geld gebraucht wird, wird gestrichen, wo bereits viel zu viel liegen bleibt und verfällt, wird ideologiegetrieben noch mehr oben drauf gepackt", beklagte der SPD-Abgeordnete Hagemann. Und Hartmann ergänzte: "Die Behauptung, das Deutschlandstipendium gehe nicht zu Lasten des BAföG, ist definitiv falsch."
(rw)
Quellen:
1"250 Millionen Euro weniger BAföG" (Focus Online)
2Pressemitteilung von Klaus Hagemann, SPD-Abgeordneter im Bundestag
3"Schavan steckt mehr Geld in Studienplätze" (Spiegel Online)
4Licht und Schatten: Nationaler Bildungsbericht (Studis Online)
5Pressemitteilung von Swen Schulz, SPD-Bundestagsfraktion
6Kümmerliche Bilanz: Deutschlandstipendium (Studis Online)