Regierung drückt sichBAföG-Novelle gefordert
Das DSW als Dachorganisation der 58 Studentenwerke in Deutschland plädiert für eine Erhöhung der Bedarfssätze um fünf Prozent sowie der Elternfreibeträge um sechs Prozent. Diese Forderung formulierte der Generalsekretär des Verbands, Achim Meyer auf der Heyde, am Donnerstag aus Anlass des Jahrestreffens der BAföG-Verantwortlichen des DSW in Saarbrücken (siehe Pressemitteilung des Deutschen Studentenwerks). Eigentlich hätte es laut Meyer auf der Heyde schon im laufenden Jahr eine Anpassung geben sollen, "nun muss eben spätestens 2013 eine Novelle auf den Weg gebracht werden". Bund und Länder müssten "gemeinsam handeln".
Bund und Länder im Clinch
DSW, Opposition und Studierendenvertreter drängen mehr Geld fürs BAföG zu vergeben, die Regierung hält sich zurück
Genau danach sieht es gegenwärtig nicht aus. Die Bundesregierung stellt sich in der Frage quer und zeigt mit dem Finger auf die Bundesländer. Die seien in der Pflicht, mehr Geld für die Ausbildungsförderung von Schülern und Studierenden aufzubringen. Zuletzt war das Thema Mitte September im Bundestag im Rahmen der ersten Debatte zum Haushalt 2013 behandelt worden. Dabei hatte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) eine Initiative für das kommende Jahr ausdrücklich abgelehnt. Es sei nicht länger akzeptabel, "dass die Länder das BAföG als gemeinsame Leistung haben wollen, ohne selbst etwas dazu beizutragen". Hintergrund ist das Ansinnen der Kultusminister, eine neue Lastenverteilung herbeizuführen. Laut CDU-Mann Eckhard Rehberg von der Unionfraktion hätten die Länder den Bund in den vergangenen Jahren "erpresst", um ihr Stück am Bafög-Kuchen zu schmälern.
Die Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ist eine Gemeinschaftsaufgabe, deren Kosten vom Bund zu 65 Prozent und von den Ländern zu 35 Prozent getragen werden. Den vorerst letzten und ziemlich dürftigen Aufschlag bei der Förderung hatte es im Herbst 2010 gegeben. Mit dem 23. BAföG-Änderungsgesetz wurden die Bedarfssätze seinerzeit um zwei Prozent, die Freibeträge um drei Prozent aufgestockt. Im Juli dieses Jahres hatte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden einen Allzeitrekord bei den BAföG-Ausgaben mit über drei Milliarden Euro für das Jahr 2011 verkündet (siehe Artikel: Regierung will Kosten drücken - Drei Milliarden Euro für das BAföG). Mit knapp einer Million geförderten Schülern und Hochschülern erhielten fast so viele Menschen wie in den 1980er Jahren die Unterstützung.
Anpassung überfällig
Während die Bundesregierung das als hausgemachtes Verdienst verkaufte, hielten Kritiker dagegen, der Erfolg sei ihr in den Schoß gefallen, weil dies die zwangsläufige Folge des Massenandrangs auf die Hochschulen sei. Mit über einer halben Million Neueinsteigern hatten 2011 mehr Jugendliche als je zuvor ein Studium aufgenommen. Entsprechend legte auch die Zahl der BAföG-Geförderten deutlich um 8,6 Prozent gegenüber 2010 auf 644.000 Studierende zu. Im Deutschlandfunk gab DSW-Generalsekretär Meyer auf der Heyde am Donnerstag zu bedenken, dass die Förderquote trotz der vorangegangenen BAföG-Novelle mit 22,3 Prozent konstant geblieben sei. Das sei "erstaunlich" und deute darauf hin, "dass jetzt eigentlich wieder eine Anpassung der Bedarfssätze und der Freibeträge zum Herbst erforderlich wäre, spätestens 2013" (vgl. Interview mit Achim Meyer auf der Heyde).
"Erheblichen Handlungsbedarf" hatte Anfang Juli auch der Nationale Normenkontrollrat, ein beim Bundeskanzleramt eingerichtetes "unabhängiges Beratungs- und Kontrollgremium der Bundesregierung" angemahnt. Man erwarte, "dass noch bis zum Ende dieser Legislaturperiode eine weitere Novellierung des BAföG erfolgt und die begrüßenswerten Arbeiten von Bund und Ländern an der überfälligen Neufassung der BAföG-Verwaltungsvorschriften abgeschlossen werden" (siehe Zwischenbilanz des Nationalen Normenkontrollrats - PDF). Soll heißen: Experten im Regierungsauftrag machen der Regierung Beine.
Unmut bei Studierenden
Dass die sich nicht regt, findet Erik Marquardt, Vorstandsmitglied beim freien "zusammenschluss von studentInnenschaften" (fzs) skandalös. "Wenn auf einen BAföG-Empfänger drei arbeitende Studierende kommen, kann von einem umfassenden Studienfinanzierungssystem keine Rede mehr sein", beklagte der Studierendenvertreter am Freitag gegenüber Studis Online. Freibeträge und Bedarfssätze zu erhöhen, dürfe nur ein "erster Schritt zu einer umfassenden Studienfinanzierung ohne Verschuldungszwang und Elternabhängigkeit sein", sagte er. Hinzu käme allerhand "Änderungsbedarf im Kleinen". So seien die Stellen zur Antragsbearbeitung "vollkommen überlastet, das Online-Antragsverfahren funktioniert noch nicht richtig, und der im Bologna-System unsinnige Leistungsnachweis nach vier Semestern gehört abgeschafft", so Marquardt.
Auch die Opposition im Bundestag macht Druck. "Die Blockadehaltung von Schavan wird schon im Wintersemester dazu führen, dass durch gestiegene Elterneinkommen Tausende Studierende keinen oder einen deutlich geringeren BAföG-Anspruch haben werden", beanstandete der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Kai Gehring, gegenüber Studis Online. Anstatt weiter "Taktikspielchen auf dem Rücken der Studierenden auszutragen", sollte die Ministerin mit den Ländern eine "echte BAföG-Novelle" auf den Weg bringen. Nicht nur sollten laut Gehring die Fördersätze und Freibeträge "deutlich steigen", das Instrument müsste "entbürokratisiert und familienfreundlicher" werden. "Schavan muss endlich den Fokus auf Bildungsgerechtigkeit und Bildungsaufstieg legen, anstatt einseitig Prestigeprojekte wie die Exzellenzinitiative oder Luftschlösser wie das Deutschlandstipendium zu pampern."
Keine Ausreden mehr
Auch die Linkspartei schließt sich den DSW-Forderungen an. "Wie von maximal 670 Euro Miete, Heizkosten, Semestergebühren, Verpflegung und Studienmaterial bezahlt werden sollen, bleibt das Geheimnis von Ministerin Schavan", äußerte sich Nicole Gohlke von der Bundestagsfraktion Die Linke auf Anfrage von Studis Online. Neben mehr Geld verlangt ihre Partei eine "Ausweitung des Berechtigtenkreises" und die Abschaffung der "diskriminierenden Altersgrenzen". Mit Blick auf das Gezänk zwischen Bund und Ländern erklärte die Hochschulpolitikerin: "Der finanzstarke Bund steht in der Verantwortung, sowohl die Einnahmeseite der Länder zu verbessern, als auch bei der Finanzierung des BAföG zu führen." Die Linke empfiehlt, den Länderanteil auf 30 Prozent der Kosten zu senken und den des Bundes auf 70 Prozent anzuheben. Schavan dürfe die Probleme der Kofinanzierung "nicht länger als Ausrede nutzen, um sich vor einer Erhöhung zu drücken", bekräftigte Gohlke.
Regierung spielt auf Zeit
Genau das dürfte aber das Kalkül der Bundesregierung sein. Wie Studis Online Ende Juni berichtete, veranschlagt der Haushaltsentwurf für 2013 eine Viertel Milliarde Euro weniger an BAföG-Mitteln des Bundes als für das laufende Jahr (siehe Artikel: Weniger für Mehr - BAföG-Einschnitte geplant). Das erscheint reichlich naiv angesichts des anhaltenden Studierendenansturms. Im nächsten Jahr wird ein doppelter Abiturjahrgang aus Nordrhein-Westfalen – dem einwohnerstärksten Bundesland – auf die Hochschulen drängen. Die Rechnung könnte für die Regierung allenfalls dann halbwegs aufgehen, wenn die Zahl und die Ansprüche der BAföG-Berechtigten infolge gestiegener Löhne und Einkommen auf breiter Front einbrechen. Eine BAföG-Erhöhung wird da zum absoluten No-Go.
Milliardenloch im Bildungsetat
Für die Betroffenen bedeute dies, dass sie bis auf weiteres "noch nicht einmal einen Inflationsausgleich erhalten sollen", nahm dazu Klaus Hagemann von der SPD-Bundestagsfraktion unlängst per Pressemitteilung Stellung. Darin bezifferte er das Loch in der Finanzplanung des Bundesfinanzministeriums (BMBF) für Bildung und Forschung auf satte fünf Milliarden Euro bis 2016. Hagemanns Verdikt: "Mit einem schrumpfenden oder stagnierenden Bildungs- und Forschungsetat von Schwarz-Gelb ab 2014" ließen sich die ambitionierten Ziele einer "Bildungsrepublik" nicht verwirklichen.
Und so dürfte auch eine Reihe weiterer Forderungen des DSW unberücksichtigt bleiben, etwa: eine regelmäßige Anpassung an die Preis- und Lohnentwicklung, die Berücksichtigung verschiedener Lebenslagen, zum Beispiel bei Pflege von Angehörigen oder gesellschaftlichem Engagement, die Bewilligung in Phasen zwischen Bachelor-Abschluss und Beginn eines Master-Studiums sowie für ein Teilzeit-Studium. Dazu kommt: Die Studentenwerke ächzen seit langem unter der Last der BAföG-Anträge. Obwohl sie es sind, die im Auftrag von Bund und Ländern das Verfahren umsetzen, versagen ihnen die Länder die dringend nötige Unterstützung in puncto Personalausstattung. (rw)