Viel Lärm um vorerst nichtsWanka will BAföG reformieren
Eine BAföG-Reform tut Not. Aber dafür wäre auch mehr Geld nötig, wenn nicht am Ende alle weniger bekommen sollen ...
Jedenfalls nicht für den Kreis derer, die heute schon anspruchsberechtigt sind. "Nur auf pauschale Erhöhungsrunden zu setzen, greift da zu kurz", äußerte sich Wanka gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom vergangenen Freitag. "Und die finanziellen Möglichkeiten sind nicht in allen Ländern gleich", setzte sie nach. Die Bundesländer schießen 35 Prozent der Aufwendungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu, der Bund trägt mit knapp zwei Dritteln die Hauptlast der Kosten. Zuletzt hatte die amtierende Bundesregierung die BAföG-Leistungen im Jahr 2010 aufgestockt, allerdings nur um wenige Euro. Immerhin war damals das Alter, bis zu dem eine Förderung bewilligt wird, von 30 auf 35 Jahre hochgesetzt worden, zudem wurden homosexuelle Lebenspartnerschaften Eheleuten gleichgestellt.
Vorsicht geboten
Die Ministerin will daran anknüpfen. Die Förderung müsse an die "heutigen Realitäten" angepasst werden, sagte die der SZ, denn "die sehen anders aus als noch vor 40 Jahren". Die Studentenschaft werde immer unterschiedlicher, es gebe immer mehr Menschen, die neben dem Beruf studierten oder nach dem Abschluss einer Ausbildung. "Die Förderung muss weiter geöffnet werden", bekräftigte die Ministerin, die Mitte Februar die Nachfolge von Annette Schavan (CDU) im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) angetreten hatte. Diese musste ihren Hut nehmen, weil sie bei der Anfertigung ihrer Doktorarbeit geschummelt haben soll.
Ebenso wenig wie ihre Vorgängerin steht die neue Hausherrin im Ruf, eine glühende BAföG-Anhängerin zu sein. Statt für die Breitenförderung schlägt auch ihr Herz stärker für die "Elite" – und schon deshalb ist ihr Vorstoß mit Vorsicht zu genießen. Und wirklich Greifbares hat die Ministerin bisher auch nicht geliefert. Wie die von ihr angeregte Ausweitung auf ein Teilzeitstudium ausgestaltet und ausgestattet sein könnte, ließ sie genauso offen wie die Frage, bis zu welchem Alter man künftig in den Genuss einer Förderung kommen soll.
Wanka will darüber im April mit den Bundesländern beraten, und um deren Finanzkraft ist es bekanntlich nicht zum Besten bestellt. Vor diesem Hintergrund ist die vielleicht griffigste Botschaft der Ministerin die, dass es ihr nicht um eine "Erhöhungsrunde" geht. Dabei wäre es dafür dringend an der Zeit: Die letzte Novellierung vor drei Jahren bescherte den BAföG-Empfängern im Durchschnitt spärliche 13 Euro mehr im Monat.
Kein großer Wurf
Wankas Vorschläge stießen so auch auf ziemlich gemischte Gefühle. Zwar begrüßte etwa die SPD im Bundestag ihr Signal, "gesprächsbereit zu sein", indes hätte es der schwarz-gelben Koalition "in den vergangenen drei Jahren an Ankündigungen nie gemangelt". In einer Pressemitteilung verweist der forschungspolitische Fraktionssprecher Ernst Dieter Rossmann auf den "rigiden Sparhaushalt" der Regierung. So solle der Bildungshaushalt 2014 um 600 Millionen Euro gekürzt werden, und weitere tiefe Einschnitte wären für die Folgejahre vorgesehen. Nach Rossmanns Ansicht habe Wanka Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) "sicher zusagen müssen, ihre Ankündigung niemals in die (teure) Tat umsetzen zu müssen".
Denkbar wäre noch ein anderes Szenario: Einer wachsenden Schar an BAföG-Beziehern steht auf längere Sicht ein gleichbleibend großer – nach dem Urteil von Kritikern jetzt schon viel zu kleiner – Kuchen zur Verfügung. Das hieße dann: Es gibt weniger für mehr. Das fürchtet man auch bei der Bundestagsfraktion Die Linke, deren hochschulpolitische Sprecherin Nicole Gohlke sich gegen "unausgegorene Reformpläne"wandte. Ihre Partei verlangt neben der Ausweitung des Berechtigtenkreises eine "sofortige Anhebung des BAföG um zehn Prozent sowie eine Rückkehr zum Vollzuschuss und die Abschaffung der Altersgrenzen". Würde es die Ministerin wirklich ernst mit einer Reform meinen, "sollte sie diese noch vor den Wahlen auf den Weg bringen. Alles andere wäre nur Effekthascherei", erklärte die Politikerin.
Bund und Länder streiten
Dass vor dem bundesweiten Urnengang im September noch etwas Substanzielles passiert, ist derweil so gut wie ausgeschlossen. Bund und Länder zanken seit über einem Jahr über eine bessere Finanzausstattung des Bildungsbereichs. Streitpunkte gibt es eine Vielzahl: Die Aufstockung des Hochschulpaktes, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Schul- und Hochschulpolitik sowie nicht zuletzt die Frage der Ausbildungs- und Studienfinanzierung. Die Verhandlungen sind seit Monaten festgefahren, und gerade beim Thema BAföG setzt die Bundesregierung auf Hinhalten.
Dabei spielen wahltaktische Gründe ebenso eine Rolle wie die kurz- und mittelfristige Finanzplanung. Allein für das laufende Jahr hat die Koalition die BAföG-Mittel im Bundeshaushalt um eine Viertel Milliarde Euro niedriger angesetzt als im Vorjahr. Eine rasche und echte Reform, die Geld kostet, würde die – angesichts der überfüllten Hochschulen – ohnehin abenteuerlich anmutende Kalkulation vollends über den Haufen werfen.
Alles nur Wahlkampfgeklingel?
"Das BAföG darf nicht zum Wahlkampfspielball werden", warnte der "freie zusammenschluss von studentInnenschaften" (fzs) und sprach von der "Gefahr, dass die Verantwortung für die Studienfinanzierung in einem Ping-Pong-Spiel zwischen Bund und Ländern hin und hergeschoben wird". In einer Medienmitteilung nannte fzs-Vorstandsmitglied Katharina Mahrt die Einlassungen Wankas "erfreulich, aber nicht weitgehend genug". Eine Erhöhung der BAföG-Sätze sei "genauso unumgänglich" wie die Notwendigkeit, das System "insgesamt alters- und elternunabhängig und als Vollzuschuss ohne Darlehensanteil" zu gestalten. Verbandsvorstand Erik Marquardt ergänzte: "Wenn Bildung auf der einen Seite Priorität haben soll und sie dann auf der anderen Seite niemand ernsthaft finanzieren möchte, muss sich die Politik die Glaubwürdigkeitsfrage gefallen lassen."
DSW erfreut mit Abstrichen
Verhaltenes Lob erhielt Ministerin Wanka vom Deutschen Studentenwerk (DSW). Deren Überlegungen griffen die Forderungen seines Verbands zur Weiterentwicklung des BAföG "für neue und künftige Studierendengruppen" auf, teilte DSW-Präsident Dieter Timmermann per Pressemitteilung mit. Allerdings "sind die Altersgrenzen ganz zu streichen, und mit dem BAföG müssen auch Studierende in Teilzeitstudiengängen und Dualen Studiengängen gefördert werden". Außerdem sollte das Instrument "besser mit dem Bologna-Prozess synchronisiert werden, und es muss in alle 47 Bologna-Staaten mitnahmefähig sein". Am besten wäre es laut Timmermann, wenn noch bis zum kommenden Wintersemester 2013/2014 eine Novelle auf den Weg gebracht werden könne, "die auch die längst fällige Erhöhung der BAföG-Bedarfssätze und -Elternfreibeträge umfasst". So viel scheint jetzt schon klar: Daraus wird nichts. (rw)