Und alles noch längst nicht fixZuschlag beim Hochschulpakt – Rückschlag beim BAföG
Ein Geldregen direkt für Studierende ist ausgeblieben, denn in Sachen BAföG wurde nichts beschlossen.
Wenn Du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Arbeitskreis. Genau diesen Weg wollen Bund und Länder beim Streit um eine Nachbesserung bei der Ausbildungsförderung von Kindern aus Familien mit geringem Einkommen beschreiten. Damit ist eine Novellierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) in der laufenden Legislaturperiode faktisch vom Tisch. Weil die Karten mit der Bundestagswahl im September neu gemischt werden, kann mit der Aufnahme ernsthafter Beratungen in der Frage bis dahin nicht mehr gerechnet werden. Vielleicht wird man vor dem Urnengang noch das ein oder andere gemeinsame Stelldichein für die Galerie abhalten, entschieden wird dabei mit höchster Wahrscheinlichkeit nichts, noch nicht einmal denkbare kostenneutrale Vereinfachungen des BAföG-Gesetzes.
Wankas BAföG-Vorstoß verpufft
Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK)
Teilnehmer sind alle Bundesländer und der Bund. In der GWK müssen Beschlüsse einstimmig gefasst werden. Schon ein einziges Land kann Beschlüsse blockieren. Womit auch immer gerne gedroht wird, um spezielle Bedingungen für das eigene Land herauszuholen. Selbst wenn der Bund Geld "verschenken" will, geht das nicht einfach so: Alle Länder müssen mit dem Verteilungsschlüssel und was sonst zu regeln wäre, einverstanden sein. Ein Grund, warum mehr Bundeskompetenzen in Sachen Bildung sinnvoll sein könnten. Seit der letzten Förderalismusreform sind jedoch praktisch auch die letzten Reste gestrichen worden, daher kann der Bund nur noch im Konsenz mit den Ländern handeln.
Die Nichtverständigung in der Frage markiert zugleich die erste echte Schlappe für die neue Bundesbildungsministerin. Johanna Wanka (CDU) hatte vor knapp einem Monat ziemlich großspurig eine "umfassende" BAföG-Reform angekündigt und dafür selbst von Studierendenverbänden verhaltenes Lob eingeheimst. Zwar will die Ministerin nichts von "pauschalen Erhöhungsrunden" wissen, immerhin stellte sie jedoch eine Erhöhung der Altersgrenzen und eine Berücksichtigung von Teilzeitstudenten in Aussicht. Seit der GWK-Sitzung vom Freitag ist klar: Bis auf weiteres gibt es gar nichts – weder mehr Geld noch die versprochene Modernisierung.
Dafür setzte es für Wanka Häme durch die SPD-Bundestagsfraktion. Ihr Vorstoß sei ein "reiner Medienluftballon" gewesen, der "heute zerplatzt ist", äußerte sich der hochschulpolitische Sprecher Swen Schulz. Der Grund für ihren Rückzieher offenbare sich bei einem Blick auf den Bildungshaushalt. "Dieses Jahr wurde der Ansatz gekürzt und im kommenden Jahr muss sie knapp 600 Millionen Euro einsparen." Schulz` Fazit: "Der Luftballon war zwar bunt, enthielt aber eben nur heiße Luft."
Dauerbaustelle Hochschulpakt
Über ein "bildungspolitisches Armutszeugnis" klagte der "freie zusammenschluss von studentInnenschaften" (fzs). Für den bundesweiten Studierendenverband ist eine BAföG-Reform nach den GWK-Beschlüssen "in weiter Ferne". Vorstandsmitglied Erik Marquardt kommentierte unter Hinweis auf nur knapp über 20 Prozent geförderter Studierender: "Auch mehr als ein Jahrzehnt nach Beginn der Bologna-Reform ist das Studienfinanzierungssystem nicht bolognatauglich." Die letzte dürftige BAföG-Anpassung liegt bereits drei Jahre zurück, die Fördersätze wurden seinerzeit nur um wenige Euro angehoben.
Das in Aussicht stehende Plus beim Hochschulpakt dürfte ebenso hinter den Erfordernissen zurückbleiben. Das Bund-Länder-Programm wurde seit seiner Begründung im Jahr 2007 schon mehrmals notdürftig aufgebessert, und mit dem neuerlichen Nachschlag werden abermals nur die größten Löcher gestopft. In erster Linie sollen damit zusätzliche Studienplätze geschaffen werden, um die Neuankömmlinge an den Hochschulen zu versorgen. Weil in diesem Jahr ein doppelter Abiturjahrgang aus dem einwohnerstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) aus den Schulen drängt, könnte die Zahl der Studieneinsteiger wie 2011 über einer halbe Million liegen. Bei momentan schon mehr als 2,5 Millionen Studierenden wird es dann noch einmal enger in Deutschlands höchsten Bildungsanstalten.
Entwicklung verschlafen
Die Ursachen für den Andrang sind geburtenstarke Abiturjahrgänge, die Verkürzung der Schulzeit durch das achtjährige Gymnasium (G8) sowie die plötzliche Abschaffung der Wehrpflicht. Wie wenig indes die Hochschulplaner auf die Entwicklung eingestellt waren, wird anhand folgender Zahlen ersichtlich: In der ersten Programmphase des Hochschulpakts von 2007 bis 2010 hatte die Kultusministerkonferenz (KMK) mit 90.000 Studienanfängern gerechnet, tatsächlich strömten mit 180.000 mal eben doppelt so viele Neueinsteiger an die Hochschulen. Für den zweiten Abschnitt von 2011 bis 2015 war offiziell mit 270.000 kalkuliert worden, inzwischen wurde die Prognose aber auf 630.000 nach oben korrigiert. Würde man jetzt nicht bei der Ausstattung draufsatteln, wäre am Jahresende einfach kein Geld mehr da, um zusätzliches Lehrpersonal einzustellen, Räumlichkeiten wie Hörsäle und Mensen auszubauen oder neue Wohnheimplätze zu schaffen.
4,4 Milliarden mit Abstrichen?
Weil es an all dem ohnehin heute schon hapert, könnte auch der jetzt angekündigte Milliardenzuschlag nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein. Außerdem: Die besagten 4,4 Milliarden Euro sind nur das höchste der Gefühle. Wirklich Verlass ist eigentlich nur auf die von der Bundesregierung zugesagten 2,2 Milliarden Euro. Von den Ländervertretern in der GWK verlautete lediglich, "vergleichbare zusätzliche finanzielle Leistungen erbringen und die Gesamtfinanzierung sicherstellen" zu wollen. So viel Schwammigkeit besagt nichts Gutes: Die Bundesländer haben in der Vergangenheit immer wieder gegen gemachte Zusagen verstoßen, Studienplätze in erforderlicher Zahl bereitzustellen. (vgl. bspw. hier)
Mit einigem Argwohn hat deshalb auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) auf die GWK-Einigung reagiert. Eine "vergleichbare" Gegenfinanzierung sei "nicht die erforderliche 1:1-Beteiligung", monierte HRK-Präsident Horst Hippler in einer Stellungnahme. "Es zeichnet sich ab, dass die ursprünglich im Hochschulpakt vorgesehenen 26.000 Euro pro zusätzlichen Studienanfänger nicht in vollem Umfang an den Hochschulen ankommen, weil der Pakt insgesamt nicht ausreichend finanziert wird. Und dann reicht es nur für weniger Studienplätze und nur für kostengünstigere Studienfächer." Alles in allem sei die avisierte Aufstockung "auf Kante genäht".
Was ist mit dem Ausbau der sozialen Infrastruktur und dem BAföG?
Das Deutschen Studentenwerk (DSW) begrüßt in einer Pressemitteilung zwar, dass die Finanzierung zusätzlicher Studienplätze angegangen worden ist. Gleichzeitig kritisiert es deutlich die Fehlstellen, DSW-Präsident Prof. Dr. Dieter Timmermann erklärte dazu: "Es ist ein Kardinalfehler und ein strukturelles Defizit der Hochschulpakte, dass sie keine Mittel für die Soziale Infrastruktur des Studiums vorsehen. Wir benötigen dringend Bund-Länder-Mittel für mindestens 25.000 zusätzliche, preisgünstige Wohnheimplätze sowie den Ausbau der Mensakapazitäten der Studentenwerke. (...) Der Stillstand beim BAföG hält ebenfalls weiter an. Hier müssen sich Bund und Länder endlich bewegen und im Juni wenigstens die Eckpunkte für eine BAföG-Erhöhung für das Jahr 2014 beschließen. Das ist das Mindeste."
Dumping-Studienplätze
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) geht in ihrer Kritik noch weiter: Mit dem Pakt würden ohnedies "de facto Dumping-Studienplätze geschaffen", weil die bewilligten Mittel deutlich unter den bisher üblichen Ausgaben für einen Studienplatz lägen. GEW-Vorstand Andreas Keller begrüßte zwar den Bund-Länder-Konsens, "die dringendsten Finanzlöcher im Hochschulpakt zu stopfen". Dabei blieben aber die "strukturellen Probleme (…) nicht gelöst". Dazu zählten auch die Engpässe bei den Master-Studienplätzen, weil per Hochschulpakt ein weiterführendes Studium nur "höchstens für jeden zweiten Studierenden" ausfinanziert werde.
Master-Frage ungelöst
Tatsächlich wurde das Problem des stockenden Master-Ausbaus bei der GWK völlig außen vor gelassen. Dabei hatte noch in der Vorwoche das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) mit einer Modellrechnung vor massiven Kapazitätslücken in den kommenden Jahren gewarnt. Woher hierfür die nötigen Mittel kommen sollen, steht auch nach der Bund-Länder-Einigung vom Freitag in den Sternen. So wie überhaupt völlig offen ist, was die Vereinbarung am Ende wert sein wird. Für die geplante Novellierung des Hochschulpaktes braucht es noch grünes Licht durch die Bundeskanzlerin und die Länderchefs. Das soll erst im Juni geschehen. Für Verschlimmbesserungen bleibt also noch reichlich Zeit. (rw)