Mehr bekommen wenigerBAföG-Statistik 2012
Die Studierendenzahlen steigen – so auch die Ausgaben für das BAföG. Aber für den einzelnen BAföG-Empfänger gibt's weniger.
Das Statistische Bundesamt veröffentlichte am Donnerstag die BAföG-Statistik 2012. Demnach erhielten im Gesamtjahr 979.000 Personen Leistungen nach dem BAföG, was einer Steigerung um 1,7% gegenüber 2011 entspricht. Die Zahl der Geförderten setzt sich aus 308.000 SchülerInnen (-3,4% im Vergleich zu 2011) und 671.000 StudentInnen (+4,3%) zusammen. Einige wurden nicht das volle Jahr gefördert, im monatlichen Durchschnitt erhielten 630.000 Personen Leistungen (+2,4%), davon 190.000 SchülerInnen und 440.000 StudentInnen). Eine Vollförderung erhielten 457.000 BAföG-EmpfängerInnen, was einen Rückgang um 0,2% bedeutet.
Im Durchschnitt erhielten SchülerInnen monatlich 401 Euro (+ 16 Euro), Studierende 448 Euro (– 4 Euro). 28 % aller Geförderten wohnten bei ihren Eltern. Einen Kinderbetreuungszuschlag erhielten 51.000 BAföG-EmpfängerInnen (+3%). Die Ausgaben von Bund und Ländern für das BAföG betrugen 2012 insgesamt 3.278 Millionen Euro (+3,1%), davon 2.365 Millionen Euro für die Studierendenförderung (+4,2%).
Mehr bekommen weniger – das kann es nicht sein
Die Studierendenzahlen sind zum Wintersemester 2011/2012 um 7% gestiegen, zum darauffolgenden 2012/2013 nochmals um 5%. Die Zahl der BAföG-Empfänger im Gesamtjahr 2012 dagegen ist schwächer gestiegen – und vor allem haben die Studierenden pro Person weniger zur Verfügung gehabt. Was kein Wunder ist, wenn das BAföG seit 2010 unverändert geblieben, das Einkommen der Eltern aber durchaus ein wenig gestiegen ist, da parallel auch die Lebenshaltungskosten steigen. Kein Wunder also, dass die relevanten Institutionen wie das Deutsche Studentenwerk oder der studentische Dachverband fzs erneut eine BAföG-Anpassung anmahnen. Und auch aus der Opposition kommen solche Forderungen.
Der fzs kommentiert, wenn das Bundesbildungsministerin von "verlässlicher Ausbildungsfinanzierung" (so der Titel der Pressemitteilung des BMBF, Anm. der Red.) spreche, könne damit nur gemeint sein, dass sich Studierende darauf verlassen könnten, vom Staat immer mehr im Stich gelassen zu werden. Erik Marquardt, Vorstand des fzs, sieht folgende Maßnahmen als erforderlich an: "Die Bedarfssätze und Förderhöhen müssen maßgeblich erhöht werden und hierzu sollten sich die Parteien schon vor der Bundestagswahl bekennen. Außerdem muss es eine gesetzlich verankerte, jährliche Anpassung der Förderhöhen und Bedarfssätze an die allgemeine Preisentwicklung geben und das BAföG muss endlich "bolognatauglich" werden."
Das Deutsche Studentenwerk geht – wohl mit Recht – davon aus, dass sich vor der Bundestagswahl nichts mehr in Sachen BAföG tun wird. Es fordert daher: "BAföG-Reform gleich nach der Bundestagswahl". DSW-Präsident Prof. Dr. Dieter Timmermann erläutert: "Da zudem der durchschnittliche Förderbetrag pro Studierenden im Jahr 2012 wieder zurückgegangen ist, ist jede neue Bundesregierung nun gefordert, rasch eine BAföG-Reform auf den Weg zu bringen und die Bedarfssätze und Freibeträge zu erhöhen. Dies hat der Beirat für Ausbildungsförderung der Bundesregierung ja bereits im Januar 2012 formuliert." Auch das DSW fordert, das BAföG automatisch an die Preis- und Einkommensentwicklung anzupassen.
Von allen Oppositionsparteien im Bundestag gab es in den vergangenen Monaten immer wieder die Forderung nach einer BAföG-Erhöhung bzw. kritisierte die Bundesbildungsministerin, zu wenig für das BAföG zu tun. So erklärte bspw. Swen Schulz (SPD) am 27.06.2013 in einer Pressemitteilung: "Die Vorlage der Bundesregierung über den Bildungshaushalt 2014 schafft Fakten: Mit der jetzigen Bundesregierung wird es keine Verbesserungen und erst Recht keine Erhöhungen beim BAföG geben."
Ein Blick zurück – für einen Blick nach vorn
Schon mehr als 40 Jahre gibt es BAföG.
"Erfunden" hat das BAföG vor allem die SPD (für die vollständige Geschichte inkl. Vorgänger des BAföGs und Statistik bis 2010 siehe Die BAföG-Story, eine Kurzfassung in unserem Artikel 40 Jahre BAföG), wobei zu Zeiten seiner Einführung Anfang der 1970er die gesellschaftliche Stimmung die Einführung einer allgemeinen Studienförderung einfach unumgänglich gemacht hatte. Nachdem das BAföG zunächst als Vollzuschuss startete, begann schon die SPD in den Folgejahren selbst Einschränkungen vorzunehmen. Mit dem Wechsel zur CDU/CSU-FDP-Koalition 1983 wurde das BAföG auf ein Volldarlehen umgestellt, d.h. die gesamte BAföG-Förderung musste zurückgezahlt werden. Erst mit der Wiedervereinigung 1990 wurde die noch heute gültige Regelung eingeführt, dass 50% als Zuschuss, der Rest als Darlehen gewährt wird. In den 1990ern wurde dann wieder eher gespart.
Rot-grün schaffte 2001/2002 eine BAföG-Reform, die zwar weit weniger weitgehend war, als ursprünglich von manchen erhofft, aber z.B. die Begrenzung der Schuldenlast auf 10.000 Euro brachte (bis heute gültig) und eine deutliche Erhöhung der Freibeträge und Bedarfssätze. Danach passierte aber erst einmal nichts, obwohl rot-grün bis 2005 die Bundesregierung stellte. Die große Koalition aus CDU und SPD brauchte dann noch bis 2008, um wieder eine Anpassung hinzubekommen. Sie fiel dann zwar auch groß aus (+10% bei den Bedarfssätzen), konnte damit trotzdem nur die zwischenzeitlichen Preissteigerungen auffangen und bedeutete im Vergleich zu 2002 keine Verbesserung. Die letzte BAföG-Anpassung wurde schließlich unter der amtierenden schwarz-gelben Bundesregierung zum Wintersemester 2010 durchgeführt, sie konnte die zwischenzeitlichen Preissteigerungen schon nicht mehr auffangen. Wobei zu erwähnen ist, dass das BAföG ein Gesetz ist, dem Bund und Länder zustimmen müssen, da auch beide an den Kosten beteiligt sind (der Bund zu 65%, die Länder zu 35%). Dadurch ist es zwangsläufig nicht so einfach, Einigkeit zu erzielen – vor allem wenn die Mehrheiten in den Ländern andere sind als im Bund (aber auch davon abgesehen sind die Interessen von Bund und Ländern selbst bei gleichen Regierungsparteien nicht immer gleich).
Ob und wann sich also Bund und Ländern wieder einigen werden, steht vorerst in den Sternen. Klar ist – wie schon erwähnt –, dass in diesem Jahr wegen der anstehenden Bundestagswahlen nichts passieren wird. Wenn die neue Bundesregierung der Sache dann Priorität einräumen sollte und die Länder dann nicht – warum auch immer (Finanzierung, Koalitionen ...) – bremsen, ist frühestens zum Wintersemester 2014/2015 mit einer BAföG-Anpassung zu rechnen. Also wieder einmal mind. 4 Jahre zwischen zwei Anpassungen.
Bundesregierung scheint keine BAföG-Erhöhung zu wollen, nur ein paar anderweitige Anpassungen
Tatsächlich sieht es zur Zeit danach aus, dass die Bundesregierung von sich aus gar nicht an einer relevanten Erhöhung des BAföG interessiert ist. Jedenfalls lässt sich aus der bisher bekannten mittelfristigen Finanzplanung des Bundesbildungsministeriums nicht erkennen, dass Gelder für eine Aufstockung vorgesehen wären (vgl. schon unseren Artikel zur BAföG-Statistik 2011). Bundesbildungsministerin Wanka erklärt denn auch in Ihrer Pressemitteilung aus Anlass der Veröffentlichung der BAföG-Statistik lediglich: "Die Bundesregierung steht weiter zu der verlässlichen Sicherung der individuellen Ausbildungsfinanzierung mit BAföG, Stipendien und ergänzenden Kreditangeboten". Da BAföG, Stipendien und Kreditangeboten erwähnt werden, kann das darauf hindeuten, dass eher Stipendien und Kreditangebote ausgeweitet werden sollen. Das von der aktuellen Bundesregierung eingeführte Deutschlandstipendium, aber auch die Erhöhung des Büchergeldes bei den staatlich geförderten Stipendiatenorganisationen scheinen das zu unterstreichen. Dabei sind selbst viele StipendiatInnen gegen ein höheres Büchergeld, da die sozial ungerecht sei.
Zum BAföG äußert Wanka, die Bundesregierung sei mit den Ländern im Gespräch bezüglich möglicher Änderungen. Sie führt weiter aus: "Ich möchte, dass sich das BAföG stärker an der unterschiedlichen Lebenswirklichkeit der Studierenden orientiert. Die einen steigen später ein, andere setzen mal aus, bekommen Kinder, studieren Teilzeit. Darauf müssen Bund und Länder bei der nächsten BAföG-Novelle achten." Von Erhöhungen der Leistungen kein Wort. Eher im Gegenteil: Will man BAföG zukünftig auch Gruppen zugänglich machen, die es bisher nicht erhalten konnten (bspw. Teilzeitstudierenden) und sieht nicht mehr Geld vor, dann bedeutet das im Umkehrschluss, es gibt für alle noch weniger. Selbst unter der Annahme, die Studierendenzahlen würden wieder stärker sinken (was keineswegs gewiss und – jedenfalls in den Sonntagsreden – auch gar nicht erwünscht ist), bliebe jedenfalls pro Geförderten nicht mehr übrig als bisher.
Auch in Sachen BAföG hängt also durchaus einiges davon ab, welche Koalition es nach der Bundestagswahl geben wird ...
Alle Quellen und Hintergründe in der Übersicht
- BAföG-Statistik 2012: 979 000 Geförderte in Deutschland (Pressemitteilung Nr. 243 des Statistischen Bundesamtes vom 18.07.2013)
- Wanka: "Wir stehen zu verlässlicher Ausbildungsfinanzierung." (Pressemitteilung 090/2013 des BMBF vom 18.07.2013)
- Neue BAföG-Statistik: "Weniger BAföG für mehr Studierende" (fzs-Pressemitteilung vom 18.07.2013)
- BAföG-Reform gleich nach der Bundestagswahl (DSW-Pressemitteilung vom 18.07.2013)
- Bundeshaushalt 2014: Keine BAföG-Erhöhung (Pressemitteilung der SPD-Fraktion, 27.06.2013)
- tipendiaten kritisieren die Erhöhung des Büchergeldes als sozial ungerecht (03.06.2013)
- Grund zum Feiern!? – 40 Jahre BAföG (01.08.2011)
- Die BAföG-Story (Studienförderung in Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg, Einführung des BAföG 1971 bis heute)