BAföGDas Bundesministerium und der Datenabgleich
Es empfielt sich, erst den Brief ans BMBF zu lesen - aber wer lieber direkt die Antwort haben will, der klicke hier.
Der Brief an das BMBF
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Folgenden möchten ich Ihnen als Betroffener des BAföG-Datenabgleichs meine politische und rechtliche Einschätzung schildern und hoffe Ihnen damit einen Einblick in die Bedrohungssituation geben zu können, die sich durch die Strafverfolgung für betroffene SchülerInnen und Studierende in Bayern zwangsläufig ergibt.
Schätzungen gehen für die BRD von sicher mehr als 50.000 Fällen aus, in denen es aufgrund eines Datenabgleichs mit dem Bundesamt für Finanzen zu Rückforderungen seitens der Ämter für Ausbildungsförderung kommen wird, weil BAföG zuviel oder (augenscheinlich) zu Unrecht gezahlt wurde. Die Konsequenzen für die Betroffenen sind je nach Bundesland unterschiedlich, oft wird ein Bußgeld verhängt und nur in schwerwiegenden Fällen ein Strafverfahren eingeleitet. Ein strafrechtliche Verfolgung ist kein Muß! Hier in Bayern werden jedoch 100% der Fälle nach Anweisung vom zuständigen Ministerium an die Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Der Automatismus der Strafverfolgung nimmt dann seinen Gang und nicht selten kommt es zu Vorstrafen wegen mehrfachen Betrugs von über 90 Tagessätzen.
Zu Unrecht bezogene Ausbildungsförderung kann also zur Folge haben (und wird von manchen Staatsanwälten sogar als vom Gesetzgeber gewollt dargestellt), dass man sich die Ausbildung ganz hätte "sparen" können, wenn man mit einem belastetem Führungszeugnis und dem Eintrag in das Bundeszentralregierter keine Chance mehr hat, seine jahrelange Ausbildung entsprechend bei einer Bewerbung einzusetzen. In den meisten Fällen dürfte es sich nicht um extreme Überschreitungen des Vermögensfreibetrags handeln. Ich möchte dabei anmerken, dass es mindestens bis zur begrüßenswerten Bafögreform 2001 keine große Kunst gewesen ist, über dem niedrigen Freibetrag von nur 6000 DM zu liegen. (Zum Vergleich: Beim Meister-BAföG gilt ein Vermögensfreibetrag von 35.000 Euro. Im Ursprungs-BAföG von 1971 wurde den Auszubildenden ein Vermögensfreibetrag von 20.000 DM zugebilligt. Das sind umgerechnet 10.226 Euro – ohne Hinzurechnung eines Kaufkraftausgleichs seit 1971.) Wie ich nun vom Leiter des Bafögamtes erfahren habe, ist dieser Betrag von 6000 DM in mehr als 24 Jahren nicht angehoben worden, obwohl nach § 35 des Bafög die Freibeträge alle zwei Jahre zu überprüfen und gegebenenfalls neu festzusetzen sind. Da ich ab 1998 Bafög bezogen habe, habe ich gemessen an der Kaufkraft bis April 2001 den geringsten Freibetrag seit Einführung des Bafög zur Verfügung gehabt. Hätte ein Freibetrag im fünfstelligen DM-Bereich gegolten, hätte ich vermutlich gar keine Schwierigkeiten.
Gleichzeitig bin ich bei den Studienjahrgängen dabei, bei denen erstmals per (datenschutzrechtlich zumindest bedenklichem) Datenabgleich die Richtigkeit des angegebenen Vermögens überprüft wurde. Alle zuvor blieben unbehelligt und alle, die nun Anträge stellen, sind gewarnt. Eine Beratung geschweige denn einen gesonderten Hinweis zur Vermögensfrage vom Bafögamt habe ich nie erhalten. Auch wenn ich sicherlich nicht richtig gehandelt habe, fühle ich mich doch ungerecht und unangemessen hart behandelt, nach dem Motto: Den letzten beißen die Hunde. Die 100%ige Strafverfolgung erscheint mir als (finanz-)politische Entscheidung, es kann ja auch nach Einschätzungen von Anwälten und den Informationsstellen der GEW Bayern bei dem Gros der Betroffenen keine kriminelle Energie wieder gefunden werden. Es erscheint zudem paradox, wenn der Staat eine immer stärkere private Vorsorge für Zeiten von Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Rente fordert, gleichzeitig aber die Rücklagenbildung bei Auszubildenden jetzt so hart bestraft. Sie rühmen sich auf ihrer Homepage durchaus zu recht der erfolgreichen Reform von 2001. Wenn sie nun allerdings gleichzeitig zumindest zulassen, dass so viele Bafögempfänger kriminalisiert werden, empfinde ich die Rede von "gezielten Verbesserungen" beinahe als Hohn.
Zum Zeitpunkt der BAföG Beantragung waren viele der SchülerInnen und Studierende noch nicht sehr erfahren in Angelegenheiten ihres Vermögens und ihrer Zukunftssicherung. Auch ich hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung, ich kam ja respektive Zivildienst (aus finanzieller Hinsicht hätte ich besser gleich mit dem Studium angefangen) direkt von der Schule. Meine Eltern konnten mir keine große Hilfestellung leisten, mein Vater ist einfacher Arbeiter und meine Mutter Hausfrau, keiner von beiden kennt sich in Finanzfragen besonders gut aus und Gott sei Dank hat auch noch niemand unserer Familien vorher Sozialhilfe oder ähnliches beantragen müssen. Und wie sie selbst wissen, sind Formulare oft nicht so besonders einfach auszufüllen. Und ich konnte auch nie beurteilen, ob die Berechnung des Bescheides vom Bafögamt richtig war. Besonders bitter ist, dass die Höhe der (zu unrecht erhaltenen) BAföG Bezüge und damit die zu erwartende Strafe direkt vom nachgewiesenen Einkommen der Eltern abhängt. Je geringer das Einkommen der Eltern, umso potenziell höher die BAföG-Zahlungen und umso höher der daraus resultierende Schaden und die Strafe.
Sicherlich haben ich und viele der betroffenen BAföG-EmpfängerInnen einen Fehler begangen. Dass damit gleichzeitig ihre Existenz in Gefahr gerät, wird vielen erst jetzt immer mehr deutlich. Ich war diese Woche bei einem Anwalt und ich fühlte mich richtig mies, nachdem er mir eröffnete hatte, dass ich von der Staatsanwaltschaft als Betrüger angesehen werden werde und mir die möglichen (auch finanziellen) Folgen aufzeigte. Es ist gut möglich, dass ich am Ende dieses Prozesses keinerlei Geld mehr übrig haben werde, wenn nicht sogar Schulden machen muss. Mein ganzes in meinem Leben angespartes Vermögen wird sich vermutlich in Luft auflösen. Die potentiellen strafrechtlichen Folgen belasten mich sehr, nicht nur zeitlich, in einer Zeit, ich der ich meine Diplomprüfung ablegen möchte. Es ist schwierig zu beschreiben, aber ich fühle mich, als ob ich ausgerechnet dann Knüppel in den Weg geworfen bekommen, wenn ich das erste Mal mein Leben so richtig in die Hand nehmen möchte. Das bevorstehende Strafverfahren mit der Aussicht, am Ende vorbestraft zu sein, ist für mich wirklich eine Horrorvorstellung.
Mein Anliegen ist, dass zumindest die derzeitige Strafverfolgung eingestellt wird! Daher bitte ich Sie, sich dafür einzusetzen, dass keine Weiterleitung von BAföG-Rückforderungsfällen an die Staatsanwaltschaften seitens der Ämter für Ausbildungsförderung bei Kooperation der Auszubildenden mehr stattfindet, so wie es in vielen anderen Bundesländern der Fall ist.
Stattdessen sind Ordnungswidrigkeitsverfahren mit Verhängung von Bußgeldern einzuleiten. Die Rückforderungen der Ämter bleiben ja bestehen und die Schadenswiedergutmachung in berechtigen Fällen steht gar nicht zur Diskussion. Etwas schwieriger gestaltet sich die Situation in den Fällen, in welchen bereits Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren eingeleitet wurden. Wenn man sich aber etwas näher mit dem BAföG-Gesetz auseinandersetzt, wird deutlich, dass aufgrund von §58 BAföG, in welchem explizit auch vorsätzliches Handeln als ordnungswidrig aufgefasst wird, eine besondere Schutzfunktion des BAföG-Gesetzes für die Auszubildenden besteht. Deshalb sind meiner Meinung nach bereits eingeleitete Strafverfahren an die Verwaltungsbehörden abzugeben bzw. Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften einzustellen.
Ich bedanke mich recht herzlich für Ihr Engagement in dieser Angelegenheit!
Mit freundlichen Grüßen
(Autor ist uns bekannt)
Der Brief an das BMBF
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Folgenden möchten ich Ihnen als Betroffener des BAföG-Datenabgleichs meine politische und rechtliche Einschätzung schildern und hoffe Ihnen damit einen Einblick in die Bedrohungssituation geben zu können, die sich durch die Strafverfolgung für betroffene SchülerInnen und Studierende in Bayern zwangsläufig ergibt.
Schätzungen gehen für die BRD von sicher mehr als 50.000 Fällen aus, in denen es aufgrund eines Datenabgleichs mit dem Bundesamt für Finanzen zu Rückforderungen seitens der Ämter für Ausbildungsförderung kommen wird, weil BAföG zuviel oder (augenscheinlich) zu Unrecht gezahlt wurde. Die Konsequenzen für die Betroffenen sind je nach Bundesland unterschiedlich, oft wird ein Bußgeld verhängt und nur in schwerwiegenden Fällen ein Strafverfahren eingeleitet. Ein strafrechtliche Verfolgung ist kein Muß! Hier in Bayern werden jedoch 100% der Fälle nach Anweisung vom zuständigen Ministerium an die Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Der Automatismus der Strafverfolgung nimmt dann seinen Gang und nicht selten kommt es zu Vorstrafen wegen mehrfachen Betrugs von über 90 Tagessätzen.
Zu Unrecht bezogene Ausbildungsförderung kann also zur Folge haben (und wird von manchen Staatsanwälten sogar als vom Gesetzgeber gewollt dargestellt), dass man sich die Ausbildung ganz hätte "sparen" können, wenn man mit einem belastetem Führungszeugnis und dem Eintrag in das Bundeszentralregierter keine Chance mehr hat, seine jahrelange Ausbildung entsprechend bei einer Bewerbung einzusetzen. In den meisten Fällen dürfte es sich nicht um extreme Überschreitungen des Vermögensfreibetrags handeln. Ich möchte dabei anmerken, dass es mindestens bis zur begrüßenswerten Bafögreform 2001 keine große Kunst gewesen ist, über dem niedrigen Freibetrag von nur 6000 DM zu liegen. (Zum Vergleich: Beim Meister-BAföG gilt ein Vermögensfreibetrag von 35.000 Euro. Im Ursprungs-BAföG von 1971 wurde den Auszubildenden ein Vermögensfreibetrag von 20.000 DM zugebilligt. Das sind umgerechnet 10.226 Euro – ohne Hinzurechnung eines Kaufkraftausgleichs seit 1971.) Wie ich nun vom Leiter des Bafögamtes erfahren habe, ist dieser Betrag von 6000 DM in mehr als 24 Jahren nicht angehoben worden, obwohl nach § 35 des Bafög die Freibeträge alle zwei Jahre zu überprüfen und gegebenenfalls neu festzusetzen sind. Da ich ab 1998 Bafög bezogen habe, habe ich gemessen an der Kaufkraft bis April 2001 den geringsten Freibetrag seit Einführung des Bafög zur Verfügung gehabt. Hätte ein Freibetrag im fünfstelligen DM-Bereich gegolten, hätte ich vermutlich gar keine Schwierigkeiten.
Gleichzeitig bin ich bei den Studienjahrgängen dabei, bei denen erstmals per (datenschutzrechtlich zumindest bedenklichem) Datenabgleich die Richtigkeit des angegebenen Vermögens überprüft wurde. Alle zuvor blieben unbehelligt und alle, die nun Anträge stellen, sind gewarnt. Eine Beratung geschweige denn einen gesonderten Hinweis zur Vermögensfrage vom Bafögamt habe ich nie erhalten. Auch wenn ich sicherlich nicht richtig gehandelt habe, fühle ich mich doch ungerecht und unangemessen hart behandelt, nach dem Motto: Den letzten beißen die Hunde. Die 100%ige Strafverfolgung erscheint mir als (finanz-)politische Entscheidung, es kann ja auch nach Einschätzungen von Anwälten und den Informationsstellen der GEW Bayern bei dem Gros der Betroffenen keine kriminelle Energie wieder gefunden werden. Es erscheint zudem paradox, wenn der Staat eine immer stärkere private Vorsorge für Zeiten von Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Rente fordert, gleichzeitig aber die Rücklagenbildung bei Auszubildenden jetzt so hart bestraft. Sie rühmen sich auf ihrer Homepage durchaus zu recht der erfolgreichen Reform von 2001. Wenn sie nun allerdings gleichzeitig zumindest zulassen, dass so viele Bafögempfänger kriminalisiert werden, empfinde ich die Rede von "gezielten Verbesserungen" beinahe als Hohn.
Zum Zeitpunkt der BAföG Beantragung waren viele der SchülerInnen und Studierende noch nicht sehr erfahren in Angelegenheiten ihres Vermögens und ihrer Zukunftssicherung. Auch ich hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung, ich kam ja respektive Zivildienst (aus finanzieller Hinsicht hätte ich besser gleich mit dem Studium angefangen) direkt von der Schule. Meine Eltern konnten mir keine große Hilfestellung leisten, mein Vater ist einfacher Arbeiter und meine Mutter Hausfrau, keiner von beiden kennt sich in Finanzfragen besonders gut aus und Gott sei Dank hat auch noch niemand unserer Familien vorher Sozialhilfe oder ähnliches beantragen müssen. Und wie sie selbst wissen, sind Formulare oft nicht so besonders einfach auszufüllen. Und ich konnte auch nie beurteilen, ob die Berechnung des Bescheides vom Bafögamt richtig war. Besonders bitter ist, dass die Höhe der (zu unrecht erhaltenen) BAföG Bezüge und damit die zu erwartende Strafe direkt vom nachgewiesenen Einkommen der Eltern abhängt. Je geringer das Einkommen der Eltern, umso potenziell höher die BAföG-Zahlungen und umso höher der daraus resultierende Schaden und die Strafe.
Sicherlich haben ich und viele der betroffenen BAföG-EmpfängerInnen einen Fehler begangen. Dass damit gleichzeitig ihre Existenz in Gefahr gerät, wird vielen erst jetzt immer mehr deutlich. Ich war diese Woche bei einem Anwalt und ich fühlte mich richtig mies, nachdem er mir eröffnete hatte, dass ich von der Staatsanwaltschaft als Betrüger angesehen werden werde und mir die möglichen (auch finanziellen) Folgen aufzeigte. Es ist gut möglich, dass ich am Ende dieses Prozesses keinerlei Geld mehr übrig haben werde, wenn nicht sogar Schulden machen muss. Mein ganzes in meinem Leben angespartes Vermögen wird sich vermutlich in Luft auflösen. Die potentiellen strafrechtlichen Folgen belasten mich sehr, nicht nur zeitlich, in einer Zeit, ich der ich meine Diplomprüfung ablegen möchte. Es ist schwierig zu beschreiben, aber ich fühle mich, als ob ich ausgerechnet dann Knüppel in den Weg geworfen bekommen, wenn ich das erste Mal mein Leben so richtig in die Hand nehmen möchte. Das bevorstehende Strafverfahren mit der Aussicht, am Ende vorbestraft zu sein, ist für mich wirklich eine Horrorvorstellung.
Mein Anliegen ist, dass zumindest die derzeitige Strafverfolgung eingestellt wird! Daher bitte ich Sie, sich dafür einzusetzen, dass keine Weiterleitung von BAföG-Rückforderungsfällen an die Staatsanwaltschaften seitens der Ämter für Ausbildungsförderung bei Kooperation der Auszubildenden mehr stattfindet, so wie es in vielen anderen Bundesländern der Fall ist.
Stattdessen sind Ordnungswidrigkeitsverfahren mit Verhängung von Bußgeldern einzuleiten. Die Rückforderungen der Ämter bleiben ja bestehen und die Schadenswiedergutmachung in berechtigen Fällen steht gar nicht zur Diskussion. Etwas schwieriger gestaltet sich die Situation in den Fällen, in welchen bereits Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren eingeleitet wurden. Wenn man sich aber etwas näher mit dem BAföG-Gesetz auseinandersetzt, wird deutlich, dass aufgrund von §58 BAföG, in welchem explizit auch vorsätzliches Handeln als ordnungswidrig aufgefasst wird, eine besondere Schutzfunktion des BAföG-Gesetzes für die Auszubildenden besteht. Deshalb sind meiner Meinung nach bereits eingeleitete Strafverfahren an die Verwaltungsbehörden abzugeben bzw. Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften einzustellen.
Ich bedanke mich recht herzlich für Ihr Engagement in dieser Angelegenheit!
Mit freundlichen Grüßen
(Autor ist uns bekannt)