Übersicht und TippsWas am BAföG kritikwürdig ist – und was Studierende dagegen tun können
Von Janna Degener
Kritikpunkt 1 – Komplizierte Antragstellung
Die BAföG-Anträge sind unübersichtlich und die Formulierungen schwer verständlich. „Selbst wir, die in der BAföG-Beratung tätig sind, wissen manchmal nicht, welche Anlage für wen gebraucht wird“, meint etwa Jana Schneiß, Sozialreferentin am AStA der Uni Mainz. So sei zum Beispiel undurchsichtig, ab wann man als EU-Ausländer welches Beiblatt brauche und welche Formulare studierende Eltern ausfüllen müssen, die ein Kind betreuen und ein zweites gerade bekommen.
Schon 2010 hat auch der Nationale Normenkontrollrat ähnliche Probleme beschrieben und Maßnahmen vorgeschlagen (siehe „Leichter zum Studierenden-BAföG?“), doch bei der Umsetzung mahlen die Mühlen langsam. Die Folge: Das Ausfüllen des Antrags erfordert sehr viel Zeit und manch ein Student fühlt sich dabei überfordert. Besonders problematisch ist es, wenn Studierende sich von den Formularen abschrecken lassen und aus diesem Grund keinen Antrag stellen.
Maßnahmen:
Auch wenn Ihr Euch vielleicht gerade sowieso überfordert fühlt mit Abi, Umzug und Studienbeginn: Nehmt Euch auf jeden Fall Zeit für den BAföG-Antrag, denn im besten Fall bekommt Ihr nicht wenig bares Geld geschenkt. Ob Ihr Chancen auf BAföG habt, könnt Ihr übrigens erst beurteilen, wenn Ihr Euch wirklich informiert habt.
Nehmt bei Unklarheiten Unterstützung in Anspruch: Im Zweifel können die BAföG-FAQ-Artikel von Studis Online bei vielen Dingen weiterhelfen und – falls das nicht reicht – kann im Forum ebenfalls meist Hilfe gefunden werden. Informiert Euch ergänzend auf bafög.de. Scheut Euch nicht davor, die BAföG-Hotline (0800 / 2236341) anzurufen.Schließlich solltet Ihr auch nicht davor zurückschrecken, die Beratungsangebote von den Studierendenvertretungen (zum Beispiel AStA) und den Studierendenwerken in Anspruch zu nehmen.
Kritikpunkt 2 – Elternabhängigkeit
Wenn Eltern ihre Dokumente nicht (rechtzeitig) einreichen oder die Unterhaltszahlungen verweigern, müssen die Studis das erstmal ausbaden. Außerdem kann es passieren, dass Eltern zwar offiziell zu viel Geld haben, ihre Kinder aber wegen finanzieller Schwierigkeiten dennoch nicht unterstützen können. Und die Erfahrungen von Sozialreferenten wie Jana Schneiß zeigen: Es kommt immer wieder vor, dass einkommensstarke Eltern Ihre Kinder unter Druck setzen, zum Beispiel ein bestimmtes Fach zu studieren.
Maßnahmen:
Ob Ihr vielleicht doch zu den eher wenigen gehört, die doch elternunabhängig gefördert werden können, könnt ihr durch Lektüre des Artikels elternunabhängiges BAföG herausfinden.
Wenn Eure Eltern Auskunft oder den Unterhalt verweigern, könnt Ihr einen Antrag auf Vorausleistung stellen. Wie das funktioniert, erfahrt Ihr hier.
Wenn Ihr Schwierigkeiten mit Euren Eltern habt, helfen Euch auch die Beratungsangebote von den Studierendenvertretungen (zum Beispiel AStA) und den Studierendenwerken weiter.
Kritikpunkt 3 – Bearbeitungszeiten
Die Autorin dieses Artikels
Janna Degener studierte Germanistik und Ethnologie an der Freien Universität Berlin und verbrachte Auslandsaufenthalte in Costa Rica, Syrien, Frankreich und Tansania. Als freie Journalistin beschäftigt sie sich heute besonders mit Bildungs- und Verbraucherthemen. Mehr Infos zu ihr und ihrer Arbeit gibt’s unter jannadegener.wordpress.com
Die Bearbeitung eines BAföG-Antrags dauert im Schnitt zwei Monate, manchmal aber auch deutlich länger. Gründe dafür sind, dass das BAföG an einigen Stellen nach wie vor (unnötig) kompliziert ist (siehe „BAföG-Antragsstress nicht nur in BaWü“ ), dass die BearbeiterInnen vielerorts überlastet sind (siehe „Antragsstau beim BAföG“) und dass manche Studierende Ihre (manchmal schlampig ausgefüllten) Anträge auf den letzten Drücker einreichen. Die Studierenden haben aber ein Problem, wenn sie auf das Geld warten müssen – denn Ihre Vermieter haben dafür in der Regel kein Verständnis und auch manche Anschaffungen sind eben einfach dringend.
Maßnahmen:
Kümmert Euch so früh wie möglich um Euren BAföG-Antrag. Lest die Hinweise genau durch und reicht die notwendigen Belege schnellstmöglich ein. Wenn Ihr unvollständige Anträge einreicht, erhöht das den Bearbeitungsaufwand, was zu längeren Wartezeiten führt. Bevor Ihr die Frist verstreichen lassen müsst, solltet Ihr aber dennoch lieber einen unvollständigen Antrag abschicken, weil das BAföG nicht rückwirkend ausgezahlt wird. Wenn es in Eurem Bundesland die Möglichkeit dazu gibt, solltet Ihr den Antrag online-gestützt ausfüllen, um den Bearbeitern die Arbeit zu erleichtern. Mehr Infos dazu findet Ihr hier.
Wenn das BAföG nicht rechtzeitig kommt, könnt Ihr unter Umständen einen Vorschuss des BAföG-Amtes oder Unterstützung durch die Arge/das Jobcenter beantragen. Mehr Infos dazu findet Ihr hier.
Informiert Euch über weitere Überbrückungsmöglichkeiten in den Beratungen, die von den Studierendenvertretungen (zum Beispiel AStA) und den Studierendenwerken angeboten werden.
Kritikpunkt 4 – Förderungshöchstdauer
Der Anteil der Studierenden, die Ihr Studium in Regelzeit abschließen, ist relativ gering. Dennoch wird das BAföG normalerweise nur für die Regelstudienzeit gezahlt. Viele Studierende beginnen also während der Endphase des Studiums zu jobben – obwohl sie hierfür gerade neben den Prüfungen überhaupt keine Kapazitäten haben.
Maßnahmen:
Macht Euch frühzeitig Gedanken darüber, wie Ihr das Ende Eures Studiums finanzieren könnt. Einige spezielle Hilfen, die in Notfällen greifen können, findet Ihr hier aufgelistet.
Wenn Ihr gute Gründe dafür vorweisen könnt, dass das Studium länger gedauert hat (zum Beispiel hochschulpolitisches Engagement oder eine Krankheit), versucht, diese geltend zu machen. Es gibt nämlich durchaus Ausnahmeregelungen!
In jedem Fall kann auch eine Beratung durch die Studierendenvertretungen (zum Beispiel AStA) und die Studierendenwerke weiterhelfen.
Kritikpunkt 5 – Höhe der BAföG-Sätze
Wer sich die Mietspiegel in manchen deutschen Städten ansieht, weiß, dass Studierende selbst mit dem BAföG-Höchstsatz nicht immer ihr Leben bestreiten können. Daran ändert auch die neueste BAföG-Novelle nicht viel, die ohnehin erst 2016 in Kraft treten wird: Zwar werden Bedarfssätze um rund 7 Prozent angehoben und auch der Wohnzuschlag sowie die Einkommens- und Vermögensfreibeträge werden erhöht. Doch viele Kritiker bemängeln, dass die Erhöhung vermutlich nicht einmal für den Inflationsausgleich reiche (siehe auch unseren Artikel Wie viel BAföG bekäme man nach den Plänen 2016?). Kein Wunder also, dass viele Studierende nebenbei noch jobben müssen – was wiederum ihre Studierfähigkeit einschränkt.
Maßnahmen:
Überlegt Euch, an welchen Stellen Ihr sparen könnt (Tipps im Artikel Sparmöglichkeiten für Studierende). Vielleicht bekommt Ihr zum Beispiel einen günstigen Platz in einem Studierendenwohnheim?
Informiert Euch über alle Möglichkeiten der Studienfinanzierung. Denkt frühzeitig über Stipendienmöglichkeiten und bewerbt Euch einfach mal – auch wenn es Euch auf den ersten Blick vielleicht abwegig erscheint. Wenn Ihr gar nicht weiter wisst, solltet Ihr auch die Möglichkeit eines Studienkredits in Erwägung ziehen. Allerdings fallen dabei in der Regel Zinsen an, so dass ein Verschuldungsrisiko droht. Überlegt Euch diesen Schritt auf jeden Fall gut und prüft die entsprechenden Angebote genau. Über diese Möglichkeiten informieren die Beratungen von Studierendenvertretungen (zum Beispiel AStA) und Studierendenwerken.
Kritikpunkt 6 – Förderlücke zwischen Bachelor und Master
Diverse mögliche Förderungslücken zwischen Bachelor und Master sollen erst mit der neuen BAföG-Novellierung, also erst ab 2016, geschlossen werden. Für die Studierenden bedeutet das, dass die Finanzierung dieser Monate weiterhin zunächst ungeklärt sein kann. Details zur aktuellen Regelung hier.
Maßnahmen:
Ihr könnt die Übergangszeit für ein Praktikum oder einen Job nutzen: Wenn irgendwie möglich, sollte die Tätigkeit natürlich einen fachlich Bezug haben. Oder Ihr könnt ALG II beantragen.
Wenn Ihr Schwierigkeiten habt, in der Zeit zwischen Bachelor und Master über die Runden zu kommen, solltet Ihr die Beratungsangebote von Studierendenvertretungen (wie zum Beispiel AStA) und Studierendenwerken in Anspruch nehmen.
Weitere Kritikpunkte
Viele Kritiker sprechen sich zum Beispiel für eine Entbürokratisierung des BAföG, eine Vereinfachung der Anträge, eine bessere Ausstattung der BAföG-Ämter, ein elternunabhängiges BAföG, eine dynamische Erhöhung des BAföG und eine grundsätzliche Überarbeitung der Förderkriterien aus. Weitere Forderungen sind zum Beispiel, dass das BAföG wieder als Vollzuschuss ausgezahlt werden soll (siehe auch „Die BAföG-Story“) und dass Studierende nach dem vierten Semester keinen Leistungsnachweis mehr einreichen müssen. Auch Ihr als Studierende könnt hier etwas bewegen.
Maßnahmen:
Äußert Eure Meinung, indem Ihr zum Beispiel Briefe an die zuständige Landesregierung oder an das Bundesministerium, Blogbeiträge oder Zeitungsartikel schreibt oder an Protestaktionen teilnehmt.
Engagiert Euch politisch, zum Beispiel bei den Studierendenvertretungen oder beim Studierendenwerk. Das kann Spaß machen, bringt Euch hilfreiche Erfahrungen für’s Leben, kann die Bedingungen für alle Studierenden verbessern und wirkt sich vielleicht sogar auf Euren eigenen Förderanspruch aus ;-).
Fachliche Beratung durch Nicolai Preuße vom Referat Studienfinanzierung und Bildungspolitische Fragen des Deutschen Studentenwerks, die Sozialreferentin des AStA an der Uni Mainz Jana Schneiß, Martin Wilken vom AStA der Uni Bochum und Erik Marquardt von der Grünen Jugend.