Hoffnungsloser FallKostendeckel für Deutschlandstipendium
Das Deutschlandstipendium wird nicht gestoppt – was so manche fordern –, nur die Kosten werden begrenzt.
Der Bundeshaushalt für Bildung und Forschung jagt von Rekord zu Rekord. 2013 umfasste er weit über 13 Milliarden Euro, im Jahr darauf 14,1 Milliarden, im laufenden Jahr sollen 15,3 Milliarden und 2016 sogar 16,4 Milliarden Euro für Kitas, Schulen und Hochschulen aufgewendet werden. Angesichts der schönen Zahlen ist die Bundesregierung ganz schön stolz und verkündet in schöner Regelmäßigkeit: „Bildung und Forschung haben Priorität.“
Bisher galt das auch für das sogenannte Deutschlandstipendium. Seit dessen Einführung vor vier Jahren wurde es gehätschelt und getätschelt, gefeiert und gepusht und als größte Errungenschaft in der Studienfinanzierung gepriesen. Mit jedem Jahr wurde mehr Geld in das Programm gepumpt, etliche Millionen Euro gingen allein fürs Marketing und immer wieder neue PR-Kampagnen drauf. Und je lauter die Kritik an dem Projekt und dem ganzen Drumherum wurde, desto lauter schallte es von den Machern zurück: Das Ding bringt`s.
Auf Dauer niedriges Niveau
Und jetzt das! Während das Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für praktisch alles mehr Mittel mobilisiert, „knausert“ es nun ausgerechnet beim Deutschlandstipendium. Wie aus dem aktuellen Regierungsentwurf für die kommenden Haushaltsperioden hervorgeht, wird dessen Finanzausstattung auf dem Ist-Stand gedeckelt. 2014 standen 47 Millionen Euro zur Verfügung, in diesem Jahr ist derselbe Betrag angesetzt und 2016 soll es bloß eine kümmerliche Million Euro mehr geben. „Damit dürfte der Anteil der Stipendiaten nicht mehr wachsen, sondern sich auf niedrigem Niveau einpendeln“, folgerte SPIEGEL ONLINE. Die Regierung glaube selbst nicht mehr an den Erfolg des Instruments und friere deshalb den „Förder-Flop“ ein.
Bisher waren die Verantwortlichen immer stur nach dem Augen-zu-und-durch-Prinzip verfahren. Egal, was die Gegner des Programms an Argumenten vorbrachten, jeder Einwand wurde einfach wegwischt. Die Hochschulen beklagten sich vom ersten Tag an über den Aufwand und die Kosten bei der Akquise. Nach den Regularien müssen nämlich Privatleute, Unternehmen oder Stiftungen gewonnen werden, die eine Hälfte der monatlich 300 Euro an Unterstützung pro Stipendiat beisteuern. Findet sich ein Geldgeber, schießt der Staat die restlichen 150 Euro zu. An den Unis, die sich beteiligen, braucht es in der Regel Extrapersonal, um die Extraaufgabe zu stemmen.
59 Stipendiaten in Hamburg
Meistens gelingt das nur unzureichend. Wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinandergehen, zeigt der Fall der Universität Hamburg. Die hatte im Vorjahr 1.700 Anfragen an Firmen und Stifter rausgeschickt. Wie die Zeitung Die Welt berichtete, kamen am Ende gerade einmal 26 Stipendien zusammen. Bei insgesamt 42.000 Studierenden ist das ein Anteil von 0,06 Prozent. Die ganze Hansestadt schaffte es bloß auf 0,05 Prozent, so steht es schwarz auf weiß in einer Auswertung des BMBF. Demnach sind zum Wintersemester 2013/14 in der Elbmetropole 59 Stipendien zustande gekommen.
Zugegeben: Das Hamburger Ergebnis ist das mit Abstand schlechteste in ganz Deutschland. Andererseits haben lediglich Bremen und das Saarland die Ein-Prozent-Hürde geknackt, die meisten anderen Bundesländer rangierten irgendwo zwischen 0,7 und 0,9 Prozent. Bundesweit lag die Quote bei 0,84 Prozent, insgesamt gab es demnach 22.500 Geförderte. Wohlgemerkt – das versteht Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) unter einer „Erfolgsbilanz“.
„Angriff auf das BAföG“
Dabei hatte ihre Vorgängerin und Parteikollegin Annette Schavan – die „Erfinderin“ des Deutschlandstipendiums – mal ganz andere Ambitionen. Sie träumte davon, es zur „dritten Säule“ der Studienfinanzierung auszubauen, neben dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und Studienkrediten. Insgeheim ging es ihr freilich darum, das Fundament des rein staatlich finanzierten BAföG mit seiner sozialen Stoßrichtung abzugraben und im Gegenzug den privaten Faktor sowie das Elitekonzept zu stärken. Für den Eliteforscher Michael Hartmann ist das ganze Unterfangen so auch zuvorderst ein „Angriff auf das BAföG“. Mittelfristig wollte Schavan acht Prozent aller Hochschüler mit ihrem Projekt erreichen, ohne Rücksicht auf das Einkommen der Eltern und nur jene mit „herausragenden Leistungen“.
Offensichtlich wurden die hochfliegenden Pläne fallen gelassen. Es sei „erfreulich (…), dass sich die Bundesregierung einer realistischen Ansetzung des Deutschlandstipendiums nähert und es lediglich auf dem Niveau des laufenden Jahres fortschreibt“, teilte der SPD-Haushaltspolitiker Swen Schulz Anfang Juli in einer Stellungnahme mit. Seine Partei konnte dem Projekt noch nie etwas abgewinnen, trägt es in Regierungsverantwortung aber brav mit.
Zwei Drittel zahlt der Staat
Kritisch sehen die Sozialdemokraten vor allem dessen soziale Unwucht. Wie fast alle Stipendienmodelle begünstigt es vornehmlich Privilegierte, die das Geld von Hause aus gar nicht nötig hätten. BAföG-Empfänger kommen dagegen vergleichsweise selten zum Zug. Außerdem können die vermeintlich großzügigen Spender die Aufwendungen steuerlich absetzen. Laut Berliner Tagesspiegel müssten diese letztlich nur 32 Prozent der Kosten tragen.
Das missfällt auch dem Vizevorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Andreas Keller: „Im Ergebnis kommt für zwei Drittel des Stipendiums die Staatskasse auf, aber die privaten Zuwendungsgeber bestimmen, für welche Hochschulen und Fachrichtungen das Stipendium vergeben wird und nehmen auch noch auf die Auswahl der Stipendiatinnen und Stipendiaten Einfluss“, gab er im Gespräch mit Studis Online zu bedenken. „Das ist ein falscher Ansatz. Stattdessen sollte die Studienförderung in einem leistungsfähigen Instrument gebündelt werden, auf das Studierende einen Rechtsanspruch haben: im BAföG.“
Mittelverschwendung beklagt
Im Vorjahr hatte der Bundesrechnungshof die enorme Mittelverschwendung für den hohen Verwaltungsaufwand gerügt. Demnach werden lediglich 60 Prozent der Bundesgelder als Stipendien ausgeschüttet, während der Rest zu großen Teilen für Marketingmaßnahmen draufgeht. Bis 2013 hatte das Bildungsministerium mal eben fünf Werbeagenturen zur Erarbeitung von Mediastrategien unter Vertrag. Nach dem Urteil der Finanzwächter wurden wesentliche Ziele des Vorhabens verfehlt, darunter auch jenes, „junge Menschen zur Aufnahme eines Studiums“ zu motivieren. „Tatsächlich waren 93 Prozent der Stipendiaten keine Studienanfänger sondern Studierende, die bereits länger an einer Hochschule studierten.“
Ein Auslaufmodell?
In ihrem Koalitionsvertrag hatten CDU/CSU und Sozialdemokraten die Zielmarke ausgegeben, dass bis zum Ende der Legislaturperiode zwei Prozent der Studierenden erreicht werden sollten. Das entspräche rund 54.000 Stipendiaten, wofür – so schreibt der Tagesspiegel – nach SPD-Berechnungen rund 97 Millionen Euro nötig wären, zuzüglich der Kosten für Verwaltung und Werbung. Zuletzt hatte die Union die Ansprüche auf 1,5 Prozent runtergeschraubt. Laut dem SPD-Abgeordneten Schulz werde nun auch dieser Vorsatz „endlich zu den Akten gelegt“. Sein Resümee: „Beim Deutschlandstipendium zieht (…) Realismus ein.“
Ein Auslaufmodell ist es deshalb wohl aber nicht – noch nicht. Die BMBF-Pressestelle bestätigte auf Anfrage von Studis Online zwar die besagten Etatziffern für das laufende und kommende Jahre, widersprach aber der Darstellung, die erreichte Förderquote nur konservieren zu wollen. „Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Deutschlandstipendiatinnen und -stipendiaten in den nächsten Jahren weiter steigen wird und damit künftig noch mehr Studierende von dem Programm profitieren. Die hierfür erforderlichen Bundesmittel werden zur Verfügung gestellt“, erklärte eine Sprecherin. Von einem Einfrieren könne somit nicht die Rede sein.
Linkspartei empfiehlt Abschaffung
Dabei hätte ein „Einfrieren“ aus Sicht der Verantwortlichen sogar etwas Gutes. Seit Bestehen des Programms ist nämlich der jeweils veranschlagte Etat Jahr für Jahr dahingeschmolzen. Stets wurden weniger Mittel abgerufen, als eigentlich vorgesehen waren. Das Geld wurde schlicht nicht gebraucht, weil sich zu wenige Privatspender auftreiben ließen. Im vergangenen Jahr wurden von den festgesetzten 47 Millionen Euro lediglich knapp 30 Millionen Euro ausgegeben. Der Rest ging zurück ans Finanzministerium, zur Freude von Amtschef Wolfgang Schäuble (CDU).
Für Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, kann es nur eine Lösung geben. Die Koalition sollte es „besser gleich komplett abschaffen, anstatt auf dem Mäzenatentum à la Deutschlandstipendium zu beharren“, sagte sie gegenüber Studis Online. Es leiste keinen substanziellen Beitrag zur Studienfinanzierung, sei nicht bedarfsdeckend und biete für Studierende keinerlei Planungssicherheit. Gohlkes Gegenvorschlag: „Wenn sich Unternehmen und Reiche an der Finanzierung von Bildung beteiligen wollen, sollte die Regierung lieber den Spitzensteuersatz erhöhen und große Vermögen endlich angemessen belasten.“
Schlecht Ding will Weile haben
Es gibt aber auch Leute, die sich um das Programm Sorgen machen. „Empört“ äußerte sich am Donnerstag der Bundesverband Liberaler Hochschulgruppen (LHG). „Für uns steht fest: Das Deutschlandstipendium war ein Schritt in die richtige Richtung. (…) Wir halten deshalb Wankas Pläne, den Etat für das Deutschlandstipendium einzufrieren, für grob falsch und unterstellen dem Ministerium fehlende Motivation beim Ausbau des Programmes“, monierte der LHG-Bundesvorsitzende Alexander Schopf. Er empfiehlt, dass der Bund die Mitteleinwerbung „mit Kompensationszahlungen fördert“ und rät zur Geduld: „Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.“
(rw)