21. BAföG-BerichtAnteil der BAföG-Geförderten auf Tiefstand
Der BAföG-Bericht enthält wieder eine Menge Zahlen – doch welche Schlussfolgerungen zieht die Politik daraus?
Der BAföG-Bericht ist noch Produkt der großen Koalition, auch wenn die Regierung nur noch geschäftsführend im Amt ist. Da darf die Kritik an der eigenen Arbeit nicht zu deutlich ausfallen, den sich die Fachleute, die den Bericht erstellt haben, wohl doch erlaubt hatten. SPIEGEL ONLINE meldetete nämlich, die Regierung habe den Bericht gegenüber dem ersten Entwurf noch „deutlich entschärft“. Dazu fehlt auch – anders als in den vorigen Berichten – eine Stellungnahme des „Beirat für Ausbildungsförderung“, den das BMBF im Frühjahr neu berufen hatte. Aber offenbar schaffte dieser es nicht, sich zu treffen – vielleicht auch, weil er zu spät in Kenntnis über den neuen Bericht gesetzt wurde.
Gefördertenquote auf neuem Tiefstand
Das BAföG wurde zum Wintersemester 2016/17 zwar deutlich erhöht – allerdings nach 6 Jahren ohne jede Anpassung. Da der Bericht mit den Gesamtzahlen von 2016 endet (wo der Großteil ja noch ohne Erhöhung auskommen musste), kann er im Grunde nur das Sinken der Gefördertenquote dokumentieren. Sogar absolut ist die Zahl der geförderten Studierenden – trotz steigender Zahl von Anspruchsberechtigten – seit dem Höchststand von 440.000 im Jahr 2012 auf nur noch 377.000 Geförderten 2016 gesunken.
Die Gefördertenquote beträgt nur noch 22,1% (bezogen auf die „dem Grunde nach berechtigten Studierenden“). Bezieht man alle im Jahresdurchschnitt 2,7 Mio. Studierende 2016 ein, erhalten von diesen gerade noch 13,9% BAföG.
2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | |
Studierende (gesamt) in Tsd. | 2.358 | 2.473 | 2.579 | 2.654 | 2.709 |
Anspruchsberechtigte in Tsd. | 1.572 | 1.639 | 1.696 | 1.706 | 1.709 |
BAföG-Geförderte in Tsd. | 440 | 439 | 425 | 401 | 377 |
Gefördertenquote (alle Studierende) | 18,7 | 17,8 | 16,5 | 15,1 | 13,9 |
Gefördertenquote (Anspruchsberechtigte) | 28,0 | 26,8 | 25,0 | 23,5 | 22,1 |
Ausgaben für Studi-BAföG in Mio. € | 2.365 | 2.349 | 2.281 | 2.158 | 2.099 |
Wer noch älteren Zahlen (ausgewählte ab 1972; alle seit 2000) einsehen will: BAföG-Statistik-Tabellen
Eine halbe Milliarde Einsparungen im Jahr
Mussten Bund und Länder für das BAföG von Studierenden und SchülerInnen 2013 noch 3,349 Mrd. Euro aufwenden, sind es 2016 noch 2,87 Mrd. – also fast eine halbe Milliarde Euro weniger (für den Bund dennoch mehr, weil die Länder seit 2015 aus der Mitfinanzierung herausgenommen wurden). Normalerweise mag man sich über Einsparungen freuen, aber da die Studierendenzahlen im genannten Zeitraum gesteigen sind, bedeutet das ja, dass viele Studierende offenbar auf andere Einnahmequellen umsteigen mussten – beispielsweise noch mehr Jobben. Was wiederum zu einer eher längeren Studiendauer führt. Darüber sollte sich dann niemand mehr beschweren …
Die üblichen Reaktionen …
Pflichtgemäß meldete sich das Deutsche Studentenwerk mit einer Pressemitteilung BAföG erhöhen: Deutsches Studentenwerk begrüßt Einsicht der Bundesregierung zu Wort. Statt zu schimpfen, versucht es der DSW-Präsident Timmermann eher mit freundlichen Worten: „Der neue BAföG-Bericht der Bundesregierung kommt zu der richtigen Schlussfolgerung: Es ist eine Aufgabe der neuen Bundesregierung, die Bedarfssätze und Freibeträge sowie die Höchstbeträge bei den Sozialpauschalen neu festzulegen.“ Immerhin folgt dann der Wink mit dem Zaunpfahl: „Allerdings hindert niemand die geschäftsführende Bundesregierung, dies schon jetzt auf den Weg zu bringen.“
Der studentische Dachverband fzs kritisierte in seiner Pressemitteilung, dass der BAföG-Bericht den sozioökonomischen Hintergrund der Geförderten überhaupt nicht in den Blick nimmt. Er verweist auf die 21. Sozialerhebung des DSW, die gezeigt habe, „dass von 2012 bis 2016 die Förderungsquote bei Student*innen mit der Bildungsherkunft "niedrig" und mittel" sogar um 20% gesunken sind. Es besteht also dringender Handlungsbedarf für die neue Bundesregierung.“ Neben einer baldigen BAföG-Erhöhung inkl. Anpassung der Freibeträge fordert der fzs mittelfristig eine grundlegende Reform des BAföGs „zu einem Vollzuschuss, der die Bedürfnisse der Studient*innen deckt und Eltern-, Semester- und Alters unabhängig ist.“
… aber wahr ist: Eine baldige BAföG-Reform ist nötig!
Die letzte Anpassung wurde Ende 2014 beschlossen, diverse Details wurden zwar schon 2015 oder Anfang 2016 gültig, die Erhöhung aber erst zum Wintersemester 2016/17. Auf Basis der Lebenshaltungskosten und Lohnentwicklung zwischen 2010 und 2014 war die Erhöhung wohl knapp ausreichend, um das BAföG-Niveau von 2010 zu halten – aber eben nicht für 2016 und inzwischen ist ja weitere Zeit vergangen.
Den Bundestagsabgeordneten sei eine regelmäßige Erhöhung ihrer Diäten zugestanden (wurde gerade die Tage bestätigt). Das Kindergeld wurde in den letzten Jahren jährlich (wenn auch immer nur um 2 Euro) erhöht. Auch bei der Rente und ALG II wurden regelmäßig Anpassungen vorgenommen, meist jährlich. Insofern kann man sich schon fragen, warum es beim BAföG in den letzten 15 Jahren gerade viermal Erhöhungen gegeben hat (2002, 2008, 2010 und 2016). Wie soll sich da jemand darauf verlassen können?
Vgl. zu Vorschlägen zur Dynamisierung des BAföG auch unseren Artikel Chance auf Realisierung? Dynamische Erhöhung des BAföG.
Neben der „puren“ Anpassung der Förderhöhe und Freibeträge gäbe es aber auch eine Menge anderer Maßnahmen, die sinnvoll wären, um das BAföG auch weiterhin zu einer sinnvollen Stütze der Studienfinanzierung zu machen. Genannt seien nur Stichworte wie höhere (und evt. ortsangepasste) Mietpauschale, flexiblere Bezugsdauer, Schritte in Richtung Elternunabhängigkeit. Vom ganzen großen Wurf ganz abgesehen, den die kommende Regierung wohl leider nicht wagen wird, egal, wie sie sich zusammensetzen wird.
Bis dahin helfen vielleicht unsere Übersicht mit Tipps zum Thema „Was am BAföG kritikwürdig ist – und was Studierende dagegen tun können“. Von Ende 2014, aber leider praktisch unverändert aktuell.