Vermögen verschweigen nicht ratsamBAföG-Betrug ist (und bleibt) strafbar
Einige "BAföG-Betrüger" hatten auf ein Gutachten von Prof. Bohnert gesetzt, dass nachzuweisen versuchte, dass bei BAföG-Betrugsfällen kein Strafrecht greifen dürfe, sondern derartige Delikte nur als Ordnungswidrigkeit zu ahnden sind. Dieser Meinung schlossen sich jedoch kaum JuristInnen an. Unter der Hand sprechen inzwischen viele von einem wenig kenntnisreichen Gutachten von Bohnert.
Die Betroffenen hatten auf dieses Gutachten einige Hoffnung gesetzt. Mittels eines Musterfalls (wir berichteten) sollte diese Frage möglichst schnell von einer hohen Instanz beurteilt werden. Es ging dabei um einen Fall, der als einer der ersten schon Mitte dieses Jahres von der zweiten Instanz entschieden wurde. Der Angeklagte wurde dabei zu 120 Tagessätzen verurteilt und gilt somit als vorbestraft.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat am 23.11.2004 entschieden, dass die Anwendung von Strafrecht korrekt ist. Auch das Strafmaß im konkreten Fall sei nicht zu beanstanden. Gegen diese Entscheidung ist für bayerische KlägerInnen offenbar keine Revision mehr möglich. Nur über eine Klage in einem anderen Bundesland könnte man - wenn überhaupt - noch eine höhere Bundesinstanz erreichen. Das erscheint aber zunehmend unwahrscheinlich, eine anderslautende Entscheidung umso mehr.
Der Leitzsatz des Urteils des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG Az. 1St RR 129/04 vom 23.11.2004) lautet:
Wer Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz durch unrichtige Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen erlangt, macht sich wegen Betruges strafbar.
§ 263 StGB wird nicht durch § 58 Abs. 1 Nr. 1 BAföG verdrängt.
Hinweis: Aus dem Urteil ergibt sich nicht - wie manche vielleicht denken - dass nun jedeR, der Vermögen nicht angegeben hat, Tagessätze aufgebrummt bekommt. Nach wie vor bleibt es jeder Staatsanwaltschaft überlassen, ab wann sie es zu Verfahren kommen lässt und bis wohin sie Verfahren vor einer Gerichtsverhandlung einstellt (evt. mit einem Bußgeld versehen, aber ohne Tagessätze).
Auch die unterschiedliche "Härte" der Strafmaße in den einzelnen Bundesländern wird durch dieses Urteil nicht beeinflusst.
Wie die grüne Bundestagsfraktion dachte, alles sei gut
Dass leider auch Abgeordnete und ganze Fraktionen die Bedeutung von Gesetzesänderungen nicht immer verstehen, zeigt sich übrigens beim letzten BAföG-Änderungsgesetz. Dies ist zwar für obige Entscheidung des BayObLG noch nicht von Belang gewesen. Trotzdem haben die gemachten Änderungen keineswegs Auswirkungen - so hört man jedenfalls von Rechtsanwälten, die sich mit dem BAföG-Datenabgleich befassen.
In der Bundestagsdrucksache 15/3969 kann man auch Anmerkungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nachlesen. Zu den Änderungen bezüglich des Datenabgleichs wird angewführt: "In Bayern seien 100 Prozent der Fälle nach Anweisung des Innenministeriums an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. Dies könne tatsächlich dazu führen, dass es sogar zu Vorstrafen kommen kann wegen mehrfachen Betrugs. Das gehe nach Auffassung der Fraktion zu weit, und diese neue Regelung solle dazu führen, dass kriminelle Energie keinem unterstellt werden könne, sondern Klarheit und Transparenz zukünftig bundesweit einheitliche Regelungen ermöglichen."
Ähnlich äußerte sich auch die Grüne Abgeordnete Gretje Bettin in ihrer Rede zur 21. BAföG-Novelle:
"Dringend ist diese Novelle aber, weil einige Bundesländer den so genannten Datenabgleich missbrauchen, um Studierende zu kriminalisieren. Wer zum Beispiel in Bayern wissentlich oder unwissentlich falsche Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen macht, kommt dort gleich vor den Kadi und muss fürchten, wegen solch eines vergleichsweise kleinen Vergehens vorbestraft zu werden. (...)
Sein Vermögen geringer anzugeben, um BAföG zu erschleichen, ist unsolidarisch und sollte durchaus schmerzhaft geahndet werden. Mit krimineller Energie hat dies aber nicht allzu viel zu tun. Jungen Leuten mit einer Vorstrafe die Zukunft zu verbauen ist lächerlich und völlig überzogen. (...)
Der vorliegende Gesetzentwurf gebietet künftig den bayerischen Auswüchsen Einhalt.
Falsche Angaben werden nun einheitlich mit Bußgeldstrafen geahndet. Das ist der Sache aus grüner Sicht angemessen."
Leider ist dem aber gar nicht so. Ein Rechtsanwalt schrieb mir dazu: "Der § 58 BAFöG in seiner Neufassung erweitert die Anwendung des Bussgeldtatbestandes auf jene Fälle, bei denen der Bafög Antrag bereits falsch ausgefüllt wurde. Es war in der Vergangenheit durchaus streitig, ob hier der Bußgeldtatbestand erfüllt ist, weil die Angaben im Antrag nicht 'auf Verlangen' des Bafög-Amtes gemacht wurden. Die Erweiterung des Ordnungswidrigkeits-Tatbestandes ändert aber nichts daran, dass hier gleichzeitig eine Straftat vorliegt."
Wir haben die Zuständigen in der Fraktion darauf hingewiesen, eine Reaktion steht noch aus.
Die Betroffenen hatten auf dieses Gutachten einige Hoffnung gesetzt. Mittels eines Musterfalls (wir berichteten) sollte diese Frage möglichst schnell von einer hohen Instanz beurteilt werden. Es ging dabei um einen Fall, der als einer der ersten schon Mitte dieses Jahres von der zweiten Instanz entschieden wurde. Der Angeklagte wurde dabei zu 120 Tagessätzen verurteilt und gilt somit als vorbestraft.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat am 23.11.2004 entschieden, dass die Anwendung von Strafrecht korrekt ist. Auch das Strafmaß im konkreten Fall sei nicht zu beanstanden. Gegen diese Entscheidung ist für bayerische KlägerInnen offenbar keine Revision mehr möglich. Nur über eine Klage in einem anderen Bundesland könnte man - wenn überhaupt - noch eine höhere Bundesinstanz erreichen. Das erscheint aber zunehmend unwahrscheinlich, eine anderslautende Entscheidung umso mehr.
Der Leitzsatz des Urteils des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG Az. 1St RR 129/04 vom 23.11.2004) lautet:
Wer Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz durch unrichtige Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen erlangt, macht sich wegen Betruges strafbar.
§ 263 StGB wird nicht durch § 58 Abs. 1 Nr. 1 BAföG verdrängt.
Hinweis: Aus dem Urteil ergibt sich nicht - wie manche vielleicht denken - dass nun jedeR, der Vermögen nicht angegeben hat, Tagessätze aufgebrummt bekommt. Nach wie vor bleibt es jeder Staatsanwaltschaft überlassen, ab wann sie es zu Verfahren kommen lässt und bis wohin sie Verfahren vor einer Gerichtsverhandlung einstellt (evt. mit einem Bußgeld versehen, aber ohne Tagessätze).
Auch die unterschiedliche "Härte" der Strafmaße in den einzelnen Bundesländern wird durch dieses Urteil nicht beeinflusst.
Wie die grüne Bundestagsfraktion dachte, alles sei gut
Dass leider auch Abgeordnete und ganze Fraktionen die Bedeutung von Gesetzesänderungen nicht immer verstehen, zeigt sich übrigens beim letzten BAföG-Änderungsgesetz. Dies ist zwar für obige Entscheidung des BayObLG noch nicht von Belang gewesen. Trotzdem haben die gemachten Änderungen keineswegs Auswirkungen - so hört man jedenfalls von Rechtsanwälten, die sich mit dem BAföG-Datenabgleich befassen.
In der Bundestagsdrucksache 15/3969 kann man auch Anmerkungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nachlesen. Zu den Änderungen bezüglich des Datenabgleichs wird angewführt: "In Bayern seien 100 Prozent der Fälle nach Anweisung des Innenministeriums an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. Dies könne tatsächlich dazu führen, dass es sogar zu Vorstrafen kommen kann wegen mehrfachen Betrugs. Das gehe nach Auffassung der Fraktion zu weit, und diese neue Regelung solle dazu führen, dass kriminelle Energie keinem unterstellt werden könne, sondern Klarheit und Transparenz zukünftig bundesweit einheitliche Regelungen ermöglichen."
Ähnlich äußerte sich auch die Grüne Abgeordnete Gretje Bettin in ihrer Rede zur 21. BAföG-Novelle:
"Dringend ist diese Novelle aber, weil einige Bundesländer den so genannten Datenabgleich missbrauchen, um Studierende zu kriminalisieren. Wer zum Beispiel in Bayern wissentlich oder unwissentlich falsche Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen macht, kommt dort gleich vor den Kadi und muss fürchten, wegen solch eines vergleichsweise kleinen Vergehens vorbestraft zu werden. (...)
Sein Vermögen geringer anzugeben, um BAföG zu erschleichen, ist unsolidarisch und sollte durchaus schmerzhaft geahndet werden. Mit krimineller Energie hat dies aber nicht allzu viel zu tun. Jungen Leuten mit einer Vorstrafe die Zukunft zu verbauen ist lächerlich und völlig überzogen. (...)
Der vorliegende Gesetzentwurf gebietet künftig den bayerischen Auswüchsen Einhalt.
Falsche Angaben werden nun einheitlich mit Bußgeldstrafen geahndet. Das ist der Sache aus grüner Sicht angemessen."
Leider ist dem aber gar nicht so. Ein Rechtsanwalt schrieb mir dazu: "Der § 58 BAFöG in seiner Neufassung erweitert die Anwendung des Bussgeldtatbestandes auf jene Fälle, bei denen der Bafög Antrag bereits falsch ausgefüllt wurde. Es war in der Vergangenheit durchaus streitig, ob hier der Bußgeldtatbestand erfüllt ist, weil die Angaben im Antrag nicht 'auf Verlangen' des Bafög-Amtes gemacht wurden. Die Erweiterung des Ordnungswidrigkeits-Tatbestandes ändert aber nichts daran, dass hier gleichzeitig eine Straftat vorliegt."
Wir haben die Zuständigen in der Fraktion darauf hingewiesen, eine Reaktion steht noch aus.
- Hintergrund / Quellen
- Bayerisches Oberstes Landesgericht: Kopie bei uns (Stand 01.12.2004)
- Ausführliche Infos zum Datenabgleich (mit Übersicht Strafen in den Bundesländern)