BAföG-StatistikBAföG auf Talfahrt – Erhöhung erst Ende 2019?
Hinweis: Aktuellere Informationen finden sich im Artikel Was bringt die BAföG-Novelle 2019? (Stand Mitte November 2018)
Bei den aktuellen Zahlen müsste man einige Symbole im Bild zwar fast korrigieren, aber die Hoffnung stirbt zuletzt …
Auch 2017 sind die Zahlen der Neuimmatrikulierten und Studierenden insgesamt noch gestiegen. Beim BAföG gab es im Wintersemester 2016/2017 eine deutliche Erhöhung, die nach sechs Jahren ohne Anpassung auch mehr als nötig war. Sie hat allerdings die Kaufkraftverluste der sechs Jahre ohne Erhöhung letztlich wahrscheinlich nicht ganz ausgeglichen.
Zwar ist aus der Vergangenheit bekannt, dass sich die Wirkung von BAföG-Anpassung erst etwas verzögert positiv auf die Gefördertenzahlen auswirkt. Da aber die Erhöhung ja schon Ende 2016 gegriffen hat (und 2016 noch keine Wirkung spürbar war), hätte es 2017 eigentlich was werden sollen. Doch weit gefehlt: Die Zahl der Geförderten sinkt weiter.
Die Zahlen konkret: Nur noch 364.000 geförderte Studierende (von über 2,7 Millionen)
Das Statistische Bundesamt meldet für 2017 noch 364.000 geförderte Studierende. Das sind 13.000 weniger als im Vorjahr und sogar 76.000 weniger im Vergleich zum Höchststand 2012 – bei damals 2,4 Mio. Studierenden; inzwischen sind es über 300.000 Studierende mehr. Gestiegen ist die Förderung pro Kopf, auf nun 499 Euro. Dadurch sind die Ausgaben für den Bund trotz geringerer Gefördertenzahlen um ca. 82. Mio. Euro auf 2,2 Mrd. Euro gestiegen. (Zahlen für 2014 bis 2017 siehe weiter unten.)
Das deutet darauf hin, dass viele (gerade mit geringer Aussicht von der Höhe des BAföG her) schon gar keinen Antrag mehr stellen, weil sie durch die Ausdünnung der Vorjahre nicht mehr auf das BAföG setzen wollen oder gar nicht mehr glauben, zu den Geförderten gehören zu können. Nur diejenigen, die mit einer größeren Summe rechnen können, nutzen das BAföG etwas stärker.
Achim Meyer auf der Heyde, der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), kommentiert daher mit Recht: „Mit ihrer jüngsten BAföG-Erhöhung zum Wintersemester 2016/2017 hat die Bundesregierung ihr selbst gestecktes Ziel, 110.000 Geförderte zusätzlich zu generieren, klar verfehlt. Nun muss rasch gegengesteuert und eine substanzielle neue BAföG-Reform auf den Weg gebracht werden. Der Handlungsdruck beim BAföG wird immer höher.“
Bildungsministerium sieht kein großes Problem
Das Bundesbildungsministerium kennt offenbar keine Inflation, sondern freut sich fast über weniger BAföG-Empfänger. Denn der wäre eine Folge der anhaltend guten Konjunktur und Wirtschaftslage. „Die hohe Erwerbstätigenquote und die steigenden Löhne und Gehälter erlauben es immer mehr Familien, ihren Kindern eine gute Ausbildung mit eigenen Mitteln zu ermöglichen.“ schreibt das BMBF in seiner Pressemitteilung.
Allerdings schrieb bspw. Armin Alizadeh in einem Tweet: „Die Zahl der #BAföG Empfänger*innen sinkt. Das liegt an den hohen Löhnen, freut sich Anja Karliczek.🤦♂️ Falsch: Die Reallöhne der unteren Einkommen, für die das BAföG ja da ist, sind gesunken. Die Bemessungsgrundlage wurde nicht erhöht und im KoaV steht was Trendumkehr. #ToDo“
Vielleicht auch deswegen möchte die Bundesbildungsministerin Karliczek dann doch, „dass wieder mehr Familien von staatlicher Ausbildungsförderung profitieren.“ Sie kündigt einen Gesetzentwurf an, der zum Wintersemester 2019/2020 in Kraft treten soll.
So wären wieder drei Jahre ohne Erhöhung vergangen … Vielleicht sollte Karliczek mal in die Niederlande schauen – die dortige Studienförderung der Lebenshaltungskosten wird jährlich einigermaßen passend zur Inflation angepasst.
BAföG erhöhen, aber schnell!
Der Studierendendachverband fzs hält nichts davon, die BAföG-Zahlen schönzureden. Stattdessen fordert Eva Gruse vom fzs schnelles Handeln und ein „bedarfsdeckendes BAföG als Vollzuschuss, dass eltern-, leistungs-, alters-, herkunfts-, regelstudienzeitunabhängig ist.“
Das Deutsche Studentenwerk geht nicht ganz so weit, weist aber auf einige Details der BAföG-Regelungen hin, die möglicherweise nicht mehr zeitgemäß seien. So solle BAföG in jedem Fall zwei Semester länger als die Regelstudienzeit gewährt werden, „weil nur rund 40% der Studierenden ihr Studium überhaupt in der Regelstudienzeit schaffen.“ Altersgrenzen seien in einem Bildungssystem, das auf lebenslanges Lernen setzt, nicht mehr passend. Und dass es in offiziellen Teilzeitstudiengängen grundsätzlich kein BAföG geben könne, sei auch zu überdenken.
Tatsächlich gilt wohl, was das DSW schon am Anfang seiner Mitteilung schreibt: „eine BAföG-Reform müsse rasch auf den Weg gebracht werden.“
Für ein besseres BAföG aktiv werden – auch Du?
Dass nächstes Jahr wirklich eine BAföG-Erhöhung kommt, hat die Bildungsministerin nun zwar angekündigt. Aber noch sind weder Details dazu bekannt, noch ist sicher, dass die Koalition sich schließlich wirklich einigen kann. Oder ob es auf einen „Deal“ wie bei der letzten Erhöhung hinausläuft: 2014 geeinigt, aber die Erhöhung kommt erst 2016 – das freut den Finanzminister, der zwei Jahre Geld spart, aber kaum die Studis.
Denn nötig wäre eine wirklich substantielle Erhöhung der Förderhöhe und der Freibeiträge, aber auch weitere Reformen. Was es aber wohl nur geben wird, wenn sich vor allem auch die Studierenden selbst bemerkbar machen. Ein Anfang wäre es, an Abgeordnete der Koalition aus dem eigenen oder benachbarten Wahlkreisen zu schreiben, dass eine echte BAföG-Reform nötig wäre. Wer das mit seiner persönlichen Situation illustrieren kann – um so besser!
Die Entwicklung der BAföG-Statistik 2014-2017
2014 | 2015 | 2016 | 2017 | |
Studierende (gesamt) in Tsd. | 2.579 | 2.654 | 2.709 | >2.709 |
Anspruchsberechtigte in Tsd. | 1.696 | 1.706 | 1.709 | >1.709 |
BAföG-Geförderte in Tsd. | 425 | 401 | 377 | 364 |
Gefördertenquote (alle Studierende) | 16,5 | 15,1 | 13,9 | <13,9 |
Gefördertenquote (Anspruchsberechtigte) | 25,0 | 23,5 | 22,1 | <22,1 |
Gesamtausgaben in Mio. €2 | 2.281 | 2.158 | 2.099 | 2.181 |
Quellen: 21. Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG, Dezember 2017, https://www.bmbf.de/files/21%20bafoeg%20bericht.pdf. Zahlen 2017: BAföG-Statistik 2017 des Statistischen Bundesamtes. Da die Gesamtausgaben um 82 Mio. gestiegen sind, haben wir 2.181 Mio. € ausgewiesen, auch wenn das Amt gerundet von 2,2 Mrd. spricht. Die Studierendenzahlen liegen noch nicht in vergleichbarer Zahl vor, aber da sowohl die Zahl der Erstsemester als der Studierenden insgesamt (jeweils zu Anfang des Wintersemesters) gestiegen sind, dürften sie gestiegen und folglich die Gefördertenquoten um einiges gefallen sein.
Weitere Quellen und mehr zum Thema
- Die Geschichte des BAföG von 1972 bis heute (mit Daten zum BAföG von 1972 bis heute)
- Pressemitteilung des Deutschen Studentenwerks: Handlungsdruck beim BAföG wird immer höher (02.08.2018)
- Pressemitteilung des fzs: Ungerechte Bildungspolitik in Zahlen (02.08.2018)
- Pressemitteilung des BMBF / BAföG-Statistik 2017: Mehr Leistungen, weniger Empfänger (02.08.2018)