Doch nur ein kleiner Wurf?BAföG-Novelle der Bundesregierung
Die BAföG-Reform enthält manch sinnvolle Änderung. Aber sie geht nicht weit genug – daher ist der Daumen hoch nicht uneingeschränkt angebracht …
Studis Online: Mitte März hat Ihr Verband seine alljährliche „Förderungstagung“ der 57 Studentenwerke in Deutschland ausgerichtet. Natürlich wurde dabei auch die von der Bundesregierung beschlossene 26. Novelle des Bundesaubildungsförderungsgesetzes (BAföG) diskutiert, die zum Wintersemester 2019/20 in Kraft treten soll. Wie zufrieden machen Sie die Pläne?
Achim Meyer auf der Heyde: Es gibt Licht und Schatten. Man muss zugestehen, dass die Bundesregierung nun, nach Jahren des faktischen Stillstands beim BAföG, die Bedarfssätze und die Elternfreibeträge erhöhen will. In ihrem Koalitionsvertrag hatten Union und SPD eine „Trendumkehr“ angekündigt, um nach Jahren rückläufiger Gefördertenzahlen wieder mehr Studierende zu erreichen. Gut so! Gegenüber dem ersten Referentenentwurf sollen die Freibeträge jetzt nicht nur im Herbst 2019 und 2020, sondern auch im Herbst 2021 noch einmal erhöht werden, also in drei Schritten. 16 Prozent mehr klingen erst einmal beachtlich. Ob das für eine echte Trendwende reicht, wird sich zeigen.
Mit Blick auf ihren Gesetzesentwurf hat auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) eine „Trendumkehr“ versprochen. Sie haben allerdings Ihre Zweifel, dass sich im Herbst der Wind drehen wird?
Beim Ministerium für Bildung und Forschung hofft man, mit der vorgesehenen Erhöhung der Elternfreibeträge würde es 100.000 Geförderte zusätzlich geben. Wir hoffen, dass in den kommenden Jahren wenigstens der Rückgang der Gefördertenzahlen gestoppt werden kann. Seit 2012 ist die Zahl der BAföG-Bezieher stetig gesunken, und bei der jüngsten Reform im Jahr 2016 hatte die damalige Bundesregierung gesagt, sie gehe von 110.000 Geförderten mehr aus. Eingetreten ist das Gegenteil, 2017 hielt der Rückgang weiter an.
Das hat Gründe. Das BAföG wurde in diesem Jahrtausend schon dreimal jahrelang eingefroren: von 2001 bis 2008, von 2010 bis 2016 und nun von 2016 bis 2019. Damit hat man das Vertrauen ins BAföG als eine gesicherte Finanzierungsperspektive für Familien, die ansonsten Probleme haben, das Studium ihrer Kinder zu finanzieren, unterlaufen. Deshalb ist uns eine Verstetigung der BAföG-Erhöhungen so wichtig. Die Leistungen müssen regelmäßig an die Entwicklung von Preisen und Einkommen angepasst werden.
Davon steht allerdings nichts in Karliczeks Vorlage. Ist das eine der „Schattenseiten“, von denen Sie sprachen?
Davon gibt es leider einige. Vor allem greift die geplante Erhöhung des BAföG-Grundbedarfs in zwei Schritten, einmal um fünf, einmal um zwei Prozent, zu kurz. Wie wir anhand von Studien belegt haben, müsste der Satz nicht auf 427 Euro, sondern auf 500 bis 550 Euro im Monat angehoben werden, um den gestiegenen Bedarf der Studierenden decken zu können. Nötig wäre also ein Anstieg um 25 bis 38 Prozent.
Dass die BAföG-Wohnpauschale von 250 Euro auf 325 Euro im Monat erhöht wird, ist richtig. Allerdings hatten Studierende bereits im Sommer 2016 laut unserer 21. Sozialerhebung im Durchschnitt 323 Euro Mietausgaben. Die Preisentwicklung danach ist also gar nicht berücksichtigt.
Was uns sehr stört: Die Bundesregierung will den für dieses Jahr fälligen BAföG-Bericht erst im Jahr 2021 vorlegen. Damit würde die Beichterstattung, die laut Gesetz alle zwei Jahre erfolgen muss, zum dritten Mal innerhalb einer Dekade verschoben! Zeitnahe Nachsteuerungen auf Basis der jeweils aktuellen Preis- und Einkommensentwicklung sind damit nicht möglich. Das ist nicht hinnehmbar und unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit eines dynamischen BAföG.
Zurück zur verheißenen „Trendwende“. Wo müssten sich die Zahlen in Ihren Augen hinbewegen, um von einer nachhaltigen Erholung beim BAföG sprechen zu können?
Unser Interviewpartner Achim Meyer auf der Heyde ist Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), in dem die 57 Studenten- und Studierendenwerke in Deutschland zusammengeschlossen sind.
„Trendwende“ heißt für mich zunächst einmal, den Rückgang der Gefördertenzahlen zu stoppen. Meine Rechnung geht so: Seit 2012 ist die Zahl gesunken, bis 2018 werden vermutlich 153.000 Studierende aus dem BAföG herausgefallen sein. Wenn jetzt bis 2021 – wie von der Regierung prognostiziert – wieder 100.000 Geförderte hinzukommen, ist noch nicht einmal dieser Rückgang aufgeholt.
Und man darf eines nicht vergessen: Derzeit können potenziell nur 1,6 Millionen der rund 2,85 Millionen Studierenden BAföG erhalten. Die restlichen nicht, weil sie etwa das Fach gewechselt oder die Regelstudienzeit überschritten haben, über den Altersgrenzen liegen oder Teilzeit studieren. In der Dekade von 2006 bis 2016 ist die Quote der BAföG-förderungsfähigen Studierenden von 71 Prozent auf 63 Prozent abgerutscht – gleichzeitig hat aber die Zahl der Studierenden um rund 45 Prozent zugenommen.
Gerade einmal 37 Prozent schließen ihr Studium in der Regelstudienzeit ab, mehr als 60 Prozent überschreiten sie – und bekommen deswegen kein BAföG mehr. Die studentische Lebenswirklichkeit und das BAföG entkoppeln sich immer weiter voneinander, da muss gegengesteuert werden. Selbst der Wissenschaftsrat empfiehlt mit Blick auf die Fortsetzung des Hochschulpakts, von einer Regelstudienzeit plus mindestens einem Semester auszugehen. Das muss auch beim BAföG möglich sein: also Regelstudienzeit plus mindestens ein Semester. Und grundsätzlich sollte gelten, was hochschulrechtlich möglich ist, muss auch förderrechtlich möglich sein.
Woran denken Sie dabei konkret?
Zum Beispiel an andere Studienformate als das Vollzeitstudium. Das BAföG muss geöffnet werden für das Teilzeit- oder das Orientierungsstudium. Auch muss die Pflege von Angehörigen explizit als Verlängerungsgrund anerkannt werden. Und auch die Altersgrenzen von 30 Jahren für die Aufnahme eines Bachelor- und 35 Jahren für die Aufnahme eines Master-Studiums sind in Zeiten, da das lebenslange Lernen propagiert und praktiziert wird, einfach anachronistisch. Das hatte sogar Ex-Bildungsministerin Johanna Wanka, wie Frau Karliczek von der CDU, schon vor sechs Jahren erkannt – ohne dass daraus etwas gefolgt wäre. Unzeitgemäß ist auch der fürs BAföG erforderliche Leistungsnachweis nach vier Semestern. Der stammt noch aus Vor-Bologna-Zeiten.
Fielen alle diese Hürden, würde das sehr viel Geld kosten, weil es auf einen Schlag Zehntausende mehr Anspruchsberechtigte gäbe. Wie haben Sie die Nachricht von vor zwei Wochen aufgenommen, dass Finanzminister Olaf Scholz (SPD) den Bildungsetat bis 2023 empfindlich abspecken will, im kommenden Jahren allein um knapp drei Prozent?
Mit dem Diktat der sogenannten schwarzen Null ist Deutschland im Vergleich mit anderen EU-Ländern zwar der Klassenprimus in Sachen Haushaltsdisziplin. Aber wir schieben gleichzeitig einen gewaltigen Investitionsstau vor uns her, gerade in der Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur. Dringend erforderliche Investitionen in Bildung zu unterlassen, ist kurzsichtig und auch nicht generationengerecht. Wir hoffen natürlich, dass sich Frau Karliczek gegen die geplante Kürzung ihres Etats zur Wehr setzt, neueren Berichten zufolge tut sie das auch.
Immerhin will die Ministerin die Elternfreibeträge nicht, wie ursprünglich angekündigt, um neun Prozent sondern um 16 Prozent in drei Schritten bis 2021 erhöhen. Spricht das nicht immerhin für ihre Lernfähigkeit?
Das ist schon ein ordentlicher Schluck aus der Pulle. Aber noch einmal: Reicht das, um etliche Jahre rückläufiger Gefördertenzahlen auszugleichen? Es wird ja oft argumentiert, in Zeiten boomender Konjunktur und bei sehr guter Arbeitsmarktlage sei es doch kein Problem, wenn immer weniger Studierende BAföG brauchen. Aber nicht einmal die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung glaubt, dass Eltern heutzutage automatisch leistungsfähiger sind und das Studium ihrer Kinder locker schultern, nur weil die Wirtschaft brummt. Vielmehr hat sie in einer Studie gezeigt, dass die Inflation die Lohnzuwächse auffrisst. Dazu sind Eltern, die zur Miete wohnen, von der Mietpreisexplosion betroffen. Sind die Elternfreibeträge wie zuletzt für drei Jahre unverändert, bleibt unterm Strich nicht viel übrig. Als das BAföG 1971 eingeführt wurde, war es übrigens das Ziel, nicht nur einkommensschwache, sondern auch Eltern mit mittleren Einkommen zu erreichen. Das muss heute auch gelten.
Sie sprachen von einer Erhöhung des Grundbedarfs um bis zu 38 Prozent. Wie kommen Sie zu dieser Hausnummer?
Die Zahl stammt aus zwei von uns in Auftrag gegebenen Studien des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie und wurde übrigens auch vom Vizechef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas Keller, in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau als Zielgröße genannt. Es ist ja so: Das Existenzminimum darf nicht besteuert werden, der steuerliche Grundfreibetrag bildet das Existenzminimum ab. Er beträgt derzeit 9.168 Euro im Jahr, was 764 Euro im Monat entspricht. Für die Ausbildungskosten während des Studiums rechnet man noch einmal 20 Prozent hinzu. Das wären dann in der Summe 916,80 Euro im Monat. Besagte Studien liegen mit 850 bis 925 Euro monatlichem BAföG-Grundbedarf in einem vergleichbaren Korridor.
Der größte Kostentreiber für die Studierenden ist heutzutage ganz klar die Miete, in vielen Hochschulstädten sind die Kosten geradezu explodiert. Versuchen Sie einmal, mit der aktuellen Wohnpauschale von 250 Euro in München, Frankfurt am Main, Köln oder Hamburg eine Bleibe zu finden.
Da würden auch die avisierten 325 Euro nicht reichen ...
Ich sagte ja bereits, dass der Preisauftrieb bei den Mieten seit 2016 damit gar nicht erst berücksichtigt wird. Außerdem sehen wir die Gefahr, dass Vermieter unter Verweis auf die erhöhte Wohnpauschale die Miete auch für den wesentlich größeren Teil der Studierenden erhöhen, die kein BAföG erhalten. Das Fachblatt der Immobilienwirtschaft hat zu Jahresbeginn bereits darauf hingewiesen, dass bei Studierenden künftig mehr zu holen sein wird. Der BAföG-Wohnbedarf als durchlaufender Posten, der vom Staat direkt in die Taschen der Vermieter wandert – das kann doch keine Lösung sein. Für uns ist vorstellbar, die Wohnpauschale bei 325 Euro zu belassen, dass für höhere Mieten in extrem teuren Städten gegen Nachweis aber bis zu 400 Euro im Monat möglich sein müssten. So ein System gab es beim BAföG schon einmal.
Liebäugeln also auch Sie mit der Idee, den Wohnkostenzuschuss nach regionalen Erfordernissen zu staffeln, wie dies etwa die Grünen-Partei empfiehlt?
Nein, das sehen wir kritisch. Insbesondere eine Regionalisierung nach West-Ost-Bedarfen lehnen wir ab. Und eine Anbindung des BAföG an die Wohngeldtabellen würde ja keine Verwaltungsvereinfachung bedeuten, im Gegenteil, und transparent wäre dies auch nicht.
Das BAföG ist das eine, mehr Engagement für den Bau von Studierendenwohnheimen ist das andere. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag zugesichert, wieder Wohnheimplätze für Studierende fördern zu wollen. Gut so! Mit dieser Aufgabe dürfen die Bundesländer nicht länger alleine gelassen werden. Dafür ist es höchste Zeit. Wir weisen in unserer aktuellen Kampagne „Kopf braucht Dach“ immer wieder daraufhin: Die Wahl des Studienorts darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Bezahlbaren Wohnraum für Studierende zu schaffen und zu erhalten, ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. 41 Prozent der Studierenden, die über weniger als 700 Euro im Monat verfügen, leben im Wohnheim. Ausländische Studierende haben ohne Studentenwohnheime auf dem freien Wohnungsmarkt so gut wie keine Chance. Wenn aber nur zehn Prozent aller Studierenden – in Berlin sogar nur fünf Prozent – in einem Wohnheim unterkommen können, haben wir ein Problem. Deswegen sagen wir seit langem: Der Bund muss mit ins Boot.
Empfangen Sie über die Ankündigung im Koalitionsvertrag hinausgehende Signale seitens der Politik, endlich mehr Geld in den Wohnheimbau zu stecken?
Durchaus. Wir sind mit dem Innenministerium, unter dessen Dach sich auch das Bauressort befindet, in guten Gesprächen und hoffen, dass im Laufe dieses Jahres konkrete Ergebnisse kommen. Denn mit der jüngsten Grundgesetzänderung, mit welcher der „Digitalpakt Schule“ ermöglicht wird, ist jetzt auch rechtlich der Weg frei für den Bund, sich beim Wohnheimbau zu engagieren.
Themawechsel: Zu den Schwierigkeiten mit der BAföG-IT haben Sie sich vor zweieinhalb Jahren schon einmal in einem Interview mit Studis Online geäußert. Dabei beklagten Sie ein Wirrwarr an Zuständigkeiten und den Einsatz unterschiedlich ausgereifter technischer Systeme. Ist die Lage seither besser geworden?
Nein. Jedes der 16 Bundesländer bietet seinen landeseigenen BAföG-Online-Antrag an. Mancherorts gibt es nur ein pdf-Dokument das man sich herunterladen und dann doch wieder händisch ausfüllen muss. Das ist schon eher Schildbürgerniveau als kluge Digitalisierung. Bis Ende des Jahres 2022 müssen laut Onlinezugangsgesetz alle öffentlichen Dienstleistungen auf einem Onlineportal angeboten werden. Dafür wollen Bund und Länder auch ein BAföG-Antragssystem entwickeln. Die Federführung bei dem Projekt haben das Bundesbildungs- und -innenministerium sowie von Länderseite Sachsen-Anhalt. Wir hoffen, dass sich die Akteure die bisherigen IT-Lösungen der Länder, auch die jüngsten BAföG-Apps der Länder Hessen und Bayern, genau ansehen und den Weg freimachen für eine echte, medienbruchfreie, bundesweit einheitliche Digitalisierung des BAföG, mit e-Antrag, e-Bescheid und e-Akte.
Beim BAföG „medienbruchfreie Prozesse, die zu vollständig auf elektronischem Weg durchgeführten Verwaltungsverfahren führen“ zu etablieren, hatte die Bundesregierung schon vor drei Jahren verkündet. Ganz Konkret: Wie viel Studierende nutzen heute e-BAföG?
Derzeit werden für einen BAföG-Online-Antrag entweder eine De-Mail-Adresse oder ein Kartenlesegerät gebraucht. Beides ist nicht sonderlich verbreitet und mit Aufwand und Kosten verbunden. Von Juni 2017 bis Ende April 2018 haben bundesweit nur 540 Studierende und 50 Schüler einen BAföG-e-Antrag gestellt. Sorry, aber das ist unterirdisch, schlecht für ein Land, das eine Hightechstrategie hat und sich mit Hochtechnologie auf dem Weltmarkt behaupten will. Dazu passt ein Schmankerl: Zur Expo 2000 hatte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder bis 2005 die gesamte Abwicklung der Ausbildungsförderung BAföG per Internet angekündigt. Nun soll es also Ende 2022 so weit sein – fast 20 Jahre später. Nun denn.
Das klingt so, als trauten Sie auch dieser Ansage nicht?
Mir ist wichtig: Das BAföG könnte ein Muster-, ein Vorzeigeprojekt sein für eine kluge, anwendungsfreundliche Digitalisierung. Es ist ein Bundesgesetz, das von den Ländern umgesetzt wird, mit einer sehr internetaffinen Zielgruppe, den Studierenden. Wir wissen jetzt, in dieser Legislaturperiode wird es – nach der jetzt anstehenden – keine weitere BAföG-Novelle mehr geben. Das heißt auch, dass die Digitalisierung ohne vorherige Verwaltungsvereinfachung anläuft. Das ist schade und eine verpasste Chance. Man muss das BAföG erst entschlacken, dann klug digitalisieren. Im Moment sieht es so aus: Das sehr komplexe BAföG bekommt eine schicke digitale Hülle – und das war`s. Das kann und darf es nicht gewesen sein.
Inzwischen tummeln sich im Internet gleich mehrere private Anbieter, die Studenten, Schülern und Praktikanten die BAföG-Beantragung gegen Bezahlung abnehmen – „ganz ohne Amtsdeutsch und Papierkram“. Die Pläne gehen sogar dahin, Anspruchsberechtigten ihre BAföG-Leistungen über eine Zwischenfinanzierung vorab auszuzahlen. Müsste das nicht auch Sie freuen? Schließlich leiden die BAföG-Ämter doch unter massiver Überlastung.
Nein, das freut uns überhaupt nicht. Wir sehen es sogar äußerst kritisch, wenn kommerzielle Firmen in eine Lücke springen und Bedürftige – mit unsicherer Erfolgsaussicht – eine Sozialleistung beantragen können. Wären die BAföG-Ämter personell und technisch besser ausgestattet, bedürfte es solcher Angebote nicht. Zudem hat der Nationale Normenkontrollrat 2010 in seinem Bericht „Einfacher zum Studierenden-BAföG“ die durchschnittliche Ausfülldauer bei einem Erstantrag mit 5,5 Stunden beziffert, dazu noch eine Stunde fürs Zusammensuchen der Unterlagen. Die neuen kommerziellen Anbieter geben dagegen 30 Minuten an. Solche Dienste mögen für Studierende und Eltern auf den ersten Blick attraktiv wirken. Allerdings ist es sinnvoller, sich durch das BAföG-Amt beraten zu lassen, dazu ist es verpflichtet – und der Service ist kostenlos! Und eine Beschleunigung sollte besser durch eine Entschlackung der Vorschriften und eine kluge Digitalisierung erzielt werden.
Was also müsste der Staat tun?
Der Staat hat selbst Vorgaben definiert. Im Sozialgesetzbuch I gibt es die Verpflichtung, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen „in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält“, dass der Zugang zu den Sozialleistungen „möglichst einfach“ gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke, und ihre Verwaltungs- und Dienstgebäude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren sind. Wir erinnern den Bund regelmäßig daran. Apropos Anachronismus: Der Bund ist noch vollständig in der analogen Welt. Er regelt nur die Papier-BAföG-Anträge, mit einer Formblatt-Verwaltungsvorschrift. Zu den Online-Anträgen sagt er bisher gar nichts. (rw)