Was ändert sich?BAföG-Novelle 2019/2020/2021 in der Übersicht
Die BAföG-Reform enthält manch sinnvolle Änderung. Doch vieles fehlt auch …
1. Das 26. BAföG-Änderungsgesetz ist verkündet und somit formal in Kraft
Der formale Weg hat seine Zeit gedauert: Am 16. Mai 2019 hat der Bundestag dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur BAföG-Reform zugestimmt. Der Bundesrat hat das Gesetz am 7. Juni gebilligt, schließlich hat es noch bis 8. Juli gedauert, bis das Gesetz auch vom Bundespräsident unterzeichnet und ausgefertigt werden konnte. Es wurde schließlich im Bundesgesetzblatt Nr. 26 vom 15.07.2019 ab Seite 1048 veröffentlicht. Damit ist das Gesetz wie geplant in Kraft getreten. Das Gesetz enthält dazu auch schon Anpassungen, die in den nächsten beiden Jahren greifen werden.
Grundsätzlich werden die Änderungen in Sachen Bedarfssätze / Freibeträge immer ab 1. Oktober des Jahres gelten (auch für dann schon laufende Anträge). Ansonsten gelten sie für Anträge, deren Bewilligungszeitraum ab August oder September starten wird, von Anfang an. Einige andere Änderungen greifen z.T. zu anderen Terminen, im Text gehen wir in der Regel darauf ein.
Alle Änderungen aus dem 26. BAföG-Änderungsgesetz, die die Höhe des BAföG beeinflussen, hat unser BAföG-Rechner schon seit Anfang des Jahres integriert.
2. Erhöhung der Bedarfssätze
Seit der Jahrtausendwende gab es immer wieder große BAföG-Erhöhungen – aber leider immer nur nach mehr (bis 6 Jahre) oder weniger (2 Jahre) langen Zeiträumen ohne Anpassung. In Summe haben die Erhöhungen die Inflation nicht ganz ausgeglichen, vor allem, da die Mieten für Studierende gerade in Städten wie München, Frankfurt, Hamburg, aber auch Berlin, Köln oder Stuttgart weit überdurchschnittlich gestiegen sind. Daher ist selbst die nun geplante Erhöhung, die prozentual wohl die höchste aller Zeiten (zumindest auf einen Schlag) ist, nur der annähernde Ausgleich für die fehlenden Anpassungen der Vergangenheit.
Erstmals wird berücksichtigt, dass über 30-jährige in der Regel deutlich mehr für die Krankenversicherung zahlen müssen. Künftig müssen die höheren Kosten nachgewiesen werden und werden bis zu 189 € im Monat gedeckt, was nach aktuellem Stand reichen sollte.
Für alle BAföG-EmpfängerInnen gilt: Der Kinderbetreuungszuschlag verändert sich leicht und erhöht sich von 130 € auf 140 € je Monat und Kind unter 14 Jahren (vorher unter 10 Jahren). Ab Wintersemester 2021/22 steigt er auf 150 € je Monat und Kind.
Bedarf/Pauschale für Studierende | seit 2016 | WS '19 | WS '20 |
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+ Wer noch bei den Eltern oder in einer Wohnung/Haus, die den Eltern gehört, wohnt, erhält aktuell 52 € Wohnpauschale, ab WiSe 2019/20 55 € und ein Jahr später 56 €. * Diese Zuschläge gibt es nur bei Bedarf auf Nachweis. Der Kranken- und Pflegeversicherungszuschlag wird nur gewährt, wenn man sich schon selbst versichern muss (in der Regel erst ab 25 Jahre). | |||
Grundbedarf | 399 € | 419 € | 427 € |
+Wohnpauschale+ | 250 € | 325 € | |
+Zuschlag KV/PV* | 86 € | 109 € (ü30: 189 €) | |
=„BAföG-Höchstsatz“ | 735 € | 853 € | 861 € |
Grundbedarf/Pauschale für Schülerinnen und Schüler | seit 2016 | WS '19 | WS '20 |
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Kranken+Pflegeversicherung siehe oben (wie bei Studierenden). Wohnpauschale für alle Schularten, die von § 13 (1) 1. umfasst werden: ebenfalls wie oben. | |||
Berufsfachschulen – § 12 (1) 1. / zu Hause | 231 € | 243 € | 247 € |
Berufsfachschulen – § 12 (2) 1. / notwendig auswärtig | 504 € | 580 € | 585 € |
FOS mit abgeschl. Ausbild. u.a. – § 12 (1) 2. / zu Hause | 418 € | 439 € | 448 € |
FOS mit abgeschl. Ausbild. u.a. – § 12 (2) 2. / auswärtig | 587 € | 675 € | 681 € |
Fachschulklassen (mit abgeschlossener Berufsausbildung), Abendgymnasien, Kollegs – § 13 (1) 1. / Grundbedarf | 372 € | 391 € | 398 € |
3. Änderungen bei der Rückzahlung und kein Bankdarlehen mehr: Weniger Gründe für Verschuldungsängste
Die BAföG-Schulden sind seit langem bei 10.000 € gedeckelt (bezogen auf das BAföG für die Regelstudienzeit; Studienabschlusshilfe zählt extra). Diese musste man bisher in der Regel quartalsweise in Raten zu 315 € (also rechnerisch 105 €/Monat) zurückzahlen. Künftig wird die Ratenhöhe zwar auf quartalsweise 390 € (130 €/Monat) steigen und zwar für alle Raten ab April 2020. Dafür muss man künftig aber höchstens 77 Raten zahlen (=10.010 €) – oder weniger, wenn die Gesamtschuld geringer ist. Und zwar auch dann, wenn man zeitweise geringere Raten beglichen hat (das ist auf Antrag immer dann möglich, wenn das eigene Einkommen während der Rückzahlungszeit nur sehr knapp über dem Freibetrag liegt). Nur wenn man wegen entsprechend niedrigem/keinem Einkommen für Zeiträume ganz befreit wurde, schiebt das die noch offenen Raten auf.
Nach 20 Jahren werden immer noch offene Schulden künftig komplett erlassen, sofern man immer korrekt zurückgezahlt hat bzw. sich befreien lassen konnte. Auch Altschuldner können auf Antrag von dieser Regelung profitieren – sie müssen das aberbis Ende Februar 2020 beantragen. Bisher konnte sich die Rückzahlungszeit auf bis zu 30 Jahren ausdehnen und mit den dann noch bestehende Schulden wurde nach Bundeshaushaltsordnung (BHO) verfahren, was bis hin zu einer Pfändung gehen konnte.
Die Förderungsart Bankdarlehen, die bspw. bei der Hilfe zum Studienabschluss galt, wird es nicht mehr geben. Stattdessen werden diese Leistungen künftig zu 100% als zinsloses Staatsdarlehen ausgegeben. Die Rückzahlung dafür erfolgt im Anschluss an die normalen BAföG-Schulden mit denselben Konditionen (inkl. Erlass der Schulden nach 20 Jahren). Für den Fall, dass man ausschließlich die Hilfe zum Studienabschluss in Anspruch genommen hat, ist diese beginnend ab drei Jahre nach Ende der Förderungshöchstdauer zurückzuzahlen. Für bestehenden Bankdarlehen ändert sich nichts.
Wer ein Bankdarlehen bezogen hatte, konnte dieses nicht bzw. nur mit Mehrkosten früher tilgen. Durch die Umstellung auf ein zinsloses Staatsdarlehen wird dies künftig möglich sein.
Im Gesetzentwurf wird schließlich angekündigt, dass die Rabatte für vorzeitige Rückzahlung verringert werden sollen. Dazu muss die Darlehensverordnung geändert werden – die Details dazu stehen noch aus.
4. Höhere Vermögensfreibeträge
Nur bei der BAföG-Empfängerin bzw. dem BAföG-Empfänger selbst spielt das Vermögen eine Rolle. Die Freibeträge werden zum Wintersemester 2020/2021 angehoben.
Freibetrag | seit 2016 | ab WiSe 2020/21 |
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für Antragsteller/in | 7.500 € | 8.200 € |
für jedes Kind und (Ehe-)Partner/in | 2.100 € | 2.300 € |
5. Erhöhung der Freibeträge auf Einkommen
Bei den Freibeträgen vom Einkommen ist auch zum WiSe 2021/2022 eine Anpassung vorgesehen, so dass moderarte Lohnsteigerungen der Eltern nicht zu einer Senkung des BAföGs führen sollten.
Die genauen Auswirkungen sind nicht so leicht abzuschätzen – wer dafür ein Gefühl bekommen will, kann unseren BAföG-Rechner nutzen, der schon Berechnungen mit den geplanten Werten für Wintersemester 2019 ff. machen kann.
Die Freibeträge auf das Einkommen der Eltern bzw. EhepartnerIn werden angewandt, nachdem vom Bruttoeinkommen die Werbungskosten, die Steuern und die Sozialpauschale abgezogen wurde (dazu kommen noch einige spezielle weitere Freibeträge, die aber für die meisten nicht relevant sind). Ganz grob kann man also davon sprechen, dass die Freibeträge sich auf das Nettoeinkommen beziehen.
Freibeträge auf Einkommen Eltern/Ehegatte | seit 2016 | WS '19 | WS '20 | WS '21 |
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Eltern (verheiratet) | 1.715 € | 1.835 € | 1.890 € | 2.000 € |
Elternteil / Ehegatte | 1.145 € | 1.225 € | 1.260 € | 1.330 € |
für neu angeheirateten Ehegatten eines leiblichen Elternteils* | 570 € | 610 € | 630 € | 665 € |
für Kinder* | 520 € | 555 € | 570 € | 605 € |
* eigenes Einkommen der jeweiligen Person mindert den Freibetrag bzw. es gibt bei höherem Einkommen keinen
Wie bisher ist der Grundfreibetrag auf das Einkommen des BAföG-Empfängers selbst so gestaltet, dass unter Berücksichtigung der Werbungskosten- und Sozialpauschale, die vorab in Abzug gebracht werden können, genau ein durchgängiger 450 €-Job ohne Abzüge möglich ist. Mehr Verdienst (bei einem Bewilligungszeitraum von 12 Monaten also alles überhalb von 5.400 €) führt unverändert zu einer Reduzierung des zustehenden BAföGs.
Freibeträge auf Einkommen Student/SchülerIn | seit 2016 | WS '19 | WS '20 | WS '21 |
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* Für SchülerInnen nach § 12 (1) 1. sind die Freibeträge auf Waisenrente 180 /195 / 200 / 210 €. + „Härtefreibetrag für besondere Kosten der Ausbildung“, nur auf Antrag! | ||||
Grundfreibetrag | 290 € | |||
Ehegatte | 570 € | 610 € | 630 € | 665 € |
für Kinder | 520 € | 555 € | 570 € | 605 € |
Waisenrente* | 130 € | 140 € | 145 € | 150 € |
Schulgeld/Studiengebühren+ | 260 € | 280 € | 285 € | 305 € |
6. Weitere Änderungen
Anpassung Sozialpauschalen
Zur Vereinfachung werden beim BAföG die Kosten für die Sozialversicherungen durch Pauschalen vom Bruttogehalt abgezogen, wobei diese gedeckelt sind (die gesetzlichen Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten und Arbeitslosenversicherung sind das ja auch). Da sich die Kosten für diese Versicherungen im Laufe der Zeit ändern (fast immer eher steigen), wird auch beim BAföG angepasst.
Sozialpauschale | seit 2016 | seit WS '19 |
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Die Bezeichnungen sind stark vereinfacht. Angegeben ist der prozentuale Freibetrag (auf das Bruttoeinkommen) und in Klammern der Höchstbetrag, der vom Brutto abgezogen werden kann. | ||
für Arbeitnehmer | 21,2% (13.000 €) | 21,3% (14.600 €) |
für Beamten/Rentner | 15% (7.300 €) | 15,5% (8.500 €) |
für Selbständige | 37% (22.400 €) | 37,7% (25.500 €) |
Nicht-staatliche Berufsakademien endlich auch vom BAföG umfasst
Staatliche Berufsakademien wurden schon länger wie Hochschulen behandelt, die vielen Berufsakademien auf tertiärem Niveau in privater Trägerschaft dagegen nicht. Dadurch konnte ein Studium an letzteren nicht durch BAföG gefördert werden. Das betrifft Einrichtungen mit Sitz in Hamburg, Hessen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und dem Saarland. Künftig wird eine Ausbildung an privaten Berufsakademien auf tertiärem Niveau (d.h. Ausbildung mit Bachelor- oder Masterabschluss) endlich auch BAföG-förderungsfähig sein.
Auch wenn viele Auszubildende an solchen Berufsakademien parallel in einem Betrieb angestellt sind und durch die so erzielten Einkünfte nicht unbedingt BAföG brauchen oder durch die Anrechnung des Einkommens real erhalten können, ist diese Änderung noch in weiterer Weise relevant. Alle, die Geschwister an einer solchen Berufsakademie haben und selbst BAföG beziehen, dürften meist Vorteile haben, da künftig das Einkommen des Geschwisters keine Rolle mehr spielt und dieses statt mit einem Freibetrag auf das Elterneinkommen (der aber um das Einkommen des Geschwisters gekürzt wird) als weiteres BAföG-förderungsfähig Kind berücksichtigt wird (egal, ob es selbst real BAföG bezieht).
Wer Angehörige pflegt, erhält länger BAföG
Studierende, die nahstehende Familienmitglieder pflegen, erhalten bislang keine BAföG-Verlängerung. Zukünftig sollen sie allerdings auch nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer BAföG beziehen dürfen. Diese Veränderung wurde erst kürzlich im Gesetzesentwurf ergänzt. Jedoch: Was nach Verbesserung klingt, hat einen enttäuschenden Beigeschmack. Denn diese Regelung greift nur im Bezug auf Personen mit dem „Pflegegrad 3“.
7. Was gut ist – und was fehlt
Die BAföG-Novelle ist notwendig und enthält einige Verbesserungen im Detail, die uneingeschränkt zu begrüßen sind, wie den endgültigen Erlass noch offener Schulden nach 20 Jahren oder die Einbeziehung der nicht-staatlichen Berufsakademien.
Dennoch werden einige zentrale Punkte nicht angepackt. In Kürze also noch, was fehlt und welche Ideen es dafür jeweils gibt.
Die Vergangenheit zeigt deutlich, dass das BAföG zu selten angepasst wird. Daher wäre für die Zukunft ein Automatismus zu begrüßen, der am besten jährlich für eine Anpassung – also Erhöhung – der Bedarfssätze und Freibeträge sorgt. Nur so kann man sich auf das BAföG verlassen.
Trotz deutlicher Erhöhung werden die BAföG-Sätze auch in Zukunft nicht ausreichen und sollten stärker angehoben werden, vor allem der Grundbedarf. Eine Studie im Auftrag des Deutsche Studentenwerks kommt zum Ergebnis, dass allein der Grundbedarf um 38% steigen sollte.
Die Altersgrenzen scheinen in Zeiten des lebenslangen Lernens zu restriktiv und sollten um mind. 5 Jahre erhöht werden. Ebenso sollte das BAföG auch für ein Teilzeitstudium möglich werden.
Die Förderungshöchstdauer wird nach wie vor an den Regelstudienzeiten festgemacht. Nur die Minderheit der Studierenden schafft das Studium wirklich in dieser Zeit. Daher sollte die Förderungshöchstdauer um mind. ein Semester verlängert werden.