Koalition hilft nicht weiterBeschlossene Corona-„Soforthilfen“ für Studierende enttäuschend
Die „Überbrückungshilfen“ für Studis in der ständig aktualisierten Übersicht
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Die Antragsbedingungen sind streng – lies hier welche Unterlagen benötigt werden und wann du beantragen solltest. weiter
Als größeren Posten der Hilfe sieht das BMBF den KfW-Studienkredit an. Das BMBF übernimmt bis Dezember 2021 die Zinszahlungen in der Auszahlungsphase. Was aber nur vergleichsweise wenig Erleichterung bringt. weiter
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Corona-Hilfen für Studis: BAföG-Änderung, KfW-Studienkredit, Notfonds
Von Oliver Iost
Fassen wir zunächst zusammen, was nun beschlossen (BAföG-Änderung) bzw. von Karliczek letzte Woche als „Überbrückungshilfen für Studierende“ angekündigt wurde und so von den Koalition auch gegen die Opposition verteidigt wurde und damit offenbar unverändert kommen wird. Leider auch ziemlich spät – verglichen mit manch anderer Nothilfe für Firmen, Selbständige etc.
BAföG-Änderung: Einkommen in systemrelevanten Jobs wird nicht angerechnet – aber …
Schon am 25. März war eine BAföG-Änderung beschlossen worden, nach der Einkommen aus einer 2020 aufgenommenen Tätigkeit, welche „in oder für eine Gesundheitseinrichtung oder eine sonstige soziale Einrichtung zur Unterstützung der Bekämpfung der Pandemie und deren sozialen Folgen oder in der Landwirtschaft erzielt“ wird, nur in den Monaten anzurechnen ist, in denen es erzielt wird. Sofern diese Regelung günstiger als die normale ist.
Mit dem Beschluss am 7. Mai wurde dies nochmals geändert – das Einkommen wird gar nicht angerechnet und auf alle „systemrelevante Branchen und Berufe“ ausgedehnt. Doch wie immer gilt dies nicht uneingeschränkt. Denn nur die „zusätzliche Einnahmen“, die seit 1. März 2020 erzielt werden, werden so behandelt. Wer also schon im Februar im Krankenhaus gearbeitet hat und das nun weiterhin tut, bei dem ändert sich gar nichts. Wer seine Arbeit aufstockt, bei der oder dem wird nur das zusätzliche Einkommen nicht angerechnet, beim Rest wird wie bisher verfahren.
Was sind „systemrelevante“ Jobs? (ergänzt 8.5.)
Das ist nicht abschließend definiert. Laut Gesetzesdrucksache (Seite 8) sind es Tätigkeiten, „die für das öffentliche Leben in Sicherheit und die Versorgung der Menschen unabdingbar [sind]. Hierzu zählen die Ordnungs- und Sicherheitsbehörden, Energie- und Wasserversorger, der Transport- und Personenverkehr, aber auch die Aufrechterhaltung von Kommunikationswegen. Besondere Bedeutung haben zudem das Gesundheitswesen mit Krankenhäusern und Apotheken, aber auch die Land- und Ernährungswirtschaft und die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln sowie die Bereiche Bildung und Erziehung, Kinder- und Jugendhilfe sowie Behindertenhilfe. Einen Maßstab für die Zuordnung von Tätigkeiten zu systemrelevanten Branchen und Berufen bieten die Verordnung zur Bestimmung kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz (BSI-Kritisverordnung) und die landesrechtlichen Bestimmungen für die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Kindernotfallbetreuung.“
KfW-Studienkredit ein paar Monate zinsfrei
Der KfW-Studienkredit wird ab Juli (Antrag soll ab Juni möglich sein) für weitere ausländische Studierende geöffnet. Sogenannte BildungsinländerInnen und einige wenige andere konnten ihn auch vorher (und natürlich jetzt) schon bekommen. In der Zeit bis März 2021 übernimmt das BMBF die Zinszahlungen in der Auszahlungsphase. Ab Juni wird man ihn nur (neu) bekommen, wenn man spätestens bis 15. Mai beantragt. Sonst gibt's erst für Juli erstmals Geld.
ALLE anderen Bedingungen (also alles bis auf die kurzzeitige Zinsfreiheit und die Erweiterung auf einige ausländische Studis) bleiben unverändert. Das bedeutet insbesondere, dass ab April wieder ganz normalen Zinsen zu tragen sind (aktuell 4,26% nom.). Und – wenn der Kredit wirklich nur als Nothilfe genutzt wird – spätestens ab Oktober 2022 ist mit der Rückzahlung zu beginnen. Diese kann nur dadurch aufgeschoben werden, wenn der Kredit weiter genutzt würde.
NICHT zugänglich ist und bleibt der KfW-Studienkredit für alle, die 45 Jahre oder älter sind, im 11. Fachsemester oder höher oder die an Berufsakademien studieren. Wer schon einen KfW-Kredit laufen hat, kann ihn zwar vielleicht auf die monatlichen Höchstsumme aufstocken. Wer die aber schon nutzte, kann nichts zusätzlich erhalten. Und mit 650 € im Monat kommt man nur in wenigen Städten aus.
Gerade für Studierende der Medizin ist das ein Schlag ins Gesicht: Bei diesen liegt ja schon die Regelstudienzeit bei meist 12 Semestern und 3 Monaten. Aber auch die werden offenbar von der Bundesregierung als „Langzeitstudierende“ subsummiert: Laut Bericht des Bildungsausschusses wird als Erwiderung auf Kritik geschrieben: „Bis auf Langzeitstudierende habe jeder die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen.“
Wieviel das BMBF an Zinsen bei der „Überbrückunghilfe“ übernimmt – und wieviel die Studis tragen müssen
Wer jetzt ganz schnell (bis 15.05.) den KfW-Studienkredit beantragt, bekommt ihn ab 1. Juni. Bis einschließlich März sind keine Zinsen zu zahlen, da das BMBF diese trägt. Das sind am 1. April 2020 ca. 130 € (beim aktuellen Zins von 4,26% nom.). Insgesamt sind bis dahin 6.500 € an Darlehen und 130 € an Zinsen aufgelaufen. Werden 18 Monate Karenzzeit gewählt (was evt. nicht einmal zum Abschluss des Studiums reichen wird und allein deshalb die meisten wählen werden), fallen währenddessen alleine ca. 425 € Zinsen an.
Von den Zinsen, die noch während der Tilgungsphase anfallen, haben wir noch gar nicht gesprochen. Je nach Rückzahlungsrate – und abhängig davon, wie sich der Zins entwickelt – geht es nochmals um ein Vielfaches der 425 €, also durchaus auch weitere 3.000 €. Am Ende können also aus 6.500 € Darlehen an die 10.000 € werden, die zurückzuzahlen sind.
100 Millionen Notfonds
Die SPD hatte zwar tatsächlich eine Öffnung des BAföG gefordert, sich am Ende aber mit der Darlehens„lösung“ (siehe oben) zufrieden gegeben, sofern die Notfonds der Studierendenwerke mit 100 Millionen ausgestattet werden. In der Gesamtschau kann man sich schon fragen, wie das ein zufriedenstellendes Paket sein kann. Auch dass der SPD-Finanzminister einfach die nicht ausgeschöpften BAföG-Mittel aus 2019 eingesammelt hat (über 600 Millionen Euro) und nicht etwa für die Nothilfe bereitgestellt hat, macht stutzig.
Um so mehr ist der Notfonds – auch wenn die Mittel aus ihm als Zuschuss gewährt werden sollen – enttäuschend. Auch deswegen, weil bei der andere Säule der „Überbrückungshilfe“, dem KfW-Studienkredit einige ganz ausgeschlossen sind, er für andere nicht reicht und viele ihn aus verständlichen Gründen nicht nutzen können oder wollen.
100 Millionen sind nun mal nur 1.000 € für 100.000 (=ca.3% der Studierenden). Doch seit März, spätestens April sind viele Studi-Jobs weggefallen. Und nicht so schnell wieder da. Es reicht also vorn und hinten nicht.
Beantragen kann man Gelder aus den Notfonds übrigens noch nicht. (Folgendes am 8.5. ergänzt) Uns sind inzwischen Gerüchte zu Ohren gekommen, dass es noch Wochen dauern kann 😖 Wenn es soweit ist, wird eine schnelle Antragstellung notwendig sein. Es bleibt also nichts anderes übrig, als regelmäßig zu schauen, ab wann eine Antragstellung möglich sein wird.
Kritik hält an
Der studentische Dachverband fzs teilte uns nach dem Bundestagsbeschluss mit: „Wir sind angesichts dieser "Lösung" erschüttert. Die Ministerin nutzt die Krise um den KfW-Studienkredit zur Ausbildungsförderung der Wahl zu machen und verkauft das dann auch noch als Wohltat. Dass die SPD sich hier miteinspannen lässt, werden die notleidenden Studierenden so schnell nicht vergessen.“
Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW) hatte uns zum KfW-Studienkredit als Nothilfe schon vor wenigen Tagen erläutert: „Wir hätten uns als Nothilfe für die Studierenden grundsätzlich eine temporäre Öffnung des BAföG gewünscht, das unter anderem ein zinsloses Darlehen beinhaltet - und BAföG-Geförderte weder besser noch schlechterstellen würde. Die Beibehaltung der Kriterien für die Vergabe des KfW-Studienkredits erschwert manchen Studierenden in einer finanziellen Notlage, die sich über Nebenjobs finanzieren müssen und deswegen länger benötigen, die Inanspruchnahme dieses Angebots. Viel problematischer ist jedoch, dass die Zinsbefreiung nur für die Auszahlungsphase gilt, nicht jedoch für die Karenz- und Rückzahlungsphase. Das macht es richtig teuer für unverschuldet in Not geratene Studierende.“
Was besonders kritikwürdig an der beschlossenen „Nothilfe“ ist, kann ansonsten auch in Corona-Überbrückungshilfen für Studis: Nothilfe? Welche Nothilfe? nachgelesen werden.
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