Neuer Lockdown, alter HutComeback der Corona-Nothilfe für Studierende
Nochmals: Überbrückungshilfe noch bis März 2021, KfW-Studienkredit bis Ende 2021 zinsfrei (während Auszahlungssphase).
Die Bundesregierung legt die „Überbrückungshilfe für Studierende in pandemiebedingten Notlagen“ (Ü-Hilfe) unter leicht verbesserten Bedingungen wieder auf. Das gaben am Freitagmittag Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), Achim Meyer auf der Heyde, vor Pressevertretern in Berlin bekannt. Wie beide ausführten, soll das Angebot bis zum Ende des laufenden Wintersemesters, also bis einschließlich März gelten. In dieser Zeit können Hochschüler, die nachweislich durch die Corona-Krise in ernste finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, staatliche Zuschüsse von maximal 500 Euro monatlich bei einem der 57 örtlichen Studierenden- und Studentenwerke beantragen. Die Unterstützung kann wie bisher auch mehrmalig bewilligt werden.
„Wir lassen die Studierenden in dieser Pandemie nicht allein“, äußerte sich Karliczek. Mit dem reaktivierten Programm wolle man jenen helfen, „deren Erwerbsmöglichkeiten oder das ihrer Eltern durch die beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie vorübergehend wegfallen“. Die Ü-Hilfe war im Frühsommer nach einer wochenlangen Hängepartie installiert worden. Als das erste Geld auf den Konten der Notleidenden landete, war es Anfang Juli.
Kassenschlager KfW-Kredit
In Kürze
bis März 2021 wieder monatlich Antrag möglich
nur bei Kontostand < 500 €
Zusammenhang mit Pandemie
Nachweispflichten etwas vereinfacht
0% Zins während Auszahlungsphase verlängert bis 31.12.2021
Für ausländische Studis noch unklar, ob Verlängerung über 31.03.2021.
Der erste Lockdown zur Eindämmung der Infektionszahlen war da schon längst wieder aufgehoben und die Zahl an studentischen Nebenjobs, die davor praktisch flächendeckend verschwunden waren, zog wieder an. Wie sich auch an den ziemlich moderaten Antragszahlen zeigte, dürften sich zu diesem Zeitpunkt schon viele der vormals eigentlich Bedürftigen irgendwie anders durchgeschlagen haben, etwa mit Geldspritzen von Angehörigen, Bekannten – oder durch die Banken.
Wie vor zwei Wochen die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) publik machte, hat sich der hauseigene Studienkredit in der Pandemie mit dem Beistand der Bundesregierung zu einem echten Kassenschlager entwickelt. Lange bevor die Offerte der Ü-Hilfe stand, war das KfW-Studiendarlehen über bis zu 650 Euro pro Monat auf Betreiben Karliczeks bis März 2021 zinslos gestellt worden. Obwohl dies an den langfristigen Verschuldungsrisiken praktisch nichts ändert, haben laut KfW-Mitteilung im ersten Halbjahr mit 37.500 Anträgen „mehr als doppelt“ so viele Menschen das Angebot wahrgenommen als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres.
So soll und wird es weitergehen. Wie Karliczek heute ankündigte, wird die „Zinsfreiheit“ auf das gesamte Jahr 2021 ausgedehnt. Pflichtschuldig verwies die Ministerin in diesem Zusammenhang auf die Hilfen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG), „das wichtigste Instrument zur Studienfinanzierung“. Man hätte in dieser Legislaturperiode und in der Pandemie „schon viele Verbesserungen und Erleichterungen vorgenommen, mit dem Ergebnis, dass die Studierenden im Schnitt höhere Förderung erhalten“. Daher empfehle sie den Studenten, zunächst mögliche Ansprüche zu prüfen und gegebenenfalls geltend zu machen, „bevor sie auf unsere Überbrückungshilfen oder den KfW-Studienkredit zurückgreifen“.
Ein bisschen weniger Bürokratie
Zur Wahrheit gehört indes, dass trotz der jüngsten BAföG-Reform von 2019 der Kreis der Leistungsempfänger auf unter zwölf Prozent gesunken ist, was eher gegen die Attraktivität des Angebots spricht. Überhaupt beweist Karliczek immer wieder ihr gestörtes Verhältnis zur Realität. Nach vier Monaten Förderung stampfte sie die Ü-Hilfe Ende September kurzerhand ein. Während allenthalben vor einer zweiten Welle gewarnt wurde, tat sie so, als wäre die Pandemie schon überstanden. Die Aussetzung sei erfolgt, „weil im Sommer deutlich weniger Anträge eingegangen waren“, begründete sie den Schritt am Freitag.
Insgesamt wurden die Hilfen bis dato 150.000 mal an insgesamt 120.000 Bedürftige ausgezahlt. Bekommen hat sie nur, wer nachweislich erst durch die Pandemie in eine Notlage geraten ist. Wer davor schon mittellos war, ging leer aus. Vom Grundsatz her ändert sich daran auch mit der Neuauflage nichts. Allerdings wurden auf Druck des Deutschen Studentenwerks, in dessen Zuständigkeit einmal mehr die Umsetzung des Programms steht, gewisse Erleichterungen bei den Antragsmodalitäten vorgenommen.
So sind neuerdings nur noch die Kontoauszüge des Vor- sowie des aktuellen Monats bis zum Vortag der Antragstellung zum Beleg einer Bedürftigkeit vorzuweisen und nicht mehr wie bisher weiter zurückreichend. „Das macht es für die Studierenden einfacher, ihre pandemiebedingte Notlage nachzuweisen“, bekräftigte DSW-Generalsekretär Meyer auf der Heyde. Außerdem könnten Studierende nun mit Selbsterklärungen dokumentieren, „dass ihnen entweder pandemiebedingt der Nebenjob gekündigt wurde oder sie sich erfolglos um Nebenjobs beworben haben“.
Nur mäßige Begeisterung
Das macht es vor allem für Erstsemester leichter, an Fördergelder zu gelangen. Diese verfügten zum Studienstart in aller Regel noch gar nicht über einen Nebenjob, den sie in der Notsituation hätten verlieren können. Entsprechend seien Studienneulinge bislang extrem benachteiligt gewesen, bemerkte DSW-Pressesprecher Stefan Grob am Freitag im Gespräch mit Studis Online. „Jetzt genügt es, wenn sie per Selbsterklärung darlegen können, dass sie wegen der mit dem zweiten Shutdown wieder zugespitzten Lage auf dem Arbeitsmarkt keinen Job finden konnten oder die elterliche Unterstützung krisenverschuldet gekürzt oder gestrichen wurde.“
Ob und inwieweit diese Änderungen die Quote der Antragsbewilligungen erhöhen wird, muss man abwarten. Tatsächlich waren bei der ersten Auflage von 244.000 korrekt eingereichten Anträgen mehr als ein Drittel abgelehnt worden. Hinzu kamen noch weit über 150.000 gescheiterte Versuche wegen „fehlerhafter“ oder „unvollständiger“ Angaben. Kritiker monierten deshalb auch die zu hohen bürokratischen Hürden sowie die zu geringen Auszahlungsbeträge. Mit dem Höchstsatz von 500 Euro ließe sich mithin nicht einmal die monatliche Miete bezahlen, beklagte etwa der „freie zusammenschluss von student*innenschaften“ (fzs).
Wirklich glücklich ist man bei dem bundesweiten studentischen Dachverband auch mit den Nacharbeiten nicht. „Es gibt ein paar wenige kleine Verbesserungen, aber insgesamt bleibt das Paket völlig unzureichend“, befand fzs-Vorstandsmitglied Iris Kimizoglu gegenüber Studis Online. Nach wie vor müsse man sich in einer „extremst existenzbedrohenden Situation“ befinden, um eine Bewilligung zu erhalten. Der Maximalbetrag von 500 Euro stehe weiterhin nur jenen zu, die zum Antragszeitpunkt weniger als 100 Euro besäßen. „Wer nicht quasi bettelarm ist, wird hängen gelassen oder dazu gezwungen, mit dem KfW-Kredit in die Schuldenfalle zu tappen.“ Ihr Vorstandkollege Jonathan Dreusch ergänzte in einer Medienmitteilung: „Die Aussage der Ministerin, man lasse niemanden allein, ist vor diesem Hintergrund reiner Hohn.“
Kein Deckel mehr
Wie der fzs hatte auch das DSW empfohlen, die Unterstützung im Rahmen des BAföG zu institutionalisieren. Entsprechend betonte Meyer auf der Heyde noch einmal, dass es eine strukturelle Armut unter den Studierenden gebe, „die schon vor der Pandemie virulent war“. Die Betroffenen wären „in einer dauerhaft prekären Notlage“. Für sie brauche es dringend „eine strukturelle Reform der Studienfinanzierung, über das BAföG. Und im BAföG brauchen wir einen Notfallmechanismus für Pandemien.“ Kimizoglu forderte ferner, die Modalitäten des KfW-Kredits an die des BAföG anzupassen. „Die Fördersumme muss zur Hälfte als staatlicher Zuschuss gewährt werden und komplett zinsfrei gestellt werden.“
Apropos Deckel: Während die Ü-Hilfe in der ersten Version mit einem Fördervolumen von 100.000 Millionen Euro ausgestattet war, soll Version zwei nach oben hin offen sein. Die nach Abzug aller Verwaltungskosten noch verbliebenen schätzungsweise 25 Millionen Euro im Topf werden also je nach Bedarf aufgestockt. Geblieben ist dagegen das Online-Tool zur Ü-Hilfe. Unter überbrückungshilfe-studierende.de lassen sich die Zuschüsse seit dem heutigen Freitag wieder beantragen. (rw)
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