BAföG-Statistik 2020Absolut mehr BAföG – aber für immer weniger Auszubildende
Die Ausgaben steigen, doch es profitieren immer weniger Studierende vom BAföG
Insgesamt wurden 2020 pro Monat im Schnitt noch 429.000 Schüler*innen und Studierende gefördert (nach 435.000 im Jahr davor). Bei Studierenden sind es 2020 im monatlichen Schnitt noch 321.000 gewesen, ein leichtes Plus von 1,3% (wahrscheinlich Corona-bedingt). Bei den Schüler:innen ging es dagegen um drastische 9,2% zurück. Vor fünf Jahren, also 2015, erhielten noch 401.000 Studierende BAföG – wobei damals die Studierendenzahlen noch etwas niedriger als 2020 lagen. Und vor 30 Jahren – 1991 – wurden im Monatsschnitt sogar 442.000 Studierende gefördert …
Die Zahl der geförderten Personen im gesamten Jahr (egal wie lange) ist dagegen weiter deutlich gefallen: Bei Studierenden von 489.313 auf 465.543 (-4,9%), bei Schüler:innen von 190.844 auf 173.526 (-9,1%).
Ein Detail der Statistik zeigt ein Problem des BAföGs: Während die Zahl der Vollgeförderten um 5,2% sank, ging die Zahl der Teilgeförderten sogar um 6,9% zurück. Wer sich also nicht so sicher sein kann, ob überhaupt Förderung drin ist, scheut noch stärker einen Antrag – nicht ganz verwunderlich. Vor allem, wenn dann wieder Jahre ohne Erhöhung anstehen könnten (wie zwischen 2002 und 2008 und 2010 und 2016).
Die BAföG-Gefördertenquoten können wir nicht genau angeben, da wir weder den genauen Berechnungsweg der Jahres-Studierendenzahl für den BAföG-Bericht kennen noch die Berechnung der Anspruchsberechtigten. Eine Abschätzung ist aber möglich. Bezogen auf alle Studierende erhalten nur ca. 11% noch BAföG und selbst bei den „Anspruchsberechtigten“ dürften es deutlich unter 19% sein.
Die Entwicklung der BAföG-Statistik 2015-2020 | ||||||
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Was? | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 |
Studierende (gesamt) in Tsd. | 2.654 | 2.709 | ~2.746 | ~2.763 | ~2.785 | ~2.838 |
Anspruchsberechtigte in Tsd. | 1.706 | 1.709 | >1.709 | >1.709 | >1.709 | >1.709 |
BAföG-Geförderte in Tsd. | 401 | 377 | 364 | 338 | 317 | 321 |
Gefördertenquote (alle Studierende) | 15,1% | 13,9% | ~13,3% | ~12,2% | ~11,4% | ~11,3% |
Gefördertenquote (Anspruchsberechtigte) | 23,5% | 22,1% | <21,3% | <19,8% | <18,5% | <18,8% |
Gesamtausgaben in Mio. € | 2.158 | 2.099 | 2.181 | 2.002 | 1.955 | 2.211 |
Die nächste BAföG-Reform kommt … irgendwann
Das 26. BAföG-Änderungsgesetz, dass beginnend mit dem Wintersemester 2019/20 die Freibeträge und Bedarfssätze deutlich erhöht hat, sollte laut den Verlautbarungen der Bundesbildungsministerin den Kreis der BAföG-Bezieher*innen im Jahresschnitt um 100.000 ausweiten. Daraus ist nichts geworden. Das hat inzwischen selbst Bundesbildungsministerin Schavan erkannt – wobei die anstehenden Bundestagswahl zur Ankündigung von vagen Verbesserungen sicher beigetragen hat.
Dass erstmals seit Jahren die BAföG-Ausgaben gestiegen sind, ist in Corona-Zeiten wenig verwunderlich. Sonderlich hoch waren die Steigerungen auch nicht – und bei den Schüler:innen ist davon auch gar nichts angekommen. Deutliche Verbesserungen des Schüler-BAföGs sind also wohl noch ein weiteres nötiges Detail.
Der Ruf des BAföG hat jedenfalls definitiv gelitten: Die Erhöhung 2019/2020 war eigentlich so hoch, dass eine Erhöhung des Gefördertenzahlen problemlos hätte erreicht werden können. Dass vor allem der Anteil der Teilgeförderten weiter besonders stark sinkt, deutet darauf hin, dass viele – auch fälschlich – annehmen, sowieso nicht gefördert werden zu können. Zu viele haben offenbar in der Vergangenheit beantragt und (knapp) kein BAföG erhalten, dass sich diese Erzählung stark verbreitet hat. Hinzu kommt, dass seit praktisch zwei Jahrzehnten relativ große Erhöhungen von vielen Jahren ohne jede Erhöhung abgelöst werden. Wie soll sich also jemand auf das BAföG verlassen?
Hinzu kommen weitere Probleme beim BAföG, sei es die Fixierung auf die Regelstudienzeit (die in der Realität von den meisten nicht zu schaffen ist), die Forderung nach Leistungsnachweisen (vor allem die Tatsache, dass bei Verfehlen ein Aufholen praktisch unmöglich ist) und diverse andere Details. Und wenn man ein ganz großes Fass aufmachen will: Unterhaltsrecht, BAföG und gesellschaftliche Realität passen oft auch nicht mehr so gut zusammen.
Klar ist also: die nächste Reform wird kommen. Nur wann? Nach der Bundestagswahl am 26. September 2021 sind eher lange Koalitionsverhandlungen zu erwarten. Erst danach, also irgendwann 2022 würde es einen ersten Gesetzentwurf geben, der müsste diskutiert werden etc. Und dann steht ja noch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an – das vom Bundesverwaltungsgericht angerufen wurde in Sachen BAföG. Das könnte von manchen auch zum Anlass genommen werden, erstmal zu warten. Am besten wäre eine schnelle Erhöhung der Freibeträge und Bedarfssätze und dann noch eine grundlegendere Reform – die dann unter Berücksichtigung einer etwaigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und möglichst mit einem Mechanismus den BAföG-Bedarf „automatisch“ regelmäßig anzupassen ohne neues Gesetz. Neben diversen weiteren Details, die verbessert werden sollten.
Reaktionen auf die BAföG-Statistik
Bundesbildungsministerin Karliczek pickt sich die positiven Zahlen aus der Statistik („Dass der durchschnittliche Förderungsbetrag erneut gestiegen ist, freut mich sehr und sollte die Attraktivität des BAföG noch einmal unterstreichen.“). Wie sie allerdings im Angesicht von Jahre lang sinkender Gefördertenquote (und auch absolut sinkenden Gefördertenzahlen) davon sprechen kann, sie wolle „noch mehr Menschen erreichen“? Auch dass das BAföG „moderner und noch attraktiver“ gemacht werden solle, erscheint fast schon lächerlich.
Der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) betont dagegen, „[d]ass die Förderquote 2020 erneut um 6% gesunken ist, während hunderttausende Studierende wegen der Pandemie zusätzlich in Geldnot geraten sind." Weiter äußerte Carlotta Kühnemann (fzs Vorständin): „Die starke Rückläufigkeit der Teilförderungen zeigt zudem, dass man schon ziemlich arm sein muss, um überhaupt noch BAföG zu erhalten“. Ihr Kollege Jonathan Dreusch wirft der Bundesbildungsministerin vor, vor allem auf die gestiegene durchschnittliche Bedarfssatzhöhe einzugehen („die für viele trotzdem nichtmal annähernd zum Leben reicht“) und damit die Zahlen zu schönen. „Hier wird ideologische Politik auf den Rücken von Millionen Studierenden betrieben, weil eine Abkehr der aktuellen Förderlogik auch eine Abkehr vom konservativen Familienbild bedeuten würde.“
Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde, nimmt ganz diplomatisch die Ankündigung der Bundesbildungsministerin auf, das BAföG weiterentwickeln zu wollen. In einer Pressemitteilung schreibt er, „Die Umsetzung muss nach der Regierungsbildung nun allerdings unmittelbar erfolgen, um das BAföG zum fünfzigjährigen Jubiläum wieder zum grundlegenden Instrument der Studienfinanzierung zu machen, das breiter in die Mittelschicht hineinreicht.“ Er erinnert an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, in dem die Ermittlung der BAföG-Sätze bemängelt wurde und fordert eine regelmäßige empirische Erhebung des Bedarfs. Weiter nennt er „eine deutliche Anhebung der Freibeträge und der Bedarfssätze, eine Verlängerung der Bezugsdauer über die Regelstudienzeit hinaus sowie die Vereinfachung und Digitalisierung des BAföG-Antrags“.