Massig Geld für null ErtragKritik an BAföG-Jubiläumskampagne
50 Jahre BAföG – und das Ministerium verschwendet Geld für eine wenig sinnvolle Jubiläumskampagne
Anja Karliczek (CDU) steht vor einer Wand, im dunklen Kostüm, in der Hand eine Graffitispraydose. Dann legt sie los, sprüht mit Schmackes gegen eine Schablone, wozu man die Bundesbildungsministerin sagen hört: „Wir möchten allen jungen Menschen einen guten Start in ihre berufliche Zukunft ermöglichen, egal ob sie sich für eine Ausbildung oder ein Studium entscheiden.“ Gleich ist ihr Werk fertig, noch ein paar Sprüche von wegen „Herzensangelegenheit“ und „Für euch, für uns, für unsere gemeinsame Zukunft“, bis schließlich auf weißem Grund ein knallrotes BAföG-Logo in Herzform prangt. Zum Schluss noch ein knackiger Slogan: „Mach deiner Zukunft einen Antrag!“ – aus, Ende, vorbei.
Wie viel genau dieser 41-Sekunden-Spot gekostet hat, ist nicht überliefert. Bekannt sind allerdings die Gesamtausgaben, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für seine diesjährige Kampagne zum 50jährigen Bestehen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes locker gemacht hat. Dabei kommen einmal knapp über 1,4 Millionen sowie für begleitende „Fachinformationen“ weitere 256.000 Euro zusammen. Macht insgesamt über 1,6 Millionen Euro. In Erfahrung gebracht wurden die Zahlen mittels Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) über die Plattform FragDenStaat.
Zielgruppe verfehlt
Aber ist es die Summe nicht wert, wenn es ein so historisches Jubiläum zu feiern gibt? Eigentlich schon, meint man beim „freien zusammenschluss von student*innenschaften“ (fzs). „Gute Kampagnenarbeit kostet Geld, das ist uns bewusst“, äußerte der Vorstand des bundesweiten studentischen Dachverband in einer Medienmitteilung vom Montag. Nichts halten die Studierendenvertreter jedoch davon, wenn Geld für Maßnahmen verpulvert wird, von denen die Betroffenen – also Studierende und Azubis und solche, die es werden wollen – gar nichts haben. Zumal höchst fraglich ist, ob sie überhaupt etwas davon mitbekommen. Die Gelder seien „komplett fehlgeleitet eingesetzt worden“, befand denn auch Franziska Chuleck, die die Anfrage initiiert hat.
Zum Beispiel wurden diverse regionale und überregionale Tageszeitungen mit einer Auflage von 6,5 Millionen am 25. März 2021 mit einem Beileger zum Thema ausgeliefert. Das allein schlug laut der vom BMBF veröffentlichten Aufstellung mit fast 780.000 Euro zu Buche, also mit mehr als der Hälfte des Gesamtbudgets. Aber müsste die Bundesregierung nicht wissen, dass junge Menschen ihre News heutzutage vorwiegend über digitale Medien und kaum oder gar nicht aus gedruckten Presseorganen beziehen? Das sollte, so Chuleck, „mittlerweile auch im BMBF angekommen sein“.
BMBF hinterm Mond
Oder auch nicht. Wobei: Ganz durchgerutscht ist den Verantwortlichen die Internetaffinität der jungen Generation dann doch nicht. Für die „Erstellung und Schaltung von Social-Media-Posts“ hatte man immerhin über 19.000 Euro übrig. Allerdings war dies unter allen genutzten Kommunikationskanälen der mit Abstand billigste Posten. Schon für die Entwicklung von Schlüsselbildern (Key Visual) und des Jubiläumsmotivs (BAföG-Herz in Kombination mit der Zahl 50) wurde mehr als das Doppelte fällig (rund 45.000 Euro).
Das freut freilich die Macher des Ganzen von der Berliner PR-Agentur Kompaktmedien, die auf ihrer Webseite die Elemente der Kampagne aufschlüsselt. Verwiesen wird etwa auf eine „Landingpage“, die „Erfolgsgeschichten von BAföG-Geförderten aus fünf Jahrzehnten präsentiert“ sowie auf den „digitalen Jubiläumstalk“ mit Karliczek, bei dem sich die Ministerin am 25. März mit früheren und aktuellen Empfängern der Sozialleistung austauschte. Außerdem seien im Rahmen eines „Out-of-Home-Flights“ vom 5. bis 18. April bundesweit „Infoscreens und Station-Videos“ im öffentlichen Personennahverkehr bespielt worden.
Absturz der Förderzahlen
Ob bei all dem auch etwas hängen geblieben ist? Beim fzs bezweifelt man das. „Statt gut gemachter Informationen dazu, wie das BAföG überhaupt funktioniert“, habe die Kampagne aus praktisch nur einer Botschaft bestanden: „Das BAföG wird 50!“ Bei 1,6 Millionen Euro „ist das viel zu wenig“, monierte Vorstandsmitglied Marie Müller. „Dieses Geld hätte anderweitig sicher besser investiert werden können, zum Beispiel in die Corona-Überbrückungshilfe für Studierende, die mit höchstens 500 Euro im Monat nicht annähernd zum Überleben reicht“, ergänzte ihre Amtskollegin Lone Grotheer. Das Ministerium betreibe „reine Eigenwerbung“, mit der verdeckt werden solle, welche Fehler und Versäumnisse es unter Karliczeks Führung zu verantworten habe.
Zur Erinnerung: Die CDU-Politikern hatte versprochen, mit ihrer 2019 in Kraft getretenen 26. BAföG-Novelle eine „Trendumkehr“ bei den Gefördertenzahlen herbeizuführen. Tatsächlich sind seither weitere 88.000 Abgänge von Studierenden und Schülern zu beklagen. Von allen Studierenden erhalten aktuell weniger als elf Prozent staatliche Hilfe. Nie zuvor war die Quote mickriger. Für die Zeit nach der Bundestagswahl hat die Ministerin Nachbesserungen angekündigt, zum Beispiel eine Abkehr von den starren Altersgrenzen oder Förderzeiträume, die über Regelstudienzeit hinausgehen sollen. Auch wolle man das Aufstiegs-BAföG ausbauen, das sich an bereits Berufstätige richtet und speziell Existenzgründungen erleichtern soll.
Image statt Substanz
Apropos: Tatsächlich ließ Karliczek einen gesonderten Spot zum Aufstiegs-BAföG produzieren, der regelrecht informativ daherkommt, indem er alle Förderlinien und den Kreis der möglichen Profiteure klar benennt. Zeigt das vielleicht, wo beim BMBF die Prioritäten liegen? Bei den Studierenden jedenfalls nicht: Das Video zum BAföG-Jubiläum „Damals und heute“ präsentiert dagegen eine Ansammlung von schönen Bildern und nichtssagenden Plattitüden, die im kontrafaktischen Narrativ gipfeln: „Die Zeiten ändern sich. Chancengerechtigkeit bleibt.“ Kompaktmedien hat das Stück sehr treffend betitelt: „Imagefilm.“
Der fzs wünscht sich statt dessen Substanz. Als Teil des Bündnisses „50 Jahre BAföG – (K)ein Grund zu feiern!“ fordert er gemeinsam mit Parteijugendverbänden und Gewerkschaften eine umfassende Reform der Ausbildungsförderung, die ins 100-Tage-Programm der neuen Bundesregierung gehöre. „Eine Rückkehr zum Vollzuschuss, die drastische Anhebung der Elternfreibeträge und die Entkopplung der Förderungshöchstdauer von der Regelstudiendauer sind zentral, um das BAföG wieder zu einem Instrument der Chancengleichheit im Bildungssystem umzugestalten.“ (rw)