22. BAföG-BerichtZahl der BAföG-Geförderten auf Tiefstand, Hoffen auf BAföG-Reform

Der BAföG-Bericht enthält wieder eine Menge Zahlen – doch welche Schlussfolgerungen zieht die Politik daraus?
Der BAföG-Bericht wurde kurz vor Weihnachten vom Bundeskabinett beschlossen, er wurde noch von der alten Bundesregierung erarbeitet. Er muss dann noch dem Bundestag als Drucksache vorgelegt werden und ist dann als Bundestagsdrucksache einsehbar. Letzteres ist noch nicht der Fall, der Bericht ist inzwischen aber beim BMBF downloadbar (auch wenn bisher eher versteckt …).
1. Gefördertenquote auf neuem Tiefstand – und nur noch knapp 60% überhaupt anspruchsberechtigt
Das BAföG wurde zwar zwischen 2019 und 2021 in mehreren Stufen deutlich erhöht. Doch der Ruf des BAföG hat nach mehreren langen Zeiten ohne Anpassung (2002 bis 2008 und 2010 bis 2016, dann wieder drei Jahre) offenbar deutlich gelitten, die Förderquoten sind dennoch gesunken. Dass sie 2020 fast stabil blieben, lag sogar weniger an der BAföG-Erhöhung als vielmehr der in allen Bundesländern beschlossenen Verlängerung der individuellen Regelstudienzeit, die sich auch positiv auf das BAföG auswirkt, weil entsprechend länger BAföG bezogen werden kann als Ausgleich für die Corona-bedingten Schwierigkeiten im Studium (Ausfall Präsenzunterricht, Praktika, Schwierigkeiten bei Umstellung auf Online-Lehre etc.).
Die Gefördertenquote lag 2020 bezogen auf alle Studierende nur noch bei 11,2%, bezogen auf die Anspruchsberechtigten 18,5%. Insgesamt waren 2019 (vor der Pandemie) nur noch knapp 60% der Studierenden überhaupt Anspruchsberechtigt. Denn alle, die schon von vornherein gar nicht für BAföG in Frage kommen (beispielsweise durch die Altersgrenze, Teilzeitstudium, Zweitstudium, Dauer des Studiums, zu spätem Leistungsnachweis), fallen hier schon weg.
Da aus unserer Sicht das BAföG Studierende in allen Lebenssituationen fördern sollte und ein Ausschluss von so vielen Studierenden (40%) eher zeigt, dass das BAföG reformbedürftig ist, ist die „offizielle“ Förderquote nicht ausreichend. Wir haben daher immer schon auch die Gefördertenquote bezogen auf alle Studierende ausgerechnet.
Dass der Anteil der Anspruchsberechtigten 2020 stieg, lag übrigens allem an der Verlängerung der individuellen Regelstudienzeiten in allen Bundesländern. Sinnvoll erscheint es, die Förderungsdauer beim BAföG insgesamt zu verlängern, nicht nur in solchen Sondersituationen.
Hier im Überblick erstmal die wichtigsten Kennzahlen. Im Anschluss noch ein paar interessante Details beispielsweise zur Entwicklung der Förderhöhe und der Preisentwicklung.
2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | |
Studierende (gesamt) in Tsd. | 2.579 | 2.654 | 2.709 | 2.755 | 2.788 | 2.811 | 2.841 |
Anspruchsberechtigte in Tsd. | 1.696 | 1.706 | 1.709 | 1.704 | 1.696 | 1.686 | 1.740 |
BAföG-Geförderte in Tsd. | 425 | 401 | 377 | 364 | 338 | 317 | 321 |
Gefördertenquote (alle Studierende) | 16,5 | 15,1 | 13,9 | 13,2 | 12,1 | 11,3 | 11,3 |
Gefördertenquote (Anspruchsberechtigte) | 25,0 | 23,5 | 22,1 | 21,4 | 20,0 | 18,8 | 18,5 |
Ausgaben für Studi-BAföG in Mio. € | 2.249 | 2.192 | 2.071 | 2.182 | 1.991 | 1.908 | 2.107 |
Die Angaben zu den Ausgaben stimmen nicht genau mit denen voriger Berichte überein und wurden möglicherweise später korrigiert. Im aktuellen Bericht wird erläutert: „Inklusive des von der KfW für den Bund geleisteten Darlehensanteils und ohne die hierfür vom Bund an KfW geleisteten Zinsen“. Wer noch älteren Zahlen (ausgewählte ab 1972; alle seit 2000) einsehen will: BAföG-Statistik-Tabellen
2. BAföG vs. Verbraucherpreise
Im BAföG-Bericht werden traditionell auch die Entwicklung der Verbraucherpreise und der BAföG-Bedarfssätze über längere Zeiträume ins Verhältnis gesetzt. Wie beim letzten BAföG-Bericht wird das Jahr 2000 als Ausgangspunkt genommen. Das schönt allerdings die Entwicklung. Das BAföG war in den 1990ern ziemlich heruntergewirtschaftet worden, erst mit der Reform 2001 gab es mit einer starken Steigerung der Bedarfssätze und positiven Änderungen wie der Festlegung der Schuldenobergrenze von 10.000 € eine Art Neustart.
Kurz: Im Bericht wird mit einem Jahr begonnen, in dem das BAföG definitiv zu niedrig ausgefallen war und will dann mit der folgenden Kurve zeigen, dass das BAföG sich doch so gut wie immer oberhalb der Kurve der Preisentwicklung gehalten habe. Das sieht natürlich schön aus, blendet aber aus, dass das BAföG zu Beginn zu niedrig war. Davon abgesehen dass der allgemeine Preisindex zwar für die Gesamtbevölkerung im Schnitt zutrifft, für Studierende aber zu gering ausfällt, da der Anteil der (allgemein überdurchschnittlich stark steigenden) Miete höher ausfällt.
Wir haben daher die Grafik von Seite 62 aus dem Bericht neu berechnet mit Basisjahr 2001. Und schon sieht die Sache ganz anders aus:
Wie in der Grafik zu sehen ist, ist das BAföG erst mit der 2019er-Reform wieder in einem Bereich, der die Preisentwicklung wirklich widerspiegelt. Dass das BAföG nun vermeintlich deutlich darüber liegt, ist durchaus zu relativieren: Wie schon erwähnt zahlen Studierende anteilig deutlich mehr für Miete und die ist gerade in den Großstädten in den letzten Jahren stärker angezogen.
Die vielen Jahre ohne Erhöhung in den letzten zwei Jahrzehnten dürften aber bei vielen das Vertrauen ins BAföG beschädigt haben. Eine jährliche, automatische Erhöhung (wie beispielsweise bei den Förderungen in den Niederlanden üblich) scheint da eine fast schon unumgängliche Maßnahme, um das BAföG wieder als verlässliche Quelle der Studienfinanzierung bei Studierenden und Schüler:innen zu verankern.
3. Ausblick: Die Hoffnung stirbt zuletzt
Die neue Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) hatte in ihrer letzten Pressemitteilung vor Weihnachten bedauert, dass der BAföG-Bericht weiter fallende Gefördertenzahlen zeige. Sie sagte, dass könne so nicht hingenommen werden und sie wolle „dem BAföG deshalb so schnell wie möglich einen Schub geben“. Sie erwähnte die im Koalitionsvertrag erwähnten Maßnahmen zum BAföG und schloss mit den Worten: „Das alles werden wir schnell anpacken und erste wichtige Schritte schon zum Wintersemester 2022/23 umsetzen.“
Es besteht also durchaus Hoffnung auf eine große BAföG-Reform, deren erster Teil schon dieses Jahr kommen könnte. Offen bleibt aber vorerst, wieviel Geld die Regierung dafür zur Verfügung stellen wird. Verteilungskämpfe zwischen den verschiedenen Ressorts dürften kaum ausbleiben, vor allem da Mehreinnahmen nur durch Streichung von Subventionen denkbar wären (was auch immer zu Unmut bei den jeweiligen Betroffenen führt und daher selten wirklich durchgezogen wird). Steuererhöhungen sind ja eigentlich ausgeschlossen …
Damit also wirklich etwas passiert, hatten unter anderem der studentische Dachverband fzs letztes Jahr die Kampagne „50 Jahre BAföG - kein Grund zu feiern“ gestartet, um die Forderungen vor allem aus studentischer Sicht präsent zu machen. Auch das Deutsche Studentenwerk hatte immer wieder deutliche Verbesserungen angemahnt und selbst die Hochschulrektorenkonferenz forderte Verbesserungen und verabschiedete schon im April 2021 ein Forderungspapier.
Bleibt also zu hoffen, dass sich die Bildungspolitiker:innen nicht zu früh bremsen lassen und die nötigen Finanzen bereitgestellt werden.
Weitere interessante Aspekte rund um den BAföG-Bericht beleuchtet der Bildungsjournalist Jan-Martin Wiarda in seinem Blog-Beitrag Bitte ins Spotlight. So die Frage, warum der Bericht bisher irgendwie versteckt wurde und das Detail, dass im Bafög-Beirat offenbar eine Minderheit eine Erhöhung der Freibeträge, Bedarfssätze und der Wohnkostenpauschalen nicht für notwendig hält.
- 22. BAföG-Bericht (Volltext beim BMBF)
- Stellungnahme des BAföG-Beirates
- Die Geschichte des BAföG von 1972 bis heute (mit Statistik)
Änderungen nach erster Onlinestellung
13.01., 16:25 Uhr: Erläuterungen zu Gefördertenquote bezogen auf alle Studierenden ergänzt.
14.01., 09:48 Uhr: Hinweis auf Beitrag von Jan-Martin Wiarda ergänzt.