BAföG-Statistik 2022BAföG-Reform zum Wintersemester 22/23 ist verpufft
Im Schnitt wurden 2022 pro Monat weniger Menschen gefördert: nur noch 418.585 Schüler*innen und Studierende, ein Rückgang um 2,5%. Bei Studierenden sind es 2022 im monatlichen Schnitt 334.603 gewesen, ein minimales Plus von 0,3%. Bei den Schüler:innen ging es dagegen nochmals überdeutlich zurück, diesmal sogar um 12%.
Die Zahl der geförderten Personen im gesamten Jahr (egal wie lange) ist bei den Studierenden zwar um immerhin 5% auf 489.347 gestiegen. Bei den Schüler:innen ging es weiter bergab von 155.408 auf 140.873 (-9%). Eine Ursache für die starke Abnahme bei den Schüler:innen dürfte weiterhin die seit einigen Jahren bestehende Möglichkeit sein, die Ausbildung zur/zum staatlich anerkannte:n Erzieher:in durch Aufstiegs-BAföG statt Schüler-BAföG gefördert zu bekommen (nach eigener Wahl).
Ein interessantes Detail der Statistik: Diesmal stiegt die Zahl der Vollgeförderten um 13%, die der Teilgeförderten dagegen sank um 11%. Im Vorjahr war es noch umgekehrt, wenn auch jeweils etwas weniger stark.
Die BAföG-Gefördertenquoten für 2022 können wir nicht genau angeben, da wir weder den genauen Berechnungsweg der Jahres-Studierendenzahl für den BAföG-Bericht kennen noch die Berechnung der Anspruchsberechtigten. Eine Abschätzung ist aber möglich. Bezogen auf alle Studierende erhielten 2022 ca. 11,9% BAföG und bei den „Anspruchsberechtigten“ dürften es knapp über 19% sein.
Dass die (wenigen), die BAföG beziehen, pro Person fünf Prozent mehr BAföG erhalten, muss zwangsläufig so sein – schließlich wurde das BAföG erhöht. Setzt man die Inflation dagegen, die deutlich über 5% lag, zeigt das eher: Es ist zu wenig.
Kurze Einschätzung von Oliver Iost
Aller Erfahrung nach wirkt sich eine Verbesserung des BAföGs immer erst mit Verzögerung positiv aus. Da die ursprünglich durchaus großzügige Verbesserung zum Wintersemester 2022/2023 allerdings durch die bei Planung der Reform noch nicht bekannte gewesene Inflation praktisch aufgefressen wurde, war das nur ein Halten des Status Quo. 2023 wird das BAföG unverändert bleiben – trotz weiter hoher Inflation. Damit ist zu erwarten, das die BAföG-Statistik für 2023 weiter sinkende BAföG-Empfänger im Schnitt und auch wieder in der Gesamtzahl ausweisen wird und zwar so deutlich, dass auch die Gefördertenquoten sinken werden.
Wenn es dann noch bei den aktuell bekannten Haushaltsplanungen 2024 bleibt, die deutlich weniger Geld für das BAföG vorsehen (also schon die vorhergesagte niedrigere Quote vorwegnehmen), wird das BAföG wie schon beispielsweise zwischen 2002 und 2008 und 2010 und 2016 weiter ausbluten. Selbst eine Gefördertenquote (über alle Studierende) von unter 10% scheint da für 2025 leider nicht unrealistisch.
Insofern ist dringend zu hoffen, dass der Bundestag bei den Haushaltsentscheidungen im Herbst die geplanten Kürzungen der BAföG-Ausgaben verhindert und so Raum für Verbesserungen am BAföG ermöglicht. Wie ja im Grunde alle fordern, die sich mit dem Thema mehr beschäftigen. Sei es das Deutsche Studierendenwerk (DSW), die Hochschulrektorenkonferenz, der freie zusammenschluss von student:innenschaften (fzs) und so gut wie alle mehr oder weniger parteinahen studentischen Verbände (RCDS [CDU], Jusos [SPD], Campusgrün [Grüne], Liberale Hochschulgruppen [FDP], SDS [Linke]). Letztere hatten sich – ohne den SDS – sogar zusammen mit DSW und fzs zu einer der wenigen gemeinsamen Pressemitteilungen zusammengetan, was sehr selten vorkommt und die Dringlichkeit zeigt.
Die Entwicklung der BAföG-Statistik 2016-2022 (Studierende) | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|
Was? | 2022 | 2021 | 2020 | 2018 | 2016 | |
Studierende (gesamt) in Tsd. | ~2.830 | ~2.850 | 2.841 | 2.788 | 2.709 | |
Anspruchsberechtigte in Tsd. | ~1.750 | ~1.780 | 1.740 | 1.696 | 1.709 | |
BAföG-Geförderte in Tsd. | 335 | 333 | 321 | 338 | 377 | |
Gefördertenquote (alle Studierende) | ~11,8% | ~11,7% | 11,3% | 12,1% | 13,9% | |
Gefördertenquote (Anspruchsberechtigte) | ~19,1% | ~18,7% | 18,5% | 20,0% | 22,1% | |
Gesamtausgaben in Mio. € | 2.454 | 2.317 | 2.211 | 2.002 | 2.099 |
Reaktionen auf die BAföG-Statistik
Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender Deutsches Studierendenwerk (DSW) freute sich zwar, dass der Sinkflug bei den BAföG-Zahlen etwas gebremst wurde. Er betonte aber auch, dass es ein Fehler sei, wenn die Bundesregierung nun anhand von Prognosen zu sinkenden BAföG-Zahlen die Haushaltsmittel einfach runterfahre. Er ergänzt: „Nur wenn die Regierung dafür auch im Haushalt 2024 die nötigen Mittel bereitstellt – und nicht wie geplant Haushaltsmittel kürzt! –, ist die Ampel-Koalition ein echtes BAföG-Bündnis, wie es ihr Anspruch ist.“
Und ganz klar beschließt das DSW seine Pressemitteilung mit folgenden Worten (Fettung durch Studis Online): „Wenn aber die geplanten Haushaltungskürzungen im Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für das Jahr 2024 durchkommen, drohen sämtliche BAföG-Versprechen der Bundesregierung zu implodieren. Die Studierende wären dann für die Jahre 2023 und 2024 trotz Inflation, massiv gestiegener Lebensmittelpreise und Mieten mit gleich zwei Nullrunden konfrontiert, und die BAföG-Reform wäre ebenfalls nicht zu finanzieren. Mit weniger Geld kann man nicht mehr Studierende fördern wollen.“
Die Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger pickt sich dagegen in ihrer Pressemitteilung nur die oberflächlich positiv wirkenden Zahlen heraus. Und schreibt: „Ich freue mich sehr, dass sich der Aufwärtstrend bei der Zahl der mit BAföG geförderten Studierenden verstetigt hat.“ Über Die Zukunft des BAföG verliert sie aber kein Wort. Dabei wäre das dringend nötig. Aber es scheint sich zu bestätigen, dass man auf Stark-Watzinger als Verbündete für den Kampf um eine besseres BAföG nicht mehr zählen kann. Traurig …
Der freie zusammenschluss von student:innenschaften (fzs) kommentierte zunächst auf X / Twitter:
13% Anstieg der Vollgeförderten, 11% Absinken der Teilgeförderten: Das #BAföG greift immer stärker nur bei Menschen aus sehr armen Familien, untere Mittelklasse fällt raus. Diese Menschen können sich ohne Unterstützung oft trotzdem kein Studium leisten.
Fürs BMBF „erfreulich“
In einer Pressemitteilung am 7.8. hat sich der freie zusammenschluss von studentInnenschaften dann zusammen mit dem LAT NRW und der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften ausführlicher geäußert. Lone Grotheer erläuterte als Referentin für BAföG und Studentisches Wohnen des fzs: „Dieser Anstieg ist so minimal, dass er kein Lob wert ist. Im Gegenteil zeigt diese Entwicklung in unseren Augen, dass BAföG-Beziehende im Schnitt aus immer ärmeren Verhältnissen kommen, dabei muss das BAföG dringend wieder mehr Studierende erreichen. Die Novellen des letzten Jahres haben also ihr Ziel verfehlt und dass die Ministerin diesen minimalen Aufwuchs des durchschnittlichen Förderbetrags als großen Gewinn feiert, ist fast schon zynisch, wenn währenddessen selbst Studierende, die den BAföG-Höchstsatz bekommen, noch unterhalb der Armutsgrenze leben.“