Kürzen oder NachwürzenBundestag berät BAföG-Haushaltsrezept
Am heutigen Donnerstag ist „Bereinigungssitzung“ im Haushaltsausschuss des Bundestags. Klingt irgendwie nach Großreinemachen? Volltreffer – denn genau darum geht es auch. Wochenlang haben Fachpolitiker hinter den Kulissen über die 2024er-Etatpläne der einzelnen Bundesministerien verhandelt. Im Bestreben, mehr Geld für dieses oder jenes Programm herauszuholen, an dieser oder jener Stelle umzuschichten oder Mittel für ein gänzlich neues Projekt zu mobilisieren, wurde im Parlament gerungen, erörtert und gefeilscht.
Wie üblich bis weit nach Mitternacht wird das Treffen wohl auch dieses Mal gehen, bevor das Ergebnis am Freitagmorgen feststeht. An diesem ist dann kaum noch zu rütteln. Was auf der Endabrechnung steht, wird als Beschlussempfehlung an das Plenum weitergegeben und in aller Regel eins zu eins in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Die auf die letzte Novemberwoche datierten viertägigen Beratungen im Reichstag bieten vielleicht noch einmal Anschauungsunterricht in Sachen Streitkultur. In der Sache ändern dürfte sich dabei nichts mehr.
Ergänzung am 16./17.11.2023
Beratungen werden offenbar verlängert
Am 15. November 2023 hat das Bundesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt 2021 für verfassungswidrig erklärt. Das wirkt sich auch auf die Planungen für 2024 aus, denn so fehlen nun Gelder (genauer: Kreditermächtigungen) im Klima- und Transformationsfonds (KTF), von denen ein Teil auch 2024 verwendet werden sollte. Da dies so nun nicht mehr möglich ist, muss entschieden werden, was stattdessen geschehen soll.
Im Grunde ist durchaus fraglich, ob nun der geplante Haushalt 2024 überhaupt beschlossen werden kann oder nicht größere Änderungen erforderlich sind, die mehr Zeit erfordern. Kurzfristig hat die Koalition lediglich verkündet, dass das Beratungsverfahren nicht mit der heutigen Bereinigungssitzung abgeschlossen, sondern der Beschluss des Haushaltsausschusses erst in einer Woche erfolgen soll. Das hört sich einerseits nicht danach an, also ob wirklich wesentliches nach der heutigen (bis wohl in den Freitagmorgen dauernden) Sitzung geändert werden würde – aber so wirklich klar ist das nicht.
Wir bleiben dran …
17.11.2023: Kürzung gekürzt: BAföG-Etatposten 2024 wird um 150 Millionen weniger gekürzt
Vielsagend Nichtssagendes
Für die Studierenden in Deutschland wird es vor allem in einer Frage spannend: Bleibt es bei den Kürzungen bei der Bundesausbildungsförderung (BAföG), wie sie nach dem ersten Budgetansatz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vorgesehen waren. Oder werden doch noch finanzielle Spielräume geschaffen, um die Leistungen der Anspruchsberechtigten kurzfristig aufzubessern oder gar eine umfassende BAföG-Strukturreform auf den Weg zu bringen.
Schließlich hatte BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im Kontext ihrer BAföG-Novelle vom Herbst 2022 wiederholt einen zweiten, noch größeren Wurf beim BAföG in der laufenden Legislaturperiode versprochen. Sehr lange hat man von ihr dazu aber kein Wort mehr gehört. Vor einem Monat hieß es von ihrem Ministerium reichlich nichtssagend: „Wir haben die Reform des BAföG unverändert im Blick.“ In welchem Rahmen sich diese bewegen werde, „hängt von den haushälterischen Bedingungen ab“.
Immer weniger Begünstigte
Allerdings ist aus den fünfwöchigen Beratungen unter Federführung des Haushaltsausschusses nichts an die Öffentlichkeit gedrungen, was auf Bewegung beim BAföG hindeuten würde. Weder beim Deutschen Studierendenwerk (DSW) hat man davon Kenntnis, noch bei der Bundestagsfraktion Die Linke. Auf weitere Anfragen von Studis Online bei der Grünen- und der SPD-Fraktion gab es erst gar keine Reaktion. Das BMBF ließ abermals verlauten, die Beratungen seien noch „nicht abgeschlossen“. Das macht zweierlei denkbar: Entweder haben die befassten Gremien bombendicht gehalten und bescheren am Freitag eine schöne Überraschung. Oder, was wahrscheinlicher erscheint: Die Kürzungen haben Bestand.
Der Stand am Anfang war: Der Posten sinkt 2024 im Vergleich zum laufenden Jahr um 650 Millionen Euro. Für das Schüler-BAföG stehen demnach 212 Millionen Euro, für Studierende 440 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Dem liegen Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT) zugrunde, wonach die Gefördertenzahlen weiter zurückgehen werden – also noch unter das Niveau von aktuell rund elf Prozent aller knapp 2,9 Millionen Hochschüler. Das heißt auch: Der Einzelne bekommt nicht weniger, es gibt nur immer weniger, die etwas bekommen.
Nix mit Trendumkehr
Studis Online liegen die FIT-Daten vor. Danach kalkulieren die Forscher für das laufende Jahr mit im Jahresmittel 385.000 geförderten Studierenden, 2024 bloß noch mit 342.000, im Jahr darauf mit 294.000, danach mit 264.000 und 2027 nur mehr mit 233.000 Profiteuren. Von einer „Trendumkehr“, mit welcher Stark-Watzinger schon ihre 2022er-Reform verkauft hatte, kann also keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Reform ist komplett verpufft, so schnell wie davor keine, was natürlich auch mit der Preisexplosion im Gefolge des Ukraine-Kriegs zusammenhängt.
Umso dringlicher ist ein rascher und kräftiger Nachschlag, weil andernfalls immer mehr junge Menschen genötigt sein könnten, ihr Studium aus reiner Geldnot hinzuschmeißen. In einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Aufruf haben deshalb 13 hochschulpolitische Akteure die Ampelregierung und den Bundestag aufgefordert, zügig Abhilfe zu schaffen. Dafür müsse im Bundeshaushalt 2024 eine „spürbare Anhebung der BAföG-Bedarfssätze und die im Koalitionsvertrag zugesicherte BAföG-Strukturreform“ verankert werden.
Bündnis macht Druck
Beteiligt sind an dem Bündnis das Deutsche Studierendenwerk (DSW), die Bildungsgewerkschaft GEW, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), viele Studierendenverbände, die Universitäten Hildesheim und Konstanz und nicht zuletzt die Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Deren Präsident Walter Rosenthal mahnte: „Systematik und Fördersätze des BAföG werden der Lebenswirklichkeit der Studierenden längst nicht mehr gerecht. Das ist nicht nur für alle, die auf diese individuelle Unterstützungsleistung im Studium angewiesen sind, sondern auch gesellschaftspolitisch fatal.“
Im Gespräch mit Studis Online appellierte am Dienstag der DSW-Vorstandsvorsitzende Matthias Anbuhl an Stark-Watzinger: „Vielen Studierenden steht das Wasser finanziell bis zum Hals. Sie brauchen jetzt eine Bundesbildungsministerin, die auch bei schwieriger Haushaltslage für die Studierenden und für ihre eigenen politischen BAföG-Ziele kämpft, auch gegenüber dem Bundesfinanzminister.“ Und deshalb: „Steuern Sie gegen, kürzen Sie nicht die Haushaltsmittel fürs BAföG.“
SPD ganz besorgt
Ein Fingerzeig, wohin die Reise am Donnerstag gehen könnte, ist womöglich die neuerdings sehr eifrige Anteilnahme der SPD für das Thema. In jüngerer Zeit brachten sich die Genossen wiederholt mit Konzept- und Forderungspapieren für eine schnelle und weitreichende Reform im Stellung. Entsprechende Initiativen gab es seitens der Bundestagsfraktion, des konservativen Seeheimer Kreises sowie durch die Parteiführung, die für einen „Deutschlandpakt Bildung“ wirbt.
Bei all dem entsteht der Eindruck, die selbsternannte „BAföG-Partei SPD“ ist versucht, jeden Verdacht einer Mitschuld bei einer abgeblasenen Reform quasi präventiv abzuschütteln. Um dann tönen zu können: „Seht her, was die BMBF-Chefin und ihr Parteifreund Christian Lindner als Bundeskassenwart Schlimmes verbocken. Wir wollten das verhindern, konnten aber nicht.“
Kuhhandel?
Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend. Womöglich schüttelt die Koalition am Ende ja doch ein Ass aus dem Ärmel, um schlechter Presse zu entgehen, etwa eine Minireform, um die BAföG-Fördersätze halbwegs auf die Höhe der Zeit zu bringen. Dafür bräuchte es gar nicht so viel mehr Geld, sofern die Förderzahlen weiter abschmieren wie bisher.
Dann ergäben sich vielleicht sogar bereits 2024, spätestens 2025 Optionen, um die paar wenigen Profiteure, die es dann noch gibt, wenigstens ein bisschen besser zu stellen. Das wäre finanziell kein großes Ding und noch dazu die verheißene Strukturreform vom Tisch. Man kann ja nicht alles haben ... (rw)