Kürzung gekürztBAföG-Etatposten 2024 wird (hoffentlich) um 150 Millionen weniger gekürzt
Der erste Haushaltsentwurf aus dem Sommer 2023 für das Haushaltsjahr 2024 sah für den Bereich des Bundesbildungsministeriums (BMBF) beim BAföG Kürzungen von insgesamt 652 Millionen vor – 440 Millionen bei Studierenden, 212 Millionen beim BAföG für Schüler:innen. Grundlage dafür waren Schätzungen der Gefördertenzahlen auf Basis der erwarteten Studierenden- und Schüler:innenzahlen. In der Tat ist da mit weniger zu rechnen – die Kürzung war aber so groß, dass die Rechnung nur aufgehen konnte, wenn dazu das BAföG unverändert belassen wird. Kein Inflationsausgleich, keine anderen Verbesserungen (von denen noch einige aus dem Koaltionsvertrag offen sind).
In der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, die vom 16. November bis in die Morgenstunden des Folgetages ging, wurden die Kürzung verringert. Doch wie wird das verkauft? „150 Millionen mehr für das BAföG“ heißt es allerorten – auch im Blog des ansonsten immer gut informierten Journalisten Jan-Martin Wiarda. Eigentlich falsch, denn es bleiben 502 Millionen Kürzung. Grund zu großer Freude besteht also nicht, eigentlich nicht einmal zu einer wirklichen Erleichterung.
Aber immerhin: Das Geld soll – so berichtet Wiarda in seinem Blog – für eine BAföG-Novelle zum Wintersemester 2024/25 genutzt werden.
Der endgültige Beschluss des Haushaltes 2024 wird sich jedoch verzögern. Hieß in der vergangenen Woche noch, der endgültige Beschluss im Haushaltsausschuss würde auf den heutigen Donnerstag (23.11.) verschoben und der Bundestag dann wie geplant Anfang Dezember abstimmen, ist das seit gestern obsolet. Wie es genau weitergeht, ist noch offen. Insofern ist auch der hier im Artikel beschriebene Beschluss zum BAföG-Etat noch nicht in trockenen Tüchern. Allerdings spricht doch einiges dafür, dass daran eher nicht gerüttelt wird – siehe den folgenden Absatz zur erwarteten Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur Bestimmung der BAföG-Höhe.
Matthias Anbuhl, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks kommentierte die Entscheidung des Haushaltsausschusses von letzter Woche wie folgt:
„Ein Tagessieg auf einer schweren Etappe, die Tour ist noch nicht gewonnen. Das Parlament sieht die schwierige Lage der Studierenden und stellt 150 Millionen Euro für eine BAföG-Reform zum Wintersemester 2024/2025 bereit.
Eine BAföG-Nullrunde 2024 kann damit abgewendet werden, ein mittlerer Wurf im kommenden Jahr ist möglich. Jetzt liegt es an Ihnen, Frau Stark-Watzinger. […]“
(Man kann sich fragen, ob es nicht sogar nur ein kleiner Wurf ist, der damit möglich wird …)
Der studentische Dachverband fzs schrieb noch in der Nacht, er sei „erfreut über die 150 Millionen Euro, die der Haushaltsausschuss für eine Reform des BAföG bereitstellt.“ Allerdings schränkte Niklas Röpke, fzs-Vorstandsmitglied, gleich ein: „Mit 150 Millionen Euro wird studentische Armut nicht überwunden werden können, für eine echte BAföG-Strukturreform brauchen wir mittelfristig deutlich mehr!“ Leider wahr.
Was wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden?
In einer ersten Meldung des Deutschlandfunks zu den Ergebnissen des Haushaltsausschusses hieß es zu den 150 Millionen für das BAföG, damit werde Vorsorge für eine mögliche Neuberechnung des Existenzminimums getroffen. Der Bericht im Blog von Jan-Martin Wiarda bestätigt dies, er zitiert offenbar aus dem Beschluss, demnach soll mit dem Geld die Anpassung des BAföG-Bedarfssatzes an das Existenzminimum und „der Sätze für Unterhaltszahlung infolge der zu erwartenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ finanziert werden. Dieser „Sperrvermerk“ soll demnach auch dafür sorgen, dass das Geld nicht durch eine sogenannten Globale Minderausgabe wieder verschwinden könne.
Zur Einordnung: Das BAföG liegt schon jetzt unter dem Satz des Bürgergeldes – nächstes Jahr wird das noch deutlich stärker sein (da das Bürgergeld ab Januar nochmals deutlich steigt). Das BAföG liegt dann sogar unter dem – im Vergleich zum Bürgergeld deutlich niedrigeren – Satz des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), was im Grunde das absolute Existenzminimum (physisches + soziales) definiert. Dieses sollte auch Studierenden zugestanden werden und mindestens davon gehen inzwischen wohl die meisten aus.
Leistung | 2023 | 2024 |
---|---|---|
Bürgergeld | 502 € | 563 € |
AsylbLG | 410 € | 460 € |
BAföG | 452 € | 452 €* |
Beim Bundesverfassungsgericht muss sich konkret noch mit einer Klage befassen, die den zu geringen BAföG-Satz behandelt. Der Fall liegt zwar Jahre zurück, in der Regel wird bei solchen Gelegenheiten aber oft ein Grundsatzentscheid getroffen, der auch deutlich macht, was heute zu tun wäre. Darauf hoffen bspw. fzs und GEW als Unterstützer:innen der Klage. Der fzs erinnert daran auch in seiner aktuellen Pressemitteilung: „Aktuell liegen die Sätze unter dem Unterhaltsbedarfssatz der Düsseldorfer Tabelle und verletzen damit das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, da sind sich Expert*innen, wie der Anwalt Joachim Schaller, einig. Deshalb ist es wichtig, dass die Mittel für das BAföG nicht nur einmalig 2024 angepasst werden, sondern für 2025 ein weiteres Mal deutlich angehoben werden, um die Finanzierung der anstehenden Reformen zu sichern.“ Gerechnet wird mit der Entscheidung irgendwann 2024.
Unsicherheit bleibt noch
Normalerweise wäre mit dem Beschluss des Haushaltsausschusses die Sachen die Sache faktisch erledigt gewesen. Die noch folgende Bundestagsdebatte zum Haushalt ist eigentlich nur ein Showkampf, den Vorlagen des Haushaltsausschusses (in dem die Koalition ja nur durchwinkt, was sie auch will) wird zugestimmt, die Änderungsanträge der Opposition abgelehnt. Diesmal ist es ein wenig anders, so dass auch die Endabstimmung im Haushaltsausschuss nicht mehr am Ende der langen Sitzung erfolgte, sondern verschoben wurde
Hintergrund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Mitte November 2023, dass gewisse trickreiche Umschichtungen von Kreditermächtigungen (also Schulden auf Vorrat) untersagt hat. Dadurch fehlen Gelder, die eigentlich schon verplant waren. Es gibt verschiedenste Szenarien, wie damit umgegangen werden könnte. Den endgültigen Beschluss des Haushaltes hat die Koalition nunmehr verschoben und wird wohl doch noch Änderungen vornehmen. Der erwähnte Sperrvermerk scheint das Geld für das BAföG zwar recht fest zu machen. Aber letztlich ist aktuell nichts mehr ganz sicher.
Was heißt das nun für das BAföG?
Den Forderungen bspw. des fzs, schon zum Sommersemester 2024 eine Erhöhung beim BAföG zu planen, wird sehr sicher eine Absage erteilt werden. Dafür dürften die vorgesehenen 150 Millionen auch kaum reichen (oder die Erhöhung müsste so klein ausfallen, dass sie langfristig auch wenig Sinn macht). Es wird also wohl auf eine moderate Erhöhung zum Wintersemester 2024/2025 hinauslaufen. Viel mehr dürfte nicht drin sein. Das bleibt traurig. Unter den verschärften Bedingungen nach dem Bundesverfassungsurteil zur Schuldenbremse bzw. dem Umgehen derselben kann man aber leider froh sein, wenn wenigstens das dann so kommen wird.
Möglicherweise hat bis dahin auch das Bundesverfassungsgericht die erwähnte Klage zur BAföG-Höhe endlich entschieden und gibt damit einen deutlichen Wink, wie die BAföG-Höhe künftig bestimmt werden muss. Im allerbesten Fall – auf den man fast gar nicht zu hoffen wagt – würde das vielleicht ähnlich wie beim Bürgergeld endlich dazu führen, dass das BAföG quasi automatisch an die Inflation angepasst werden muss. Das wäre wirklich erfreulich.