Auf Mondmission mit DoroSchwarz-Rot für Raumfahrt, Hightech und BAföG-Hängepartie
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An alle Studierenden im Land und die, die es werden wollen: Packt Eure Sachen. Ihr zieht um! Aber wohin, wo es doch kaum Wohnungen gibt und die wenigen dann auch noch zu Mondpreisen? Antwort: Ins „Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt“. Dort ist bestimmt reichlich Platz für Euch, galaktisch viel, also praktisch Platz ohne Ende – wenn es gut läuft ...
Auf alle Fälle versprechen die Protagonisten der kommenden Regierungskoalition aus Union und SPD, dass alles gut wird. Am Mittwoch haben sie ihre Verhandlungen abgeschlossen und ihren Koalitionsvertrag der Öffentlichkeit vorgestellt. Titel: „Verantwortung für Deutschland.“ In der Präambel heißt es: „Wir verstehen das Wahlergebnis als Auftrag für eine umfassende Erneuerung unseres Landes.“
Dabei gehen sie mit gutem Beispiel voran. Auch der eigene Laden wird kräftig umgekrempelt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wird ausgemistet: „Forschung“ bleibt, dazu gesellt sich alles, was nach Zukunft und Innovation klingt, mitsamt der Verheißung vom Griff nach den Sternen. Nur „Bildung“ – die hat dort nichts mehr verloren.
Science Fiction
Wobei: Das alles ist noch nicht spruchreif, sondern wabert bisher bloß gerüchteweise übers politische Parkett. Geplant ist demnach ein Ressort „Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend“. Dort soll es vor allem um Kitas, Schulen, berufliche Ausbildung und lebenslanges Lernen gehen. Aber eben nicht um höhere Bildung.
Denn die Hochschulen landen wahrscheinlich „als Ganzes im Forschungsministerium“, wie der Wissenschaftsjournalist Jan-Martin Wiarda unter Berufung auf „Verhandlerkreise“ am Mittwoch auf seinem Blog schrieb. Quasi als Vorstufe der Raketen, die irgendwann einmal Richtung Mond und Mars abheben sollen.
Im Koalitionsvertrag laufen solche und andere Vorhaben unter „Meilensteine“ und „Hightech Agenda für Deutschland“, Stichpunkte: Künstliche Intelligenz, Quanten-, Biotechnologie, Mikroelektronik. Und Science Fiction: „Wir starten eine Offensive für Luft- und Raumfahrt und bringen Spitzenforschung und Kommerzialisierung erfolgreich zusammen“ und „errichten eine Nationale Hyperloop Referenzstrecke“, ist zu lesen. Das wird gewiss teuer, weshalb für die schnöde Hochschullehre künftig noch weniger Geld vorhanden sein könnte. Aber auch das ist: Zukunftsmusik.
Abgehobene Hausherrin
Passend dazu, weil auch gerne abgehoben unterwegs, wird voraussichtlich Dorothee („Doro“) Bär zur neuen Hausherrin im Forschungsministerium. Die firmiert in der CSU als Visionärin. Schon 2018 warb sie als „Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung“ für Flugtaxis und sagte deren Einsatz hierzulande für 2025 voraus. Inzwischen stecken alle drei deutschen Entwickler – Lilium, Airbus, Volocopter – in einer ernsten Finanz- und Schaffenskrise. Bis zum Regelbetrieb könnten mithin noch Lichtjahre vergehen.
Pikant auch: Bärs Steckenpferd, das „Digitale“, soll in ihrem Haus gar nicht angesiedelt werden. Dafür wird dem Vernehmen nach eigens ein „Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung“ ins Leben gerufen. Muss die Ministerin in spe zunächst umschulen? Jedenfalls stellte Wiarda die Frage: „Wer außerhalb Bayerns und außer der CSU und Doro Bär hätte etwas davon, wenn eine Frau für Forschung zuständig würde, die bislang kaum bis gar nicht als Forschungspolitikerin in Erscheinung getreten ist?“
Fragen müssten sich das auch die fast 2,9 Millionen Hochschüler in Deutschland. Mit Hochschulpolitik hatte Bär bis dato nämlich auch nichts am Hut. Und mit den verbreiteten Geld- und anderen Sorgen unter Studierenden ebensowenig. Sie selbst hatte einst in München und Berlin Politologie studiert, als Stipendiatin der Hanns-Seidel-Stiftung, die der CSU nahesteht, für die ihr Vater als Bürgermeister in ihrem Heimatort amtierte.
Offenbar war „Doro“ schon früh gut vernetzt beziehungsweise „verseilt“, was nicht bedeutet, dass sie deshalb gleich einen schlechten Job machen muss. Nimmt man allerdings den Koalitionsvertrag und speziell das, was dabei für Studierende herausgesprungen ist, dann erscheint größere Vorfreude auf die kommende Chefin kaum angebracht.
„Viel zu spät!“
Man wolle das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) „in einer großen Novelle modernisieren“, heißt es darin zwar vielversprechend. Nur geben die fraglichen Maßnahmen das nicht her. Fraglos lobenswert ist die Ankündigung, die Bedarfssätze auf das Niveau des Bürgergeldes anzuheben, das künftig nur noch „Grundsicherung“ heißen soll. Die Anpassung soll jedoch „hälftig“ in zwei Schritten erfolgen, der erste zum Wintersemester 2027/28, der zweite noch ein Jahr später.
„Studierende sind jetzt arm, nicht erst in drei Jahren Jahren“, monierte der „freie zusammenschluss von studen*innenschaften“ (fzs) in einer Stellungnahme vom Donnerstag und wünscht sich „noch viel Nacharbeit“. Andreas Keller, Vizevorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), freut es, dass CDU/CSU und SPD „unsere Forderung“ nach Angleichung der Leistungen ans Existenzminimum aufgegriffen hätten. „Dies erst bis 2029 umzusetzen, ist aber viel zu spät“, sagte er gegenüber Studis Online. „Die Studierenden wissen schon heute nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen.“
Einer der stärksten Kostentreiber ist bekanntlich das Wohnen. Die BAföG-Mietpauschale will die kommende Koalition von derzeit 380 Euro „einmalig auf 440 Euro“ heraufsetzen und den Bedarf danach „regelmäßig überprüfen“. Der Schritt soll indes erst zum Wintersemester 2026/27 erfolgen. Auch das käme laut Keller „zu spät und greift überdies zu kurz“. Außerdem müssten der Zuschlag „ortsangepasst und die Bedarfssätze automatisch der Inflation angepasst werden“, findet man beim fzs.
Häppchen- und Hinhaltetaktik?
Seltsam ist auch das Vorhaben, BAföG-Regelsätze und Wohnpauschale in zwei getrennten Novellen aufzubessern. Das riecht nach Häppchen- und Hinhaltetaktik, von wegen: „Nehmt das, seid zufrieden und dann schauen wir mal, was noch kommt.“ Auch der späte Zeitpunkt für die Angleichung auf Bürgergeldniveau stimmt argwöhnisch. 2029 steht die nächste Bundestagswahl an. In Wahlkampfzeiten verteilen scheidende Regierungen ungern Geld.
„Wenn der Grundbetrag erst 2027 angehoben wird, ist bis dahin eine ganze Bachelor-Generation mit Nullrunden abgespeist worden“, kritisierte heute das Deutsche Studierendenwerk (DSW) per Medienmitteilung. Dass der BAföG-Bezug „beschleunigt, vereinfacht und vollständig digitalisiert“ werden solle, sei hingegen „eine gute Nachricht“, befand der Vorstandsvorsitzende Matthias Anbuhl.
Begrüßenswert sei ferner der erklärte Wille, die Investitionen in den sozialen Wohnungsbau „schrittweise deutlich“ zu erhöhen und die Bundesmittel für das 2023 gestartete Bund-Länder-Programm „Junges Wohnen“ zu verdoppeln. Lob hat der Verbandschef auch für die geplante Schnellbauinitiative von Bund und Ländern zur „Modernisierung, energetischen Sanierung und digitalen Ertüchtigung“ von Hochschulen übrig. Das Geld dafür soll aus dem jüngst durch Grundgesetzänderung ermöglichten 500-Milliarden-Euro-Schuldenpaket zur Ertüchtigung der maroden Infrastruktur gewonnen werden. Explizit werden im Vertragsentwurf Mensen und Cafeterien der Studierendenwerke genannt – „gut so“, meint Anbuhl.
Licht und Schatten
Während das DSW im Vertragswerk „durchaus Licht“ und nur „wenig Schatten“ erkennen will, zeigt sich Gewerkschafter Keller weitgehend enttäuscht. „Eine BAföG-Reform gehört ins 100-Tage-Programm der neuen Bundesregierung!“ Im Übrigen fehle den Verantwortlichen der Mut zu einer „überfälligen Strukturreform“. So sei von Elternunabhängigkeit „gar keine Rede mehr, ebenso wenig von einer Reduzierung des Darlehensanteils“.
Auffällig: Die bildungs-, forschungs- und hochschulpolitischen Planspiele, die schon vor zwei Wochen aus Verhandlungskreisen durchgesickert waren, haben sich fast eins zu eins in den Vertragsentwurf hinübergerettet (vgl. Studis Online-Beitrag vom 31. März). Zum Beispiel betrifft das die Dynamisierung des „Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken“ (früher „Hochschulpakt“) über das Jahr 2028 hinaus. Damit sei es nicht getan, so Keller. „Was wir dringend bräuchten, wäre eine kräftige Anhebung der Vertragsgelder, mit dem der Bund den Ländern bei der Finanzierung von Studienplätzen unter die Arme greift – und zwar jetzt, und nicht nach der nächsten Bundestagswahl.“
Erfreulich sei dagegen die Ankündigung, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) „bis Mitte 2026 zu novellieren“. Die erklärten Ziele, die Einführung von „Mindestvertragslaufzeiten“ und die Ausweitung von „Schutzklauseln auf Drittmittelbefristungen“ hörten sich gut an. Ambitionierter als die Ampel zeige sich Schwarz-Rot damit jedoch nicht, so fiele beispielsweise „kein Wort zur Lage der Postdocs“, so Keller.
Tarifsperre bleibt
Außerdem sei die im ersten Vertragsentwurf noch als strittig gekennzeichnete Aussage zur Aufhebung der Tarifsperre auf Betreiben der Union „ganz gestrichen“ worden. Damit bliebe es den Gewerkschaften weiter untersagt, vom Gesetz abweichende Befristungsregelungen auszuhandeln. „Das ist ein Armutszeugnis vor dem Hintergrund, dass man sich im Kapitel ‚Arbeit und Soziales‘ durchaus zur Stärkung der Tarifbindung bekennt“, beschied der GEW-Vize.
Beim Thema Verkehr blieben Studierende „weiter auf der Strecke“, äußerte fzs-Vorstandsmitglied Lisa Iden. Laut Vertragsentwurf soll der Preis des Deutschlandtickets (aktuell 58 Euro) „ab 2029 schrittweise und sozialverträglich erhöht“ werden. Studierendenvertreter fordern, das seit Sommer 2024 erhältliche Deutschlandsemesterticket (aktuell 29,40 Euro) vom D-Ticket zu entkoppeln, um es preislich „unabhängig“ zu machen. Union und SPD haben diesen Punkt nicht aufgegriffen. „Die Koalition muss hier dringend nachlegen“, bekräftigte Iden.
Mit gemischten Gefühlen sieht der fzs die neue Ressortaufteilung. „Es ist gut, dass Bildung und Jugend endlich im gleichen Haus liegen“, urteilte Jonathan Dreusch, politischer Geschäftsführer des Verbands. Zugleich berge das „Superministerium die Gefahr, dass Bildung dort untergeht“. Desgleichen fürchtet er eine Abkehr von der „so wichtigen Einheit von Lehre und Forschung“, sollten die „Hochschulen“ dem Bildungsministerium zugeschlagen werden.
Darauf läuft es, wie oben geschrieben, eher nicht hinaus. Hochschulen und Studierende werden ziemlich sicher dem Forschungsministerium unter den Fittichen von Dorothee Bär unterstehen. Und wenn das nicht funzt? „Doro“ lässt sich bestimmt gerne auf den Mond schießen – im Flugtaxi. (rw)