Hochschulpolitik/StudienfinanzierungKindergeld nur noch bis 25?
Update 21.11.2006: Die CDU/CSU/SPD-Koalition im Bundestag hat das Steueränderungsgesetz 2007 am 29.06. beschlossen, der Bundesrat es kurz darauf ebenfalls angenommen. Demnach soll für dieses Jahr bereits 25 gewordene (oder noch werdende) alles beim alten bleiben. Wer dieses Jahr 24 wird (oder schon wurde), der bekommt immerhin noch bis zum 26. Geburtstag Kindergeld. Alle anderen trifft die Kürzung des Kindergeldes auf 25 voll. Siehe auch unseren (bei Bedarf immer aktualisierten) Kindergeld-Artikel.
Im folgenden zur Information noch der Originalartikel vom 20.01.2006.
Zum Stand der Dinge in dieser Frage eine Auskunft eines Ministerium zu bekommen erwies sich als äußerst schwierig. Nichts genaues weiß man nicht war das Motto.
Die Pressestelle des BMBF äußerte lediglich, "Die Bundesregierung macht eine Politik aus einem Guss" und verwies ansonsten an das Familienministerium, dass in Sachen Kindergeld die Federführung habe. Dort wiederum wurde zwar erwähnt, dass das Ministerium "Berechnungen" angestellt habe, aber die Umsetzung (oder auch nicht) sei Sache des Finanzministeriums.
Im Finanzministerium schließlich wurde auf die Parteien der Koalition verwiesen oder besser noch auf die FachpolitikerInnen. Im Ministerium sei zur Zeit jedenfalls kein Gesetzentwurf in der Mache, der das Kindergeld betreffen würde. Mehr könne die Pressestelle dazu nicht sagen. Sollte die Koalition tatsächlich Änderungen am Kindergeld vornehmen wollen, wäre dann tatsächlich das Finanzministerium mit der Änderung befasst, da das Kindergeld im Einkommenssteuergesetz geregelt wird.
Dass es die Idee grundsätzlich gibt, am Kindergeld etwas einzusparen, lässt sich einer "Giftliste" - angeblich aus dem Finanzministeriums - vom November 2005 entnehmen. Allerdings hatte diese keinerlei Beschlusskraft, sondern zeigte für die Koalition Möglichkeiten auf, die diese dann eben umsetzen könnte oder auch nicht.
Auch die Familienministerin von der Leyen (CDU) war seinerzeit in einem Interview mit der WELT der Ansicht, das eine Kürzung vertretbar sei. Sie sagte wortwörtlich (und der Pressesprecher des Familienministers sah - bei einem zweiten Gespräch mit dieser Aussage konfrontiert - auch keinen Grund zur Annahme, das Frau von der Leyen inzwischen anderer Ansicht sei):
- Die Verkürzung der maximalen Bezugsdauer auf 25 Jahre ist vertretbar, zumal in Deutschland junge Menschen immer länger im Haushalt der Eltern leben, sozusagen das "Hotel Mama" nutzen, anstatt - auch finanziell - unabhängig zu werden. Für die Zeit eines Studiums oder einer Ausbildung gibt es zudem Finanzierungsmodelle, die es jedem ermöglichen, auf eigenen Füßen zu stehen. Wenn ein Student später als Arzt oder Anwalt hohe Einkommen erzielt, ist es zumutbar, daß er das Geld dann zurückzahlt.
Offenbar scheint die Ministerin die Schwächen des BAföGs oder gar privater Studienkredite nicht so gut zu kennen. Und lange nicht jeder Student wird später Arzt oder Anwalt (und selbst das ist keine Garantie für hohes Einkommen).
CDU eher für Kürzung, SPD noch nicht so ganz?
Auf eine Mail einer Leserin von Studis Online an die Bundesgeschäftsstellen von CDU und SPD mit der Frage, ob das Kindergeld wirklich nur noch bis 25 gewährt werden soll, wurde ihr von der CDU folgendes beschieden:
- Leider hat uns die prekäre Haushaltslage gezwungen, einige schmerzhafte Einschnitte zu vereinbaren, zu denen auch die Begrenzung des Kindergeldes auf das 25. Lebensjahr gehört. Da die Regelstudienzeit der meisten Fächer zwischen 7 und 9 Semestern liegt, wird ein Großteil des Studiums mit dieser Förderung auch weiterhin abgedeckt.
Das hört sich so an, als schon alles entschieden wäre (was ja auch das obige Interview-Zitat der Familienministerin andeutet). Ganz so ist das wohl doch noch nicht. Die Antwort der SPD auf erwähnte Mail klang dann auch anders, allerdings auch nicht eindeutig dagegen. Zusammen mit der Aussage aus dem Finanzministerium, dass es noch keinen Gesetzentwurf gibt, zeigt das immerhin: Noch könnte diese Idee gestoppt werden.
Die Kürzung ist weitreichender, als man zunächst denkt
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte die mögliche Kürzung des Kindergelds bereits Ende November 2005 als "bildungsfeindlich" kritisiert. "Studiengänge wie Medizin sind bis zum 25. Lebensjahr gar nicht abzuschließen. Eltern und Studierenden soll gerade in der Prüfungsphase ein Teil der Studienfinanzierung gestrichen werden.", sagte GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne seinerzeit.
In einem aktuellen Infoblatt, dass innerhalb der GEW kursiert, wird darauf hingewiesen, dass es nicht nur ums Kindergeld selbst geht, sondern indirekt die Folgen für Eltern von Kindern, für die das Kindergeld gestrichen wird, noch größere sein können, da diverse Leistungen an den Kindergeldanspruch gebunden sind:
Der Anspruch auf Waisenrente und Halbwaisenrente sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Beamtenversorgung und anderen Versorgungssystemen (z.B. Betriebsrenten)
Der Anspruch auf Steuerklasse II bei Alleinerziehenden
Der Anspruch auf Kinderzulagen im Besoldungsrecht und im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes
Der Anspruch auf Beihilfe bei Beamtinnen und Beamten fällt für die Kinder ganz weg, für weitere Familienmitglieder kann er sich vermindern. Da die betroffenen Studierenden sich im Vertrauen auf ihre Beihilfeberechtigung i.d.R. von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung haben befreien lassen, müssen sie jetzt den vollen Beitrag zur privaten Krankenversicherung bezahlen.
Kommentar: Sparen am falschen Ende
Schon heute ist insbesondere Medizin ein Studienfach, in dem die soziale Schieflage besonders deutlich ist: Kinder aus sozial schwachen Familien studieren dieses Fach noch seltener als andere. Da die Kürzung Medizinstudierende am ehesten betrifft, kann man die Folgen leicht voraussagen: Medizin wird noch mehr das Fach für Kinder von "Besserverdienern".
Schließlich sind natürlich all diejenigen Betroffen, die keine "Normbiographie" haben und das Abitur erst später machen - z.B. auf dem 2. Bildungsweg. Auch für sie fällt zum Ende des Studiums faktisch Geld weg. Sogar mehr, als die aktuell geplanten Studiengebühren im Semester ausmachen (was kein Argument für Studiengebühren sein soll - aber zeigt, dass die Kindergeldstreichung für die Betroffenen nicht so leicht zu schultern ist).
Insgesamt könnten hier - wie so oft - verschiedene Interessen gegeneinander ausgespielt werden. Das Familienministerium möchte mit seinem Konzept des Familiengeldes insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern fördern. Auf der anderen Seite wird aber - wenn das Kindergeld auf der anderen Seite gekürzt wird - die Studierneigung gerade von Kinder aus sozial schwächeren Familien, die das Kindergeld mit in die Kalkulation aufnehmen, gesenkt werden.
Was tun?
Abschließend noch ein Vorschlag der GEW aus dem schon zitierten Infoblatt:
- Möglichst viele betroffene Studierende und Eltern sollten Briefe an ihre Bundestagsabgeordneten und Landesregierungen schreiben. Zeigen Sie auf, in welche finanziellen Schwierigkeiten sie durch die Entscheidung kommen würden, und dass das nicht daran liegt, dass Sie – oder ihre Kinder – "Bummelstudenten" sind. Schließlich braucht die Gesetzesänderung in Bundestag und Bundesrat eine Mehrheit. Schicken Sie uns eine Kopie Ihres Schreibens an GEW-Hauptvorstand, z.Hd. Gabi Herzog, Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt/Main.