Studiengebühren-DarlehenNRW.BANK und "Innovationsminister" stellen vor
In Nordrhein-Westfalen gibt es die Besonderheit, dass es den einzelnen Hochschulen überlassen ist, ob sie tatsächlich Studiengebühen erheben (zu den daraus resultierenden Studierendenprotesten und den bisherigen Beschlüssen der Hochschulen zu Studiengebühren siehe hier). Demzufolge gibt es das Darlehen natürlich nur, wenn die jeweilige staatliche Hochschule auch Studiengebühren erhebt.
Die Erhebung ist bei entsprechenden Beschlüssen der Hochschule für Erstsemester möglich ab Wintersemester 2006/2007, für alle andere Studierenden ab Sommersemester 2007. Ab 1. Juni 2006 soll im Rahmen der Einschreibung (später auch bei Rückmeldung) an einer gebührenerhebenden Hochschule die Beantragung des Darlehens möglich sein (Antragsformulare gibt es im Internet unter www.nrwbank.de bzw. www.bildungsfinanzierung-nrw.de).
Darlehen nicht für alle
Die Darlehensberechtigung richtet sich nach den Bestimmungen des § 12 StBAG. Eine dieser Voraussetzungen ist § 8 Abs. 1 und 2 des BAföG ("Staatsangehörigkeit"). Im Wesentlichen erhalten das Darlehen danach deutsche sowie bestimmte ausländische Studierende, wenn z. B. ein Elternteil bzw. der Ehegatte Deutscher oder der Studierende Asylberechtigter, aufgenommener Flüchtling oder Heimatloser ist.
Studierende aus EU-Mitgliedstaaten mit inländischem Wohnsitz können das Darlehen i.a. ebenfalls erhalten. Andere Ausländern sind nach § 8 BAföG darlehensberechtigt, wenn sie oder zumindest ein Elternteil vor Beginn der Ausbildung fünf bzw. drei Jahre in Deutschland erwerbstätig waren.
Kein Darlehen gibt es - außer für Nicht-EU-Ausländer, die für das Studium nach Deutschland kommen oder deren Eltern noch nicht lange genug in Deutschland leben - für "Langzeitstudierende". Wer über 4 Semester mehr studiert hat (alle Hochschulsemester in Deutschland zählen!), als es der Regelstudienzeit des aktuellen Studiengangs entspricht, muss direkt zahlen. Ein erster Studienfachwechsel innerhalb von 2 Semestern wird dabei nicht berücksichtigt (dann ist es also möglich, bis zu 6 Semester mehr als die Regelstudienzeit das Darlehen zu erhalten).
Zinssatz
Die Verzinsung ist variabel (halbjährliche Anpassung) und orientiert sich am 6-Monats-Euribor. Bis 14. Juni 2007 wird ein nominaler Zinssatz von maximal 5,9% garantiert. Als Beispiel wird genannt: Für einen Studierenden, der das Studienbeitragsdarlehen ab dem Wintersemester 2006/2007 10 Semester lang bezieht, würde sich nach dem Studium unter diesen Bedingungen bei einer Rückzahlungsrate von 100 € monatlich ein anfänglicher effektiver Jahreszinssatz von 5,52 % ergeben. Voraussetzung ist aber natürlich, dass der Zinssatz in Zukunft nicht doch deutlicher steigt.
Der Effektivzins des Studienbeitragsdarlehens der NRW.BANK liegt unter dem Nominalzinssatz, weil neben der Verzinsung keine Gebühren - weder für den Vertragsabschluss, noch für die Stundung der Zinsen oder gewünschte Sondertilgungen - anfallen. Zudem werden die gestundeten Zinsen nicht verzinst. Zinsen werden lediglich auf das Nominalkapital berechnet.
Darlehen während Studium nur durch Rückzahlung kündbar (ergänzt am 13.02.2007)
Eine für die DarlehensnehmerInnen nachteilige Regelung ist es, dass das nordrhein-westfälische Studienbeitragsdarlehen - einmal abgeschlossen - für das ganze Studium gilt. Man bekommt dann die künftigen Studiengebühren immer durch die NRW-Bank vorfinanziert (außer man fällt zweitweise unter eine der eher seltenen Ausnahme, dass man gar nicht zahlen muss).
Man kann jedoch nicht einfach sagen, ich will auch mal ein Semester die Gebühren selbst bezahlen. Denn das Studienbeitragsdarlehen ist während des Studiums nur kündbar, wenn man es dann auch innerhalb von 14 Tagen vollständig zurückzahlt! Ausnahmen von dieser Regelung bestehen, wenn man das Studium außerhalb von Nordrhein-Westfalen fortsetzt oder es ganz abbricht.
Diese Regelung gilt so bisher nur für das Studienbeitragsdarlehen in NRW. In allen anderen Bundesländern kann man sich jedes Semester neu entscheiden, ob man das Darlehen nutzen will oder direkt die Gebühr bezahlt.
Rückzahlungsbedingungen - und wer gar nichts bzw. weniger zurückzahlen muss
Beginn der Rückzahlung von Darlehen und Zinsen i.d.R. zwei Jahre nach Beendigung des Studiums (nach Ende der "Karenzzeit"), ansonsten max. 11 Jahre nach Aufnahme des Studiums.
Für BAföG-EmpfängerInnen gibt es eine besondere Regelung. Hat einE DarlehensnehmerIn auch BAföG erhalten, wird die Rückzahlung der Summe aus BAföG-Darlehen, Studienbeitragsdarlehen und bis dahin angefallenen Zinsen zum Zeitpunkt des Rückzahlungsbeginns auf max. € 10.000 (sog. "Kappungsgrenze") bzw auf die Anzahl der Semester, für die ein Studienbeitragsdarlehen gewährt worden ist, multipliziert mit dem Betrag von € 1.000 begrenzt.
Wer also ein Bachelor BAföG-gefördert innerhalb von 6 Semestern studiert, muss nur Studiengebühren zahlen (und das evt. nur teilweise), wenn seine BAföG-Schulden unter 6000 Euro liegen.
Es besteht die Möglichkeit einer Stundung, sofern das Einkommen über den gemäß der Rechtsverordnung zum Studiengebührengesetz festgelegten Einkommensgrenzen liegt, z.Z. sind dies 1060 Euro netto pro Monat (für Kinder und Ehepartner erhöht sich der Freibetrag).
Das Darlehen kann zu jedem Zeitpunkt nach Studienende auf einen Schlag oder in Beträgen von mind. 500 Euro ganz bzw. teilweise zurückgezahlt werden (das kann bei zu erwartenden steigenden Zinsen vorteilhaft sein), ohne das zusätzliche Gebühren verlangt werden.
Kritik des Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS)
Das ABS hat anlässlich der Vorstellung der Details der Studiengebührenkredite seine Kritik daran nochmals zusammengefasst (Pressemeldung siehe hier).
Es verweist u.a. darauf, dass die Kredite durch die Verzinsung dazu führen, dass diejenigen, die das Darlehen in Anspruch nehmen müssen, am Ende evt. das Doppelte zahlen müssen, als diejenigen, die die Gebühren sofort bezahlen können, weil sie oder ihre Eltern das leicht können.
International habe die Erfahrung mit Studiengebührenkrediten gezeigt, dass Frauen in besonderer Weise benachteiligt werden. In Australien müssen sie ihre Studiengebührenkredite insgesamt 51 Jahre zurückzahlen, statt wie ihre männlichen Kollegen 17 Jahre. Gründe dafür sind brüchigere Erwerbsbiografien und ein geringeres Durchschnittseinkommen.
Die Ineffizienz der geplanten Regelungen wird an folgender Modellrechnung deutlich: Wenn ein Studierender insgesamt 10.700 Euro an die NRW Bank zahlen muss, davon aber 5.700 Euro für Zinsen und Zinseszinsen, und von verbleibenden 5.000 Euro wiederum 23% an den Ausfallfond, dann kommt am Ende nur rund Drittel des Geldes bei den Hochschulen an. Da sich die Zinssätze derzeit auf einem historischen Rekordtief befinden, würde sich dieser Effekt bei einer Normalisierung der Zinssätze sogar noch verstärken.
Daniel Houben, Koordinator des LandesAStenTreffens wies noch darauf hin, dass ausländische Studierende von den Studienkrediten zu einem Großteil ausgenommen sind, obwohl ihre Studienfinanzierungssituation schon jetzt weit prekärer, als die ihrer deutschen KommilitonInnen sei.
Kommentar
Die Studiengebührenregelung in Nordrhein-Westfalen ist zwar im Vergleich zu den Modellen anderer Bundesländer noch am wenigsten hart - so ist z.B. die Schuldengrenze von 10.000 Euro einmalig, in allen anderen Ländern mit Gebührenbeschlüssen oder -plänen ist entweder gar keine oder eine deutlich höhere Grenze vorgesehen.
Allerdings ist die relative Belastung somit für diejenigen am höchsten, die auf Grund des Elterneinkommens gerade am BAföG scheitern oder nur eine geringfügige Förderung erhalten. Da das BAföG in den letzten Jahren nicht mehr der Inflation angepasst wurde, dürften somit gerade Menschen aus zwar nicht ganz finanzschwachen Familien am ehesten überlegen, ob sie zu solchen Bedingungen ein Studium aufnehmen.
Auch die Kritik des Aktionsbündnis gegen Studiengebühren ist nicht von der Hand zu weisen - schlechtes wird nicht dadurch besser, dass es anderswo noch schlechtere Regelungen gibt.
Schließlich bleibt abzuwarten, ob die Studiengebührenregelung einer gerichtlichen Prüfung standhalten wird. Klagen sind angekündigt und es gibt durchaus einige Ansatzpunkte, das Gesetz im Ganzen oder zumindest in Teilen zu kippen. Siehe z.B. den Artikel Weiteres Gutachten sieht NRW-Studiengebührengesetz als verfassungswidrig an.
- Quellen und Hintergründe in der Übersicht
- Kredite belasten Schwache doppelt - ABS kritisiert Schuldensystem (Pressemitteilung vom 23.05.2006)
- Einfaches Verfahren - günstiger Zins - Rückzahlung erst nach erfolgreichem Berufseintritt (Pressemitteilung des Innovationsministeriums vom 23.05.2006)
- Studiengebühren in Deutschland - Übersicht der Regelungen in den einzelnen Bundesländern (ständig aktualisiert)