BedenklichSechs Jahre kein BAföG-Anpassung?
Mehr Studierende sind angeblich gewünscht - aber es wird wenig dafür getan
PolitikerInnen aller Parteien betonen, dass mehr Studierende gewollt sein - und zwar sowohl in absoluten Zahlen als auch relativ pro Altersjahrgang gesehen. Betrachtet man Untersuchungen wie die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, so zeigt sich, dass aus finanzschwachen Familien besonders weniger Kinder schließlich ein Studium aufnehmen.
Eine entscheidende Ursache ist sicherlich, dass schon in der Schule die Weichen falsch gestellt werden (bei aller Kritik an der PISA-Studie ist das Teilergebnis, dass deutsche Schulen offenbar am stärksten die sozialen Unterschiede verstärken, unumstritten). Eine weitere Hürde ergibt sich jedoch mit dem Übergang Schule - Hochschule. Ohne eine angemessene Studienfinanzierung kann kein Studium aufgenommen werden.
Das BAföG ist fast seit seiner Einführung Gegenstand von Sparmaßnahmen
Das BAföG wurde Anfang der 1970er gerade mit dem Ziel eingeführt, dass mehr Menschen aus finanzschwachen Familien ein Studium ermöglicht wird, ohne sich in großem Rahmen verschulden zu müssen (was nur wenige riskieren - und Stipendien gibt es in Deutschland traditionell nur sehr wenige).
Spätestens mit Beginn der 1980er fielen die Erhöhungen immer ein wenig zu gering aus - verglichen mit den Lebenshaltungskosten. Die CDU/FDP-Koalition führte 1983 das BAföG-Volldarlehen ein - was bedeutete, dass alle BAföG-Empfänger in den Jahren 1983 bis 1990 doppelt so viel Schulden anhäuften, als in den Jahren zuvor. Denn sie müssen das gesamte BAföG zurückzahlen. Mit diesem Schnitt wurde einiges Geld gespart. Zum einen schreckte es durchaus einige Menschen ab, überhaupt zu studieren (oder BAföG zu beantragen); zum anderen gingen später mehr Rückzahlungen ein - übrigens zweitweise mehr, als BAföG ausgegeben wurden.
Danach - möglicherweise auch, um die "neuen" BürgerInnen aus den fünf neuen Ländern nicht gleich vor den Kopf zu stoßen - wurde wieder auf 50% Zuschuss umgestellt, d.h. es muss die Hälfte des erhaltenen BAföGs zurückgezahlt werden. Womit aber lediglich der Stand von Anfang der 1980er wieder erreicht wurde.
Die Erhöhungen im Laufe der 1990er Jahre blieben alle hinter der Steigerung der Lebenshaltungskosten zurück. Erst die "BAföG-Reform" 2001 brachte eine deutliche Verbesserung. Selbst sie konnte aber die schleichende Verschlechterung des vergangenen Jahrzehnts nicht vollständig auffangen.
Warum 2007 ein guter Zeitpunkt für eine Erhöhung wäre ...
Gerade mit dem Jahreswechsel 2006/2007 wäre eine Erhöhung der BAföG-Bedarfssätze und Freibeträge mehr als angemessen. Schließlich kommt es dann zu einigen besonders für Studierende einschneinden Gesetzesänderungen:
Kindergeld nur noch bis 25 (es gibt allerdings eine Übergangsregelung für alle, die dieses Jahr mind. 24 werden/wurden) - was auch Folgewirkungen auf einige weitere Sozialleistungen hat
Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16% auf 19%
Vermutlich erhöhte Krankenkassenbeiträge (dadurch steht vor allem den Eltern weniger Geld zur Verfügung - die Freibeträge auf das Elterneinkommen werden aber auch nicht angehoben)
Steigende Semesterbeiträge (weil die Zuschüsse für die Studentenwerke praktisch in allen Bundesländern seit Jahren sinken)
Es ist also zu erwarten, dass Studierende 2007 um einiges höhere Ausgaben haben werden als noch 2006. Und zwar von der sonstigen Inflation ganz abgesehen. Schon in den letzten beiden BAföG-Berichten (erschienen Anfang 2003 und 2005) der Bundesregierung findet sich die Empfehlung, dass das BAföG erhöht werden sollte.
Da die Lebenshaltungskosten bis zum Herbst 2005 um rund 3,5% seit der letzten BAföG-Erhöhung gestiegen sind und die Nettolöhne (der Eltern) um 4,5%, wäre eine Erhöhung des Bedarfssätze um 3,5%, der Freibeträge auf das Elterneinkommen um 4,5% angezeigt. Jedenfalls, wenn man erreichen möchte, dass die Förderwirkung des BAföG gleichbleibt (vgl. 16. BAföG-Bericht - http://www.bmbf.de/pub/16_bericht_endg.pdf).
Wenn man hierauf also noch die Veränderungen 2006 und vor allem 2007 addiert, wäre man vermutlich schon bei um die 6% Erhöhungsbedarf - bei Bedarf und Freibeträgen.
Übrigens sollte man sich auch nicht durch aktuelle Steigerungen der BAföG-Gefördertenzahlen blenden lassen. Sie sind eher darin begründet, dass die AbiturientInnen-Zahlen absolut deutlich steigen (so dass natürlich auch mehr BAföG-Anträge zu erwarten sind), sie sind keineswegs ein Beleg dafür, dass das BAföG "reicht". Der Anteil von Studierenden aus finanzschwachen Familien ist nur kurz nach der BaföG-Reform 2001/2002 gestiegen, nun stagniert er wieder oder fällt sogar schon leicht.
... und warum es wahrscheinlich keine geben wird
Das Totschlagargument gegen jede Erhöhung ist natürlich die Lage des Bundeshaushaltes und die vielen Schulden. Wobei nach dieser Logik auch 2001 keine Erhöhung hätte stattfinden können. Letztlich ist es also eine Frage der Prioritäten (aber natürlich auch des politischen Willens, Geld für soziale Leistungen zu beschaffen und auszugeben).
Verschärft wird die Problematik beim BAföG, dass die Betrachtung der absoluten Zahlen wenig hilfreich ist. So mag die Zahl der BAföG-Geförderten und damit auch die Kosten steigen - relativ zu allen Studierenden kann es trotzdem ein Rückgang sein. Trotzdem dürfte dann von Seiten der Politik herausgestellt werden, dass mehr Geld für das BAföG ausgegeben wird (was durchaus korrekt ist) - dass es noch viel mehr sein müsste, um das BAföG tatsächlich zu stabilisieren und seinen Zweck zu erfüllen, wird dann gerne verschwiegen. Genau das ist zur Zeit der Fall.
Gerade von Bundesbildungsministerin Schavan ist keine Initiative für das BAföG zu erwarten. Sie hatte vor den Bundestagswahlen 2005 sogar erklärt, dass sie sich langfristig Studienkredite (also Darlehen, die auch noch verzinst werden) als Ersatz des BAföG vorstellen könne. Als frühere Leiterin der katholischen Cusanus-Stiftung, die auch Stipendien vergibt, liegt ihr mehr daran, Mittel für (vermeintliche) Elitenförderung auszugeben und den Stipendiaten-Organisationen mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Die Breitenförderung durch das BAföG ist ihre Sache nicht.
In der aktuellen Pressemitteilung des Bundesbildungsministeriums zum geplanten Bundeshalthalt 2007 (siehe hier) ist daher auch kein Wort vom BAföG die Rede. Explizit erwähnt wird jedoch: "Die Mittel für die Begabtenförderung steigen von diesem auf das nächste Jahr um 14 Millionen Euro auf rund 121 Millionen Euro - das ist ein Anstieg von knapp 13 Prozent."
Selbst die SPD will zur Zeit nichts unternehmen. Zwar ist das BAföG eine Errungenschaft der SPD, sie hat auch im letzten Bundestagswahlkampf sehr betont, dass sie für das BAföG einsteht. 2001 - noch unter rot-grün - wurde mit der damaligen BAföG-Reform einiges erreicht. Das 2001er-Gesetz sah gleich die Anpassung an den Euro 2002 vor, verbunden mit einer minimalen Aufrundung der Beträge - das also die letzte Erhöhung. Danach hieß es aber immer, es sei eben kein Geld da. Aktuell wird vor allem angeführt, man könne doch nicht das BAföG erhöhen, wo es doch dreimal in Folge keine Rentenerhöhung gab. Wobei es keinen sachlichen Grund gibt, warum RentnerInnen und BAföG-EmpfängerInnen in gleicher Weise behandelt werden müssten.
Wie von einem Mitarbeiter der SPD-Fraktion zu erfahren war, ist erst nächstes Jahr mit einer Initiative in Sachen BAföG zu rechnen - und Zeitpunkt möglicher Erhöhungen soll sogar erst 2008 sein, im schlimmsten Fall 2009. Wobei natürlich auch noch unklar sei, ob sich die SPD gegen den Koalitionspartner CDU durchsetzen könne.
Keine schönen Aussichten.
Mehr Unterstützung für das BAföG nötig
Insbesondere das Deutsche Studentenwerk (DSW), aber auch der studentische Dachverband fzs weisen immer wieder darauf hin, dass eine BAföG-Erhöhung notwendig wäre. Nur scheint das kaum Wiederhall zu finden. Dabei steigt auch die Gefahr, dass das BAföG schließlich ganz abgeschafft wird - und das wäre eigentlich genau so schlimm, wie es die Einführung von Studiengebühren ist, gegen die es weit mehr Proteste gibt.
Aber leider wird das BAföG ja "nur" langsam schlechter - das fällt nicht so auf, auch wenn es über die Jahre mehr und mehr dazu führen dürfte, dass Menschen aus finanzschwächeren Schichten kein Studium mehr aufnehmen.
Vielleicht sollten also mehr Studierende das Thema BAföG wieder auf die Agenda setzen. Wenn nur die "üblichen Verdächtigen" von Studentenwerk und studentischen Dachverbänden Pressemitteilungen dazu schreiben, dann reicht das leider nicht - auch die Basis muss das Thema artikulieren.
Und: BAföG beantragen nicht vergessen ;-)
Auch wenn das BAföG verglichen mit den Lebenshaltungskosten in den letzten Jahren relativ gesunken ist - das ist kein Grund, von vornherein keins zu beantragen. Mittels des BAföG-Rechners lässt sich schon vor Antragstellung abschätzen, ob sich ein Antrag lohnen könnte. Zwar schätzen so manche das Einkommen der Eltern als "niedrig" ein und sind überrascht, kein BAföG bekommen zu können. Der umgekehrte Fall ist aber ebenso häufig: Viele Studierende, die durchaus BAföG bekommen könnten, stellen keinen Antrag.
Ganz wichtig: Wer BAföG nicht gleich beantragt, verschenkt Geld. BAföG gibt es nicht etwa eine feste Zeitdauer lang, deren Beginn man beliebt wählen kann. Stattdessen ist BAföG auf die Regelstudienzeit begrenzt (darüberhinaus gelten Sonderregelungen zu schlechteren Konditionen bzw. nur für bestimmte Studierende - z.B. mit Kind), wer also bei 6 Semester Regelstudienzeit erst im 3. Semester BAföG beantragt, bekommt nur noch 4 Semester BAföG.
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