BAföG vs. StudienkrediteDes einen Freud, des anderen Leid
Bereits 6.000 Studierende sollen den Studienkredit der KfW nutzen - die Bildungsministerin Schavan (CDU) ist erfreut. Schavan äußerte dazu heute in Berlin: "Das zeigt, dass es eine Offenheit für neue Wege der Bildungsfinanzierung gibt. Derartige Instrumente sollen mehr junge Menschen motivieren, ein Studium aufzunehmen und es zügig und erfolgreich zu beenden. Ein Studienkredit schafft größere finanzielle Unabhängigkeit und bietet eine Grundlage für eine verlässliche Planung des Studiums." (vgl. Pressemitteilung 130/2006 des BMBF).
Schon allein diese wenigen Sätze zeigen, dass Bildungsministerin Schavan das BAföG weiterhin als Auslaufmodell ansieht. Denn bei einem gut ausgestatteten BAföG wären Studienkredite fast nicht nötig. Die Motivation zur Aufnahme eines Studiums ist beim BAföG sicherlich größer als bei einem Studienkredit - schließlich ist das Risiko der Schuldenlast nach dem Studium beim BAföG deutlich geringer. Überhaupt ist es fragwürdig, ob potentielle Studierende tatsächlich einen "Markt der Studienfinanzierung" mit "individuellen Lösungen" (jeweils Schavan) wünschen. Was nämlich auch heißt: Individuell kann es auch gar keine Lösung geben. Vor allem: der Markt kennt keine soziale Gerechtigkeit.
Es ist wenig verständlich, wie ein Studienkredit mit seinen schwankenden (weil vom Kapitalmarkt abhängigen) Zinsen Grundlage für eine verlässliche Planung sein soll. Zwar sieht die KfW zur Zeit einen Höchstzins vor, der aber auch schon über 2% höher liegt und nicht uneingeschränkt gilt. Ähnliches gilt auch für die Kreditangebote anderer Banken (die fast alle höhere Zinsen verlangen, dafür aber keine Grundgebühr wie die KfW). Beim BAföG wäre die Planungssicherheit deutlich größer - wenn die Politik gewährleisten würde, dass die BAföG-Bedarfssätze und Freibeträge angemessen angepasst werden. Was zur Zeit leider nicht der Fall ist - vgl. unseren gerade erst gestern veröffentlichten Artikel Sechs Jahre kein BAföG-Anpassung?
Insofern ist es ein Armutszeugnis der Bildungsministerin, dauernd vom Erfolg der Studienkredite zu sprechen, statt sich um das BAföG zu kümmern. Es ist es äußerst fragwürdig, ob es ein Erfolg ist, wenn gerade einmal 6.000 Studierende den KfW-Kredit in Anspruch nehmen - während es insgesamt an die 2 Mio. Studierende und ca. 345.000 BAföG-EmpfängerInnen gibt. Zu fragen wäre eher: Warum benötigen diese Menschen überhaupt ein Kredit? Warum erhalten sie offenbar weder ausreichend BAföG noch Unterstützung der Eltern? Ist nicht bei den Regelungen zum Unterhaltsrecht und BAföG anzusetzen? Schließlich: Ist es ein Erfolg, wenn 6.000 Menschen Schulden auf sich nehmen müssen, die sie bei einem umfassenden BAföG entweder gar nicht oder in deutlich geringerem Maße hätten.
SPD sieht keinen akuten Handlungsbedarf
Von Seiten der SPD - konkret von Jörg Tauss, MdB und bildungpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der sich telefonisch äußerte - wird das ganze offenbar nicht so ernst genommen. Dass die Bundesbildungsministerin wenig am BAföG hänge, sei bekannt. Aber es gelte der Koalitionsvertrag, nach dem das BAföG erhalten bleibe. Von einer schleichenden Abschaffung könne keine Rede sein. Studienkredite seien ergänzend durchaus sinnvoll, auch für Weiterbildungen.
Auf den Einwurf, gerade der KfW-Studienkredit sei bei einer Weiterbildung (z.B. einem nicht-konsekutiven Master) nicht zugänglich, erwiderte Tauss (neben dem Hinweis auf das Meister-BAföG und den Bildungskredit, die er vor allem gemeint habe), beim KfW-Studienkredit sei der Einfluss der Politik gering, schließlich veranstalte die KfW das ganze, es seien nur ein paar Rahmenbedingungen angeregt worden. Frau Schavan jedoch schreibt in ihrer aktuellen Pressemitteilung: "Die im Auftrag von Bundesbildungsministerin Annette Schavan und von der KfW Bankengruppe angebotenen allgemeinen Studienkredite". Dazu Tauss: "Dann schreiben Sie auf ihrer Homepage, Frau Schavan erzählt Quatsch." Einen politischen Auftrag an die KfW habe es so nicht gegeben.
Richtig ist sicher: Die Ur-Idee für den KfW-Studienkredit entstand schon länger vor den letzten Bundestagswahlen in der KfW selbst. Die KfW ist allerdings eine staatseigene Bank. Es gibt insofern durchaus Eingrifssmöglichkeiten der Politik. Frau Schavan nutzt diese offenbar zu ihren Zwecken - und wird von der SPD daran kaum gehindert.
Studentischer Dachverband fzs: Bundesministerin Schavan fördert die soziale Selektion im Bildungssystem
Christian Berg, Mitglied im Vorstand des fzs, äußerte in einer Pressemitteilung: "Schavan hat einmal mehr deutlich gemacht, dass ihr am BAföG nichts liegt. Damit ignoriert sie die prekäre Situation von Studierenden und fördert aktiv die soziale Selektion im Bildungssystem. Wenn Frau Schavan meint, junge Menschen mit Krediten zu einem Studium zu motivieren, ist die auf dem Holzweg. Studienkredite treiben Studierende in eine Schuldenfalle - mit Unabhängigkeit hat das nichts zu tun, sondern ist ein Schlag ins Gesicht aller jungen Menschen, die aus finanziellen Gründen nicht oder nur eingeschränkt studieren können. Ein solcher Affront ist einmalig für eine Bildungsministerin."
Der studentische Dachverband fordert dagegen weiterhin eine öffentliche, elternunabhängige und bedarfsdeckende Studienfinanzierung.
Trotzdem: BAföG beantragen!
Für StudienanfängerInnen oder SchülerInnen mag dieser Artikel abschreckend wirken - da ja das BAföG in Gefahr ist. Aber es ist ja keineswegs abgeschafft und wird es in dieser Legislaturperiode sicher nicht. Allerdings hängt die Weiterentwicklung gerade davon ab, ob sich genügend Menschen in verschiedenster Weise für das BAföG einsetzen. Wenn über das Thema geschwiegen wird, rettet das das BAföG auch nicht. Einsatz ist gefragt.
Daher zum Schluss ein Zitat von Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, der heute - wie man es auch vom BMBF erwartet hätte - die neuen BAföG-Zahlen kommentierte und wie folgt schloss:
- Wir fordern Studierwillige auf, sich trotz der ungenügenden Finanzsituation nicht von einem Studium abschrecken zu lassen. Die Studentenwerke beraten Studierwillige, Studierende und Eltern über Möglichkeiten zur Studienfinanzierung. Wir werden aber auch nicht aufhören, die Öffentlichkeit über die Verursacher diverser Einschnitte zu informieren und BAföG-Verbesserungen einzufordern.
Zum BAföG informiert auch Studis Online ausführlich - siehe den BAföG-Bereich (inkl. BAföG-Rechner).