35 Jahre Höhen und Tiefen35 Jahre BAföG
Vor 6 Wochen veröffentlichte das statistische Bundesamt neue Daten zum BAföG (z.B. die Zahl der Geförderten 2005) - das Bundesbildungsministerium veröffentlichte statt dessen eine Presseerklärung zum "Erfolg" des KfW-Studienkredites, was einige Kritik nach sich zog.
Zum 35-jährigen Jubliäum des BAföG am 1. September 2006 gibt es schon am Vortag eine Pressemeldung - allerdings ohne jedes Zitat der Bildungsministerin. Sollte das noch ein Zeichen dafür sein, wie wenig Frau Schavan am BAföG liegt?
Allerdings hat das BAföG in seiner 35-jährigen Geschichte schon so manche Krise überstanden. In jedem Fall wird es auch diese Legislaturperiode überstehen und auch darüberhinaus existieren. Nur zu welchen Bedingungen - wie so oft steckt der Teufel ja im Detail - wird die Frage sein. Blicken wir also statt in die Zukunft in die Vergangenheit und schauen, wie sich das BAföG entwickelt hat.
Nach dem Krieg: Förderung nur für besonders Begabte
Bildung war seit Beginn des Bundesrepublik vor allem Sache der Bundesländer. Nur für das Unistudium wurde mit dem Honnefer Modell zwischen Bund und Ländern schon in den 1950ern eine einheitliche Regelung getroffen. Gefördert wurden nur besonders begabte Studierende aus Familien mit wenig Einkommen. "Durchschnittliche" Studierende waren also auf die Eltern oder viel Jobben angewiesen.
Für die anderen Hochschulen (FHs, PHs, Kunst- und Musikhochschulen etc.) sowie die Schulen legten die Länder eigene Förderprogramme auf und trugen auch die Kosten voll. An den Hochschulen waren diese Förderungen noch relativ ähnlich und wurden als "Rhöndorfer Modell" bezeichnet.
BAföG wurde erst durch Grundgesetzänderung möglich
Erst mittels einer Grundgesetzänderung (durch die große Koalition 1969) wurde es dann möglich, dass der Bund sich stärker in die Studien- und Ausbildungsfinanzierung einschaltete - wenn auch die Länder immer Mitspracherechte behielten. Das ursprünglich verfolgte Ziel, mit dem neuen Gesetz die Ausbildungsförderung in allen Ausbildungsbereichen (also z.B. auch der betrieblichen Ausbildung) zu regeln, konnte aber nicht verwirklicht werden. Die dafür notwendigen finanziellen Mittel standen angeblich nicht zur Verfügung.
"Der soziale Rechtsstaat, der soziale Unterschiede durch eine differenzierte Sozialordnung auszugleichen hat, ist verpflichtet, durch Gewährung individueller Ausbildungsförderung auf eine berufliche Chancengleichheit hinzuwirken." So steht es in der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung vom 18.3.1971 geschrieben. Natürlich ging es schon 1971 nicht nur um soziale Gerechtigkeit - die Industrie wie die Dienstleistungsunternehmen verlangten nach hochausgebildeten Spitzenkräften und die galt es zu produzieren. Alle Welt sprach damals von der "Aktivierung der Bildungsreserven" aus den Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen. Immerhin brachte das BAföG erstmals das individuelle Recht auf - familienabhängige - Ausbildungsförderung mit sich, eine grundsätzliche Eingnung genügte, besonders gute Leistungen waren nicht mehr erforderlich.
Guter Beginn - aber bald erste Verschlechterungen
Das BAföG war in den ersten Jahren ein Vollzuschuss, es musste also nichts zurückgezahlt werden - wie ein Gehalt. 1972 wurden 44,6% der Studierenden durch BAföG gefördert (270.000 BAföG-EmpfängerInnen bei 606.000 eingeschriebenen Studierenden).
Der Kreis der Anspruchsberechtigten wurde im Laufe der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts maßgeblich erweitert. Neben Studierenden wurden auch Auszubildende, SchülerInnen und andere anspruchsberechtigt.
1974 wurde ein verpflichtendes Grunddarlehen trotz massiver Proteste eingeführt, das jeweils unabhängig von der wirklichen Förderhöhe von jedem/jeder BAföG-EmpfängerIn aufzunehmen ist. Die Höhe des Darlehensanteils stieg bis 1977 auf bis zu 150,- DM. Das Grunddarlehen war unverzinst zurückzuzahlen. Nur wer einen höheren BAföG-Anspruch hatte, bekam noch einen Zuschuss.
Volldarlehen in den 1980er Jahren
Schon vor Machtübernahme durch schwarz-gelb wurde 1981 aus Haushaltsgründen erstmals massiv an den Anspruchsberechnungen gedreht. Insgesamt wurden 600 Mio. DM eingespart, nachdem die Gesamtausgaben 1981 auf 2,4 Mrd. DM gestiegen waren. Unter anderem wurde nur noch positive Einkommsarten der Eltern gewertet, eine Verrechnung mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten oder mit dem Ehepartner wurde ausgeschlossen. Bis 1981 galt ein Antrag bis zu drei Monate rückwirkend, auch das eine Verschlechterung, die bis heute Bestand hat.
Mit der CDU-FDP-Bundesregierung kam es 1983 noch schlimmer: Das BAföG wurde auf Volldarlehen umgestellt - d.h. jedeR BAföG-EmpfängerIn muss die gesamte Summe der Ausbildungsförderung zurückzahlen. Die Zahl der BAföG-EmpfängerInnen beginnt, rückläufig zu werden, entsprechend der Prozentsatz der Studierenden aus einem Elternhaus mit niedrigem Einkommen und niedrigem Bildungshintergrund. Infos zum Volldarlehen und seinen Auswirkungen (der Schuldenberg konnte bis zu 60.000 DM betragen) findet Ihr auf den Webseiten der (Berliner) BAföG-Ini.
Die Wiedervereinigung bringt wenigstens ein 50%-Zuschuss
m Zuge der Wiedervereinigung musste auch das BAföG angepasst werden. Es wird auf ein Halbzuschussmodell umgestellt, was nach langen Jahren mal wieder eine Verbesserung ist. Die Hälfte ist ab sofort Zuschuss, die andere Hälfte Darlehen.
Nach dieser Verbesserung 1990 tut sich jedoch lange nichts. Bis 1999 sinkt durch eine unzureichende Anpassung der Freibeträge und Bedarfssätze der Anteil der Anspruchsberechtigten und tatsächlichen EmpfängerInnen rapide. Der Tiefstand ist 1998 mit nur noch 12,6% geförderten Studierenden erreicht.
Rot-grün: Große Reform geplant, immerhin kleine verwirklicht
Die neue rot-grüne Bundesregierung nimmt 1999 einige der schlimmsten Verschlechterungen durch die letzten BAföG-Novellen zurück und verspricht, mit der nächsten Novellierung eine grundsätzliche Reform durchzuführen.
Aus der grundsätzlichen Reform wird aber nichts. Insbesondere hatte sich das sog. "Drei-Körbe-Modell" nach Vorschlag des Deutschen Studierendenwerks (DSW) in der Debatte durchgesetzt - nicht aber in der Regierung (und hier vor allem bei Bundeskanzler Schröder, der sich besonders darum verdient gemacht hat, eine mögliche Reform zu verhindern).
Stattdessen wird mit einem Teil der Gelder aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen die Gesamtfördersumme um 1 Mrd. DM und damit u.a. die Freibeträge erhöht, der Kreis der Anspruchsberechtigten wächst wieder. Das Reförmchen bleibt jedoch weit hinter den selbst gesteckten Erwartungen und dem von Studierendenvertretungen, GEW und DSW als notwendig erachteten zurück.
Seit 2002 wurde das BAföG aber nicht mehr erhöht und auch die Freibeträge nicht angepasst. Leider ist auch 2007 nicht damit zu rechnen - offenbar kommt es zu grundlegenden Änderungen immer nur zu Beginn eines Jahrzehntes. Die nächste Bundestagswahl ist 2009 - im Jahr danach wird man sehen ...
Die BAföG-Story - Die BAföG-Geschichte in ganz ausführlich mit mehr Statistik
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