Entscheidung des Bundesfinanzhofes"Fallbeileffekt" der Einkommensgrenze beim Kindergeld wahrscheinlich verfassungsgemäß
Dieser Artikel beschreibt den Stand zum damaligen Zeitpunkt (siehe auch Artikel-Datum!). Wie es heute steht, sollte unser Service-Artikel zum Thema Kindergeld darstellen.
Beim Kindergeld hat es in den letzten Jahren einige Entscheidungen zugunsten der Kindergeld-Bezieher gegeben. So wurde gerichtlich festgestellt, dass vom Bruttogehalt durchaus mehr als nur die Werbungskosten abgezogen werden kann (insbesondere die Aufwendungen für die Sozialversicherungen - BVerfG vom 11.01.2005, Aktenzeichen: 2 BvR 167/02). Was dann noch übrigbleibt, musste aber unter dem Einkommens-Freibetrag liegen. Selbst wenn der Freibetrag nur um ein Euro überschritten wurde, fiel das Kindergeld komplett weg ("Fallbeil").
Schon im Februar 2006 hat das Finanzgericht Niedersachsen eine andere Ansicht vertreten (Aktenzeichen 1 K 76/04 vom 23.2.2006). Es war der Meinung, dass dieser "Fallbeileffekt" verfassungswidrig sein könne. Denn auch wenn die Unterhaltsverpflichtung der Eltern für ein Kind bei höherem eigenem Einkommen dieses Kindes abschmilzt, so ist es keineswegs so, dass beim Unterhaltsrecht ein Fallbeil zuschlägt. Nach Ansicht des Finanzgerichtes müsste also auch beim Kindergeld eine andere Regelung gefunden werden.
Das Revisionsverfahren im genannten Fall vor dem Bundesfinanzhof wurde allerdings von der beklagten Familienkasse zurückgenommen. Das Niedersächsische Finanzgericht erläutert dazu: "Hintergrund dafür war der Umstand, dass der BFH in zwei anderen Revisionsverfahren den Hauptstreitpunkt - Berücksichtigung privater Krankenversicherungsbeiträge - zugunsten der Kindergeldempfänger entschieden hatte (BFH-Urt. v. 16.11.2006 - III R 74/05, BFH/NV 2007, 559; BFH-Urt. v. 14.12.2006 - III R 24/06, BFH/NV 2007, 586)".
Zum zweiten Streitpunkt - fehlende Härtefallregelung ("Fallbeilwirkung") - war schließlich ein neues Revisionsverfahren beim BFH unter dem Az. III R 54/06 anhängig (Revision gegen ein Urteil des Nds. FG - Az- 11 K 401/00). In dem Verfahren III R 54/06 ging es auch um die Frage der Berücksichtigung von Lebensversicherungsbeiträgen des Kindes im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG."
Das Verfahren ist inzwischen (bereits am 29.05.2008) ziemlich lautlos abgeschlossen worden (Entscheidung siehe hier). Der Bundesfinanzhof hat beide Anliegen des Klägers zurückgewiesen. Insbesondere hat es den "Fallbeileffekt" als "verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden" bezeichnet und dazu auf andere Urteile verwiesen, in denen es ähnliche Freigrenzen ebenso wenig beanstandet hatte.
Könnte Bundesverfassungsgericht noch anders entscheiden?
Der Bundesfinanzhof hat auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Ebenso spricht er davon, dass "eine Anrufung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG ausscheidet." Der Bundesfinanzhof hat offenbar also nicht den Hauch eines Zweifels daran, dass der Fallbeileffekt verfassungsgemäß ist und deswegen auch eine Revision ausgeschlossen.
Nun ist nichts desto trotz die allerletzte Instanz immer das Bundesverfassungsgericht. Dort liegt (aus einem anderen Fall) offenbar eine Verfassungsbeschwerde dazu vor (Aktenzeichen 2 BvR 1874/08). Insofern kann es weiterhin Sinn machen, gegen eine abschlägige Entscheidung in Sachen Kindergeld wegen geringfügiger Überschreitung des Freibetrages Widerspruch einzulegen. Nun mit Verweis auf die Verfassungsbeschwerde. Wobei die Erfolgsaussichten allgemein nicht als groß angesehen werden. Aber man weiss ja nie ...
Quellen
- Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 29.05.2008, III R 54/06
- Hinweise des Niedersächsischen Finanzgerichts (veraltet, das war der Stand VOR der Entscheidung des BFH
- Entscheidung des Finanzgericht Niedersachsen, Aktenzeichen 1 K 76/04 vom 23.2.2006 (als Word-Datei)
- Ursprüngliches Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof (dieses wurde durch Rücknahme erledigt, siehe im Text für Details): Aktenzeichen III R 76/06