KampagneBAföG rauf!
Das Interview führte Jens Wernicke
Studis Online: Was war der Anlass, die Kampagne "BAföG rauf!" zu starten? Was sind die wesentlichen Forderungen?
Konstantin Bender: Seit 2001 ist das BAföG nicht mehr an die allgemeinen Lebenshaltungskosten angepasst worden. Unsere Kampagne soll auf – bezieht man die Inflation ins Denken mit ein – diese faktische Kürzung des BAföG hinweisen und versuchen, diese abzumildern. Zumal der von der Bundesregierung bestellte BAföG-Beirat erst kürzlich wieder die deutliche Aufstockung der BAföG-Sätze empfohlen hat.
Die nächsten Haushaltsverhandlungen des Bundes, die bis Mitte des Jahres erfolgen sollen, sind dabei in unseren Augen der ideale Zeitpunkt, dieses Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir fordern die Bundesregierung und den Bundestag im Rahmen unserer Kampagne auf, sich klar zum BAföG als Mittel zur Schaffung von Chancengleichheit im Bildungssystem zu bekennen und Studienkrediten eine Absage zu erteilen.
Studienfinanzierung ist aus unserer Sicht klare Aufgabe des Staates und darf nicht der Profitgier der Banken überlassen werden. Es ist seit Jahren empirisch belegt, dass die Bereitschaft sich für Ausbildung zu verschulden von der jeweiligen sozialen Herkunft abhängig ist. Und gerade die Menschen aus finanzschwachen Schichten, denen eine staatliche Studienfinanzierung besonders zugute kommen sollte, werden von einer Verschuldung für Ausbildung – eben auch mittels verzinster Kredite - besonders abgeschreckt. Zudem muss das BAföG der allgemeinen Preissteigerung angepasst werden und ist der EmpfängerInnenkreis des BAföG aus unserer Sicht auszuweiten, um einer größeren Zahl insbesondere von einkommensschwachen jungen Menschen staatliche Studienförderung zukommen zu lassen, als dies bisher der Fall ist.
Ebenso unerlässlich ist es im Rahmen der Internationalisierung, die Mitnahmemöglichkeit des BAföG bei Studienaufenthalten im Ausland zu verbessern. Nicht zuletzt sind die Bedarfssätze für Studierende mit Kind zu erhöhen. Obwohl dies die Bundesregierung nun in ihrem BAföG-Entwurf als soziale Wohltat verkauft, ist es extrem wichtig, darüber hinaus ebenso auch die Schlechterstellung, die durch die Kürzungen der Bezugsdauer beim Kindergeld und den Neuregelungen beim Elterngeld entstanden sind, zu kompensieren. Geschieht dies nicht, so wird es auch weiterhin unnötige Studienabbrüche geben. Dies gilt es zu vermeiden um endlich die Kombination von Studium und Kindererziehung spürbar zu verbessern. Dies würde einen entscheidenden Beitrag zur Erhöhung der Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung darstellen.
Um dies zu erreichen, gibt es die Homepage www.bafoeg-rauf.de, auf der UnterstützerInnen unterschreiben können.
Zum andern soll über Briefe und Gespräche mit Gewerkschaften aber auch Bundestagsabgeordneten versucht werden, diese für dieses Thema zu sensibilisieren. Für die aktive Unterstützung jeder/s Einzelnen hat der fzs einen Brief vorbereitet, den UnterstützerInnen an die jeweiligen EntscheidungsträgerInnen und das Bundesbildungsministerium schicken können. Dieser ist, wie alle anderen Materialien auch, demnächst auf der Homepage zum Download verfügbar.
Würden die bildungspolitischen SprecherInnen der CDU und SPD bald knietief in Briefen waten, wäre der Forderung nach einer spürbaren und längerfristigen Verbesserung der Situation anspruchsberechtigter Studierender deutlich Nachdruck verliehen.
Wieso wird die "BAföG rauf!"-Kampagne nur von Jusos und Grüner Jugend unterstützt? Handelt es sich um ein "Rot-Grünes Projekt"? Was ist mit anderen UnterstützerInnen?
Der fzs ist der parteiunabhängige, bundesweite studentische Dachverband der Studierenden in Deutschland. Die Initiative zu einer solchen Kampagne ging maßgeblich von ihm aus.
Für die Planung und Durchführung der Kampagne "BAföG rauf!" hat der fzs sich gleichberechtigte BündnispartnerInnen mit ins Boot geholt und hierbei auf ein breites Spektrum an möglichen BündnispartnerInnen wie SchülerInnenvertretungen, Gewerkschaftsjugenden, Parteijugendorganisationen etc. zugegangen und hat eine Zusammenarbeit angestrebt.
Neben einigen Organisationen des eher konservativen Spektrums, welche auf unser Anschreiben hin nicht einmal reagierten, hat sich bedauerlicherweise herausgestellt, dass eine Zusammenarbeit mit einigen dieser Organisationen aus unterschiedlichen Gründen nicht zustande kommen kann.
Betonen möchte ich an dieser Stelle aber, dass der fzs langfristig Ziele verfolgt, die deutlich über die kurzfristig in dieser Kampagne angelegten hinausgehen. Die Überlegung war hier: temporär ein Stückweit hinter den eigenen – dennoch richtigen und absolut notwendigen – Zielen zurückzubleiben, um kurzfristig praktische Verbesserungen erreichen zu können.
Die Bundesregierung plant aktuell ohnehin eine BAföG-Reform, sie soll zum Oktober diesen Jahres in Kraft treten. Was ist von dieser zu erwarten? Genügt sie den Forderungen der Kampagne "BAföG rauf!" nicht?
Die von der Bundesregierung geplante "Reform" greift zwar einige unserer Forderungen auf, bleibt allerdings – vor allem wegen ihrer Aufkommensneutralität (alle Maßnahmen werden so angelegt, das sie keine Kosten verursachen bzw. Kosten an der einen Stelle durch Einsparungen an anderer Stelle herausgeholt werden – alles innerhalb des BAföG-Gesetzes) – hinter den Zielen unserer Kampagne zurück. Wir halten diese Reform daher vor allem für eine "Pseudoreform", die vor allem Ablenkung von den tatsächlich bestehenden Problemen bringt.
Selbst positive Aspekte wie die Einführung einer Elternpauschale i. H. v. 113 € werden dabei zum Hemmschuh, wenn wir uns ansehen, dass die Höhe der Pauschale viel zu gering ist und zweitens "Pauschalen" generell an den Realitäten der Studierenden vorbei gehen: Der Betrag bleibt selbst dann noch konstant, wenn mehrere Kinder zu betreuen sind!
Die Forderung nach dem bereits angesprochenen höheren Zuschuss für Eltern lässt sich an dieser Stelle insbesondere mit der Einführung des neuen Elterngeldes begründen: Statt eines Erziehungsgeldes in Höhe von 300 Euro monatlich für zwei Jahre bzw. 450 Euro monatlich für ein Jahr erhalten Studierende mit Kindern seit dem 1. Januar 2007 nur noch ein Jahr lang 300 Euro Mindestelterngeld.
BildungspolitikerInnen der SPD-Bundestagsfraktion sowie die Gewerkschaft GEW haben vor kurzem darüber hinaus eine BAföG-Erhöhung gefordert. Was haltet Ihr davon? Ein erster "Sieg" für Eure Kampagne – oder zu erwartendes Lippenbekenntnis der "sozialen" Politik?
Klar, das ist ein erster wichtiger Erfolg, den wir mit dieser Kampagne errungen haben. Aber dies kann nur der allererste Schritt sein. Viele weitere müssen und werden folgen. Denn der Weg bis zur Erfüllung unserer Forderungen ist noch weit.
In Bezug auf die Forderungen von GEW und SPD will ich allerdings differenzieren: Die GEW sehe ich wie Gewerkschaften im allgemeinen als verlässlicher, wichtiger Partner im Kampf gegen Bildungs- und Sozialabbau. Von daher freut es mich natürlich sehr, dass die GEW Unterstützung für unsere Forderungen und unser Vorgehen signalisiert.
Bei der SPD ist festzuhalten, dass wir uns natürlich über die Forderungen ihrer BildungspolitikerInnen freuen. Aber hier müssen dann auch Taten der SPD-Fraktion im Sinne von Anträgen im Bundestag folgen. Und zwar schon bald, wenn es um den Haushalt 2008 geht. Hier müsste die SPD in der Koalition durchsetzen, dass für das BAföG deutlich mehr Geld bereitgestellt wird, damit dann wenigstens im nächsten Jahr die Freibeträge und Bedarfssätze beim BAföG erhöht werden können. Für dieses Jahr hat sie diese Möglichkeit schon verpasst – da hätte die SPD schon 2006 bei den Haushaltsverhandlungen für dieses Jahr entsprechenden Druck machen müssen, was sie aber nicht getan hat.
Über die – wie Du meintest – eher kurzfristigen Ziele der Kampagne fordert der fzs langfristig mehr. Was genau?
Zu allererst einmal muss das BAföG unabhängig von der sozialen und nationalen Herkunft für alle zur Verfügung stehen, die sich in Ausbildung befinden. Dies bedeutet natürlich auch, dass es möglich sein muss, alleine von den Mitteln des BAföG sein Studium zu absolvieren und nicht "nebenher arbeiten" zu müssen.
Hieraus leiten wir die Notwendigkeit einer armutsfesten, ausreichenden Bedarfsdeckung ab. Und schließlich ist diese Ausbildungsfinanzierung als Vollzuschuss zu konzipieren, die nicht von den Auszubildenden zurück zu zahlen ist. Aber bis dahin ist es ein langer Weg, auf dem noch viele Steine fortzuräumen sind.
Vielen Dank für das Gespräch.