Gefährliche IdeenMehr Stipendien, weniger BAföG?
Spätestens mit der Einführung von Studiengebühren wird von BildungspolitikerInnen immer betont, dass mehr Stipendien nötig seien. Selbst das Deutsche Studentenwerk, dem es ansonsten vor allem am Erhalt des BAföGs gelegen ist, fordert dies immer wieder ein. Wirklich viel getan hat sich bisher aber nicht, seit Jahren stagniert die Zahl der Studierenden, die ein Stipendium erhalten, bei um die 2%.
Nun will Nordrhein-Westfalen offenbar neuen Schwung in dieses Thema bringen. Da Bildung Ländersache ist, Stipendien aber (ähnlich wie das BAföG) wohl besser bundesweit geregelt werden sollten, soll sich die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) damit beschäftigen. Oder vielmehr: Einen Ausschuss einrichten.
Ob dabei mehr herauskommt, wird sich erst noch zeigen müssen. Allerdings wäre es nicht unbedingt erfreulich, wenn die Gedanken aus NRW Realität würden. Vorgeschlagen werden Stipendien in Höhe von 300 Euro im Monat, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Und vor allem für das Masterstudium. 194 Millionen Euro sollen 2012 von Bund und Ländern dafür aufgewendet werden, nochmals die selbe Summe erhofft sich NRW von Privat (also vor allem von Unternehmen).
Private Gelder staatlich aufstocken?
Als Gedanke wird auch geäußert, dass das Einwerben von privaten Stipendienmittel durch die Hochschulen finanziell im Verhältnis 1:1 unterstützt werden könne. D.h. wenn beispielsweise die TU München 10 Millionen Euro von einer Firma bekommt, solle der Staat weitere 10 Millionen dazu geben. Damit könne ein "Anreiz dafür gesetzt werden, dass die Hochschulen mit ihren Partnern vor Ort die für sie besten Lösungen umsetzen können."
Wenn aber staatliche Gelder vom Zufluss privater "Spenden" abhängen, würde das nochmals den Trend verstärken, dass einigen Unis als "Leuchttürme" Geld zufliegt (von privat und Staat), andere aber immer weniger Geld zur Verfügung haben. Denn eins ist klar: In finanzkräftigen Regionen würde es wohl mehr Geld für die Hochschulen geben. Wettbewerb an dieser Stelle kann nicht funktionieren, da die Bedingungen von vornherein zu unterschiedlich sind. Von möglicher Einflussnahme der "Spender" noch gar nicht geredet.
Stipendien auf Kosten des BAföGs?
Ebenso ist die Betonung der Masterphase merkwürdig. Was ist bis zum Masterstudium? Soll es etwa BAföG nur mehr für den Bachelor geben, danach nur noch Stipendien? Könnte es nicht sogar die Gefahr geben, dass das BAföG komplett ausgedünnt wird, so nach dem Motto: Wer gut ist, bekommt doch ein Stipendium? Und ist es sinnvoll, dass Stipendien-Gelder auch an Studierende gehen, die finanziell auch ohne Stipendium bestens dastehen, kann das überhaupt noch ein Anreiz sein?
All diese Fragen sind durchaus brisant. Der studentische Dachverband fzs spricht sich jedenfalls gegen die Pläne aus. Vor allem wird kritisiert, dass Stipendien bisher tendenziell die sozialen Unterschiede weiter zementieren (vgl. auch den Artikel Stipendien: "Nicht Lösung, sondern Teil des Problems"bei Studis Online). Denn wie sich in verschiedenen Untersuchungen gezeigt hat, werden Stipendien vor allem an Studierende aus wohlhabenderen Elternhäusern vergeben. "Ein Stipendium hängt nicht von guten Noten oder angeblicher Begabung ab, sondern von dem richtigen Auftreten. Die Studierenden, deren Eltern bei der Bewerbung helfen können oder selbst Studienerfahrung haben, sind eindeutig im Vorteil", erläutert fzs-Vorstandsmitglied Regina Weber.
Nach Ansicht des fzs fördern Stipendien häufig die Studierenden, die dies finanziell nicht unbedingt nötig haben. "Die angeblichen Leistungsstipendien erhalten vorwiegend Studierende aus besser verdienenden Familien. Wenn Bund und Länder die Pläne umsetzen, fließen mehrere hundert Millionen Euro in die Taschen dieser Studierenden statt bedürftigen Studierenden ein Studium zu ermöglichen," kritisiert fzs-Vorstand Weber den Vorstoß aus NRW. "Bei der letzten BAföG-Reform war der Bund nicht einmal bereit, die aktuelle Inflation auszugleichen geschweige denn eine Erhöhung des BAföGs zu finanzieren und nun soll viel Geld in ein völlig irrsinniges Stipendiensystem fließen."
In der Tat ist die Frage, ob die angesprochenen 194 Millionen Euro im Jahr nicht besser in einem Ausbau des BAföGs angelegt wären. Denn wenn es Ernst gemeint ist, dass mehr Studierende notwendig sind, dann ist das nur durch Breitenförderung möglich.