Teuer, kompliziert und nicht zielgerichtetStudienfinanzierung in Deutschland
Dass es schwer ist, durch die Möglichkeiten der Studienfinanzierung in Deutschland durchzublicken, dürfte fast jedeR StudentIn schon gemerkt haben. Dass es in Ländern wie bspw. Finnland deutlich besser aussieht und vor allem die staatliche Förderung nicht elternabhängig ist, hat mancher vielleicht auch schon gehört. Aber wenn wirklich alle staatlichen Leistungen (auch die indirekten wie Steuerfreibeträge, günstigere Krankenversicherungsbeiträge und ähnliches) zusammengerechnet und verglichen wird – wie steht Deutschland dann da?
Nach der aktuell vorgelegten Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) offenbar nicht gut. Vor allem der hohe Anteil von indirekter Unterstützung (die per se weniger transparent und durchschaubar ist) ist einmalig bei den untersuchten Ländern (England, Niederlande, Norwegen, Spanien, Tschechische). Da diese indirekte Unterstützung (unter anderem Steuerfreibeträge) gerade auch einkommensstärkeren Familien zu gute kommt, werden schließlich Studierende aus einkommensschwachen Familien nur geringfügig stärker unterstützt (mit 5720 Euro / Jahr) als solche aus einkommensstarken Familien (mit 5135 Euro / Jahr). Betrachtet man nur Studierende, die noch bei den Eltern wohnen, ist der Unterschied noch geringer: Studierende aus einkommensschwachen Familien bekommen 4669 Euro/Jahr vom Staat, bei einkommensstarken Haushalten ergeben sich 4523 Euro/Jahr (hier vor allem Steuerersparnisse, die den Familien vermutlich gar nicht so sehr bewusst sind).
Kinder am Rockzipfel ihrer Eltern
Deutschland fördert vor allem über die Familien. So wird das Kindergeld in der Regel an die Eltern gezahlt, Steuerfreibeträge gehen ebenso zugunsten der Eltern. Die dann über das Unterhaltsrecht angehalten sind, ihren Kinder die Ausbildung zu finanzieren. Bei finanzschwächeren Familien springt das BAföG elternabhängig ergänzend oder vollständig ein.
In anderen Ländern werden Studierende viel stärker als unabhängige Menschen angesehen und die Förderung wird weniger über die Familie abgewickelt. In der Studie werden für den deutschen Ansatz deutliche Worte gefunden:
- But even if the concept of support to the students’ parents is kept, one may well ask if the extent to which the state supports students via their parents is really appropriate in Germany, and if the support would not reach students better if the type of support was changed and if the support was aimed more directly at the students themselves.
Nur ist aktuell wohl kaum mit einer Änderung des Finanzierungssystems in Deutschland zu rechnen. Am ehesten werden noch mehr Stipendien versprochen (ein paar wenige mehr gibt es inzwischen auch, mit staatlicher Unterstützung inzwischen für 0,9% statt 0,7% der Studierenden ...). Was aber auch keine wirkliche Lösung ist – vgl. auch den Artikel "Nicht Lösung, sondern Teil des Problems".
Alternativen?
Alternativ-Konzepte zum BAföG gibt es eine Menge (die drei wichtigsten werden im Artikel Alternative Modelle der Studienfinanzierung erläutert). Sie bedeuten eine Menge Gesetzesänderungen, wenn man wirklich einen Systemwechsel möchte. Je nach Modell sind auch die Kosten zumindest anfangs höher als heute. Und natürlich würde es auch Verlierer geben, wenn man es mit Umverteilung Ernst meint. Was das ganze nicht einfach durchsetzbar macht. Aber eigentlich wäre es mal an der Zeit.
Vorsicht ist aber geboten: Natürlich lässt sich auch ein billiger Systemwechsel erreichen. BAföG (oder gar auch Kindergeld) abschaffen, leicht vergünstigte Studienkredite für alle wäre ein Beispiel dafür.
Quellen und weiteres zum Thema
- Public/private funding of higher education: a social balance (Ausgabe 5|2008 der HIS-Publikationsreiche Forum Hochschule; PDF-Datei)
- The consequences of different costsharing scenarios in Higher Education: Micro-Results for Germany (Christoph Gwosc, Higher Education Information System Hanover, Germany; PDF-Datei, wurde auf einer Konferenz zum Projekt vorgestellt)
- Studienfinanzierung in Europa: Förderkonzepte (Artikel bei Studis Online)
- Übersicht Studienfinanzierungs-Möglichkeiten