Soziale SchieflageAuslandsstudium vom Elterneinkommen abhängig
Der Sonderbericht "Internationalisierung des Studiums" aus der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) betrachtet sowohl die Lage ausländischer Studierenden in Deutschland als auch diejenige deutscher Studierender im Ausland. Die folgenden Angaben beziehen sich auf 2005, wenn nichts anderes genannt ist.
Deutsche Studierende im Ausland
Der Präsident des Deutschen Studentenwerks, Prof. Dr. Rolf Dobischat, freut sich aus Anlass der Vorstellung der Studie über die steigende internationale Mobilität deutscher Studierender. Immerhin 15,8% aller Studierenden haben bereits einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt absolviert. Dabei sinkt die Quote im Vergleich zu den Jahren 2003 und 2000. Zwar wird etwas mehr im Ausland studiert (7,2% im Vergleich zu 6,9% im Jahr 2000), andere studienbezogenen Auslandsaufenthalte wie Praktika oder Sprachkurse nehmen jedoch stärker ab.
Alarmierend ist aus Sicht des DSW die Abhängigkeit der Auslandsmobilität von der sozialen Herkunft. Gliedert man die 2006 Befragten nach der sozialen Herkunftsgruppe auf, so stellt sich heraus, dass von denen aus niedrigere Herkunftsgruppe nur 9% ins Ausland gehen, bei denen aus hoher Herkunftsgruppe dagegen 21%.
Dobischat fordert daher: "Diese soziale Schieflage muss beseitigt werden. Alle Studierenden müssen international mobil sein, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft oder dem Geldbeutel ihrer Eltern."
Auslandsstudium ist finanzielle Mehrbelastung
Die Studie befragte die deutschen Studierenden auch nach Faktoren, die die persönliche Einstellung zu einem studienbezogenen Auslandsaufenthalt beeinflussen. Unterschieden wurde dabei noch zwischen denen, die schon Auslandserfahrungen haben und denen, die bisher nicht im Rahmen des Studiums im Ausland waren.
Es zeigt sich, dass die meisten potentiellen Probleme nach einem studienbezogenen Auslandsaufenthalt nicht mehr so schwerwiegend angesehen werden. Die finanzielle Mehrbelastung bleibt aber auch für diejenigen mit Auslandserfahrung mit 54% entscheidender Faktor. Mögliche Zeitverluste im Studium sind für 34% der Auslandserfahrenen relevant. Einen geringen Nutzen für das Studium im Deutschland sehen nur 17%.
Studierende aus dem Ausland in Deutschland
Deutschland ist nach den USA und Großbritannien das drittbeliebteste Zielland für ausländische Studierende. Insgesamt gab es 2006 bereits 248.357 ausländische Studierende, was einem Anteil von 12,5% an der gesamten Studierendenschaft bedeutet. Werden nur BildungsausländerInnen betrachtet (also Studierende, die ihre Hochschulreife außerhalb Deutschlands erworben haben), so sind es inzwischen 189.450 Personen, die aus dem Ausland nach Deutschland zum Studium kommen. Zum Vergleich: 1997 lag die Zahl der BildungsausländerInnen gerade bei 100.033.
Die größte Gruppe stellen ausländische Studierende aus der VR China (26.061, 13,8% aller BildungsausländerInnen), es folgen Bulgarien (12.423, 6,66%), Polen (12.301, 6,5%) und die Russische Föderation (9.826, 5,2%). Aus Frankreich studierten 2006 immerhin 5.293 Menschen in Deutschland, aus Österreich 4.225, aus Spanien 3.976. Aus dem Hauptzielland ausländischer Studierender, den USA, hielten sich umgekehrt gerade einmal 2.757 Studierende in Deutschland auf.
Ausländische Studierende sind von Hochschulreformen verwirrt und haben finanzielle Sorgen
Selbst für Studierende aus Deutschland hat die laufende Umstellung der Studienabschlüsse auf Bachelor und Master für einige Verwirrung gesorgt. Dass ausländische Studierende damit ebenfalls Probleme haben, ist eigentlich wenig überraschend. Für den DSW-Präsident belegen die Daten ein Integrationsdefizit, das auch für die hohe Studienabbruchquote mitverantwortlich sei. Er sagte: "Die vielen aktuellen Hochschulreformen, voran die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master, erschweren den ausländischen Studierenden die Orientierung im deutschen Studiensystem zusätzlich."
Im Anbetracht der Haupt-Herkunftsländer der ausländische Studierenden ist ebenfalls nicht überraschend, dass ihre finanzielle Lage angespannt ist: "Ausländische Studierende haben mit 645 Euro im Monat deutlich geringere Einnahmen als ihre deutschen Kommilitoninnen und Kommilitonen. Mehr als die Hälfte der ausländischen Studierenden ist erwerbstätig, die zwei weiteren wichtigsten Finanzierungsquellen sind die Unterstützung durch die Eltern sowie Stipendien", erläutert Dobischat.
Auch studentischer Dachverband fordert mehr Bemühungen zur Unterstützung ausländischer Studierender
Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) fühlt sich durch die Studie in seinen Forderungen nach einer Verbesserung der finanziellen und rechtlichen Situation ausländischer Studierender bestätigt. "Es gibt eine Reihe hausgemachter Probleme, die ausländischen Studierenden das Leben unnötig schwer machen. Beispielsweise wurden an vielen Hochschulen in Deutschland in den letzten Jahren die Anzahl der Sprachkurse für ausländische Studierende massiv gekürzt", erklärt Florian Hillebrand, Mitglied im Vorstand des fzs.
Die 12 häufigsten Schwierigkeiten ausländischer Studierender in Studium und Alltag, die in der Studie identifiziert werden, sind aus Sicht des Studierendenverbandes beunruhigend. Nur der Erhalt einer Arbeitserlaubnis ist im Vergleich zur letzten Erhebung 2003 einfacher geworden. In allen anderen Fällen hat sich die Situation der Studierenden nicht verbessert oder sogar verschlechtert. "Die größten Probleme bleiben weiterhin die fehlenden Orientierunghilfen im deutschen Studiensystem und der fehlende Kontakt zu deutschen Studierenden. Hier sind die Hochschulen gefordert, den Problemen durch mehr Beratung und bessere Integrationsangebote diesen entgegenzuwirken", fordert Hillebrand abschließend.
Bundesbildungsministerium ignoriert Probleme
Andreas Storm, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, ist in der Pressemitteilung des BMBFs zur Studie wenig selbstkritisch und überschreibt die Mitteilung mit dem Zitat "Deutschland ist attraktiv für ausländische Studierende". Auf die festgestellten Probleme geht er mit keinem Wort ein. Nur dazu, dass das Auslandsstudium deutscher Studierender von der sozialen Herkunft abhänge, gibt es ein Statement. Wobei so getan wird, als ob mit der letzten BAföG-Novelle das Problem gelöst sei: "Um allen Jugendlichen die Chance auf ein Auslandstudium zu ermöglichen, hat das Bundesbildungsministerium mit der 22. BAföG-Novelle das Auslandstudium erleichtert: So sind nun auch komplett im europäischen Ausland durchgeführte Ausbildungsgänge nach dem BAföG förderfähig."
Dabei dürften die ersten Semester kaum das Problem gewesen sein. Ein vollständiges Auslandsstudium ist nach wie vor eine Ausnahme. Für einen Auslandsaufenthalt in der EU hat sich seit einigen Jahren das BAföG genau genommen sogar verschlechtert: Innerhalb der EU gibt es keinen Auslandszuschlag mehr, was gerade ein Studium in "teuren" Ländern der EU schwieriger macht.
Materialien und Quellen
- Sonderbericht "Internationalisierung des Studiums" (PDF, 2.3 MB, via. sozialerhebung.de)
- Deutsches Studentenwerk: Ausländische Studierende besser integrieren! (Pressemitteilung des DSW, 22.04.2008)
- Storm: "Deutschland ist attraktiv für ausländische Studierende" (Pressemitteilung des BMBF, 22.04.2008)
- Nur wenige Verbesserungen für ausländische Studierende - Studentischer Dachverband fordert, dass die finanzielle und rechtliche Situation umgehend verbessert wird (Pressemitteilung des fzs, 22.04.2008)