Ideen im SommerlochStudienfinanzierungsmodell der Wirtschaftsverbände
Das Modell der Wirtschaft will nicht nur die Studienfinanzierung neu regeln, sondern auch die Geldzuteilung an die Hochschulen ändern. Vor allem soll das Problem angegangen werden, dass manche Bundesländer mehr Studierende ausbilden, als später in diesen Ländern auch arbeiten. Das wird – durchaus mit Recht – als Problem angesehen, denn "Folgerichtig erscheint es sinnvoll, die landeseigenen Hochschulinvestitionen knapp zu halten und auf die Zuwanderung gut ausgebildeter Absolventen zu vertrauen. Gesamtwirtschaftlich betrachtet hat dieses Trittbrettfahrerverhalten aber fatale Folgen: Es führt auf die Dauer zu einer Unterinvestition in den Hochschulbereich." (S. 11 Eckpunkte)
Ein Kernpunkt des Konzeptes sind daher "Studiengutscheine", die von allen Bundesländern (und für die ausländischen Studierenden vom Bund) anteilig nach ihrem "Ertrag" durch gut ausgebildete Beschäftigte bezahlt werden sollen und über die Studierenden an die Hochschulen gelangen, an denen schließlich studiert wird. Damit würde ein Anreiz für die Bundesländer geschaffen, in gute Hochschulen zu investieren. Allerdings haben die Bundesländer wohl wenig Interesse, sich auf diese Weise in den Bildungsföderalismus herein reden zu lassen (was auch erste Reaktionen aus den Ländern zeigen).
Studiengebühren gesetzt
Wenig überraschend bei den am Konzept Betiligten ist die Forderung nach Studiengebühren für alle Studierende (also auch in den Bundesländern, die bisher keine erheben). Als Begründung wird vor allem angeführt, dass Studierende so als "Kunden" mehr Einfluss auf das "Produkt", die Lehre hätten. Dass man Einfluss auch – und ganz ohne Gebühren – dadurch erreichen könnte, dass in den Gremien der Hochschulen mehr Studierende eine Stimme haben, an diese Variante können WirtschaftsvertreterInnen offenbar nicht denken.
Neben Studiengebühren in der aktuell bekannten Höhe (500 Euro/Semester) spielt das Konzept auch höhere Studiengebühren von bis zu 1750 Euro/Semester im Master vor. Und präferiert diese erhöhten Studiengebühren.
Totalumbau des BAföG
Bei der Studienfinanzierung pickt sich das Konzept Versatzstücke verschiedenster Modelle der Vergangenheit heraus. So soll – ähnlich dem ersten Korb beim "Drei-Körbe-Modell" des Deutschen Studentenwerks von Anfang des Jahrzents – es für alle Studierende ein kleines Grundbudget geben ("Bildungsbudget"). Die Rede ist dabei von ca. 120 Euro/Monat. Um dies zu finanzieren, soll ein Teil der familienbezogenen Transfers genutzt werden – also bspw. das Kindergeld (bzw. ein Teil davon) nicht mehr an die Eltern, sondern direkt an das Kind gezahlt werden.
Das BAföG soll zu einem Vollzuschuss werden und weiterhin elternabhängig gewährt werden. Der Vollzuschuss würde allerdings (auch unter Berücksichtigung des Bildungsbudgets) nicht vollständig ausreichen, um die Kosten für Lebensunterhalt und Studiengebühren abzudecken und soll offenbar an weniger Menschen als heute das BAföG gehen. Die Lücke soll ein Studienkredit schließen, der bundesweit zu gleichen Konditionen und relativ niedrigem Zinssatz erhältlich sein soll. Gedacht ist an unter 5% (wie heutzutage der Bildungskredit), die Kosten für den subventionierten Zins soll der Bund übernehmen. An dieser Stelle findet sich auch eine dezente Kritik am Bildungsföderalismus und seinen Auswüchsen (die Studienbeitragsdarlehen der Länder haben höchst unterschiedliche Ausgestaltung): "Die bundesweite Organisation der Studienfinanzierung ist deshalb so wichtig, weil Einzellösungen der Länder ungleiche Bedingungen für die Studierenden hervorbringen, die Mobilität einschränken und überdies teuer sind." (S. 27 Eckpunkte)
Nebenbei scheint das Modell auch am bestehenden Unterhaltsrecht rütteln zu wollen, da es zunächst in allen Modellrechnungen von Kreditfinanzierung des Studiums bei den Studierenden aus wohlhabenderen Familien ausgeht und kein Elternanteil mehr vorsieht. Auch wenn es dann später heißt, dass "in der Praxis werden gut verdienende Eltern auch weiterhin ihre studierenden Kinder direkt unterstützen". Allerdings würden – wenn das Konzept tatsächlich das Unterhaltsrecht der Studierenden streichen will – damit all diejenigen bestraft, deren Eltern sich dann einfach aus der Finanzierung zurückziehen. Heute können sie den Unterhalt einklagen (was allerdings wohl auch nur eine Minderheit tut), nach dem Modell ginge das gar nicht mehr und Schulden wären die einzige Möglichkeit.
Kommentar: Chancen auf Verwirklichung nahe Null
Die im Konzept angesprochene Kritik am Bildungsföderalismus (dass also die Bundesländer bei Bildungsfragen autonom handeln können und dies auch genüsslich tun) ist richtig. Aber genau das macht auch die Chancen auf eine Verwirklichung dieses Konzeptes wohl zunichte. Die Bundesländer scheinen keinerlei Interesse daran zu haben, ihre teilweise erst in den letzten Jahren so absolut erstrittenen Kompetenzen hier wieder – auch nur teilweise – an den Bund abzugeben.
Statt auf Studiengebühren zu setzen (und damit auf die Individualisierung von Risiken – ein Studium ist keine Garantie auf einen Arbeitsplatz), könnte man auch Steuern in Maßen erhöhen, um nicht nur die Hochschulbildung zu verbessern. Das wäre für die gesamte Gesellschaft von Nutzen, auch und gerade für die, die dann mehr Steuern zahlen müssten.
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) kritisiert die mit dem Modell offenbar einhergehende Verkleinerung des Kreises der BAföG-Bezieher. DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde hält es zwar für einen "interessanten Ansatz", das BAföG als eine von drei Finanzierungskomponenten für Studierende auf Vollzuschuss umzustellen. Doch wenn diese Umstellung wie vorgeschlagen einherginge mit einer deutlichen Reduktion der BAföG-Geförderten sowie einer stärkeren Kreditfinanzierung, würden gerade Studierwillige aus einkommensschwächeren und Mittelstands-Familien abgeschreckt. "Das wäre das Gegenteil dessen, was Deutschland braucht und was die Verbände doch eigentlich auch anstreben", so Meyer auf der Heyde.
Grundsätzlich ist die Frage, ob Bildung in Kategorien wie "Kunde" und "Produkte" gedacht werden sollte. Besser erscheint es doch, Bildung als Grundrecht für alle Menschen und nicht als Produkt zu sehen. Auch wenn es natürlich am Ende auch dem beruflichen Fortkommen dient. Aber hoffentlich nicht nur ...
Quellen und Hintergründe
- Pressemitteilung des Institut der deutschen Wirtschaft Köln zum neuen Modell (PDF, ca. 208 kB)
- Eckpunkte einer investitionsorientierten Hochschulfinanzierung (PDF, ca. 2,2 MB)
- Studienfinanzierungs-Vorschlag der Wirtschaft: Deutsches Studentenwerk skeptisch (Pressemitteilung vom 16.07.2008)
- Studienfinanzierungsmodell des BDA frisch aufgebrüht (09.02.2005; zum Vergleich, was einer der am aktuellen Modell beteiligte Wirtschaftsverband vor ein paar Jahren forderte)