Eigenes Vermögen oder nicht?Oberverwaltungsgericht entscheidet »Sparbuchfälle«
Von Wilhelm Achelpöhler
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 14.10.2008 (Aktenzeichen 2 A 1172/05) eine Grundsatzentscheidung zu den sogenannten »Sparbuchfällen» getroffen. Bei diesen Fällen geht es regelmäßig um folgenden Sachverhalt: Die Großmutter legt ein Sparbuch auf den Namen ihres Enkelkindes an, behält das Sparbuch allerdings für sich und stellt es dem Enkelkind nicht zur Verfügung. Im Rahmen des BAföG-Datenabgleiches kommt dann heraus, dass es bei der Bank ein Sparbuch gibt, das auf den Namen des Studenten lautet. Die Ämter für Ausbildungsförderung haben in solchen Fällen regelmäßig unterstellt, dass es allein darauf ankommt, wer im Sparbuch als Inhaber bezeichnet ist. Dem Studierenden wurde in einem solchen Fall dann das gesamte Sparguthaben als Vermögen angerechnet, mit der Folge nicht unerheblicher Rückzahlungen von Ausbildungsförderung oder gar strafrechtlicher Schritte.
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat nunmehr mit seiner Entscheidung vom 14.10.2008 klargestellt, dass diese schematische Praxis nicht rechtmäßig ist. Es hat dabei an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeknüpft, dass bei Errichtung eines Sparkontos nicht entscheidend ist, auf welchen Namen das Sparbuch errichtet worden ist. Vielmehr ist entscheidend, wer nach der Vereinbarung mit der Sparkasse Kontoinhaber sein sollte. Fehlen ausdrückliche schriftliche Vereinbarungen, kommt es darauf an, ob Anhaltspunkte für eine Gläubigerstellung einer anderen als der im Sparbuch bezeichneten Person vorliegen. Wesentlich kommt es darauf an, wer das Sparbuch im Besitz hat, denn nach § 808 BGB kann die Sparkasse an den Inhaber des Sparbuches mit befreiender Wirkung zahlen. Wenn ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, ist aus diesem Verhalten zu schließen, dass sich der Zuwendende die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will.
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat aus dieser Rechtsprechung der Zivilgerichte nun die förderungsrechtliche Konsequenz gezogen und festgestellt, dass in einem solchen Fall die Sparguthaben nicht zum Vermögen des Auszubildenden rechnen und folglich eine Rückforderung von Ausbildungsförderung wegen des Sparguthabens nicht in Betracht kommt. Die Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung für alle Empfänger von Ausbildungsförderung. Sofern in der Vergangenheit die Ämter für Ausbildungsförderung in solchen Fällen zu Unrecht Ausbildungsförderung zurückverlangt haben, können die betroffenen Studierenden eine nachträgliche Überprüfung des Rückforderungsbescheides nach § 44 SGB X verlangen.
Wilhelm Achelpöhler ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und arbeitet in Münster. Er ist Autor zahlreicher Beiträge zum Hochschul- und Kommunalrecht. Er wurde mehrfach von Gesetzgebungsorganen der Länder als Sachverständiger auf dem Gebiet des Hochschulrechts und des Polizeirechts angehört.