Eltern müssen (nicht) zahlenStudiengebühren und Semesterbeitrag zusätzlich zum Unterhalt
Das Unterhaltsrecht ist immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen vor Gericht: Was müssen die Eltern zahlen, was nicht?
In seinem Urteil vom 23.12.2008 (Az. 11 UF 519/08) hat das OLG Koblenz quasi nebenbei entschieden, dass Eltern die Studiengebühren an einer staatlichen Hochschule zusätzlich zum ansonsten notwendigen Unterhalt zu leisten haben. Voraussetzung dafür ist, dass der/die StudentIn vor der Zahlung der Gebühr die Eltern dazu auffordert, diesen Betrag zu übernehmen. Darüber hinaus müssen die Eltern leistungsfähig sein, also genug Geld haben, um Unterhalt in der vorgesehenen Höhe zu zahlen.
Doch nicht nur die Studiengebühren müssen die Eltern zusätzlich zahlen, auch den Semesterbeitrag und den Verwaltungskostenbeitrag. So jedenfalls sah es das Oberlandesgericht Koblenz. Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr das OLG Düsseldorf mit seinem Beschluss vom 30.5.2012. Es hatte in einem Unterhaltsprozess zu entscheiden, in dem es "nur" um die Zahlung von Studierendenschafts- und Sozialbeiträgen ging (Az. II-3 UF 97/12). Nach seiner Ansicht ist die "Begründung des OLG Koblenz nur für Studiengebühren einschlägig, nicht aber für die Semesterbeiträge, die nach damaliger ganz überwiegender Rechtsprechung aus dem Regelunterhalt zu zahlen waren." Die Semesterbeiträge seien dem laufenden Lebensunterhalt eines Studenten zuzurechnen, da sie "der Finanzierung einer Reihe von Einrichtungen (dienen), die den Studierenden zur Erleichterung der Studiensituation zur Verfügung gestellt werden." Zudem bestehe kein Anlass, "Unterhaltsberechtigte gegenüber BAföG-Empfängern besser zu stellen, die diese Beiträge aus ihren BAföG-Leistungen erbringen müssen."
Was bedeuten die Gerichtsentscheidungen für andere in ähnlicher Lage?
Das Urteil des OLG Koblenz ist rechtskräftig. Es wurde keine Berufung mehr eingelegt. Für die Prozessbeteiligten ist also die Lage klar: Der Vater muss zahlen, die Tochter kann sich freuen. Das OLG Düsseldorf hat die Rechtsbeschwerde in seiner Entscheidung nicht zugelassen, womit das Verfahren auch hier beendet ist. In diesem Fall muss der Vater des klagenden Studenten die Semesterbeiträge nicht zusätzlich zahlen.
Für andere Studierende, deren Eltern sich ebenfalls weigern, zusätzlich zum Unterhalt auch die Studiengebühren zu tragen, obwohl sie ausreichend leistungsfähig sind, ist dadurch noch nichts entschieden. Zwar können sie mit dem Urteil im Rücken eher auf Erfolg hoffen, zumal das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung hat durchblicken lassen, dass es das Urteil des OLG Koblenz in Bezug auf Studiengebühren für richtig hält. Eine Garantie für eine studentenfreundliche Entscheidung in anderen Fällen ist das aber nicht. Entsprechendes gilt – umgekehrt – für die Semesterbeiträge: Angesichts der Entscheidung aus Düsseldorf sieht es tendenziell eher nicht danach aus, als könnte sich eine Klage auf zusätzliche Zahlung der Semesterbeiträge lohnen. Das schließt aber nicht aus, dass derjenige, der es trotzdem versucht, am Ende doch Erfolg hat.
Kein Gericht ist an die Entscheidungen der beiden Gerichte wirklich gebunden. Nur Amtsgerichte, die in den jeweiligen Gerichtsbezirken liegen, dürften mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bei vergleichbaren Fällen sozusagen kurzen Prozess machen und auf das vorliegende Urteil verweisen. Aber selbst da könnte es immer noch Details geben, die in bestimmten Fall zu anderen Entscheidungen führen.
Gerichte anderswo können grundsätzlich zu einem anderen Schluss kommen. Insbesondere würde dort in der nächsten Instanz (wenn weiter geklagt wird) ein anderes Oberlandesgericht urteilen, was ebenso andere Aspekte stärker gewichten könnte. Beispielsweise wäre nicht völlig auszuschließen, dass bei Studiengebühren auf die Studienbeitragsdarlehen verwiesen würde.
Erst mit einem Urteil auf Bundesebene (Bundesgerichtshof oder gar Bundesverfassungsgericht) wäre endgültig geklärt, wie Studiengebühren und Semesterbeiträge tatsächlich beim Unterhalt zu berücksichtigen sind. Oder ersatzweise wenn viele andere Gerichte sich den Entscheidungen aus Koblenz oder Düsseldorf anschließen.
Hintergründe und weiteres