Allensbach-StudieStudienfinanzierungsprobleme z.B. durch Studiengebühren schrecken ab
Allensbach-Befragung im Auftrag des Reemtsma Begabtenförderungswerk
Die in diesem Artikel erwähnte Studie (vollständiger Titel: "Chancengerechtigkeit? Studienfinanzierung als wichtiger Faktor der Entscheidungsfindung für die Aufnahme bzw. den Abbruch eines hochschulstudiums") wurde vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt, dass allgemein als eher konservativ eingeschätzt wird. Befragt wurden (zum Großteil online) 2153 SchülerInnen, die kurz vor dem Abitur standen (wir sprechen im Artikel einfach von AbiturientInnen) und 1852 Studierende im 1. bis 4. Semester. Auftraggeber der Studie war das Reemtsma Begabtenförderungswerk. Ein Download der Ergebnisse ist online möglich.
Seit Jahren betonen PolitikerInnen aller Parteien, sie wollten die Studienanfängerquote dauerhaft auf 40% eines Jahrgangs steigern. Nach wie vor wird dieser Wert unterschritten (zuletzt zwar nur knapp, in den Jahren davor aber deutlich um einige Prozente).
Als ein Hindernis für die Aufnahme des Studiums werden u.a. Studiengebühren angeführt. Vor allem konservative – als Parteien also CDU/CSU – aber auch liberale – FDP – widersprechen dem aber und behaupten, dank der Studienbeitragsdarlehen seien Studiengebühren kein Problem und würden niemanden vom Studium abschrecken.
Ein noch größerer finanzieller Brocken stellt bisher noch der Lebensunterhalt während des Studiums dar. Trotz Unterhaltspflicht der Eltern und BAföG ist die finanzielle Sicherheit vieler Studierender offenbar nicht ausreichend, wie auch die aktuelle Studie wieder einmal zeigt und damit der Ansicht vieler PolitikerInnen widerspricht.
Studium ist eine finanzielle Belastung
Selbst unter den AbiturientInnen mit fester Studienabsicht, aber auch unter den schon Studierenden wird zu 69% der Aussage zugestimmt, die finanzielle Belastung während des Studiums sei hoch. 36% der SchülerInnen und immer noch 34% der Studierenden sehen mit Sorge Schulden für das Studium, die sie später zurückzahlen müssten.
Entscheidend für die Studierneigung ist, wie die Studierwilligen glauben, mit dieser Belastung umgehen zu können. Unter denen, die die Finanzierung als sehr leicht ansahen, gaben 79% an, fest ein Studium anzustreben. Dieser Wert sank auf nur noch 44% bei denen, die die Finanzierung als sehr schwer ansahen.
Bestätigt wurde in der Studie erneut, dass SchülerInnen aus bildungsfernen Familien (Eltern haben nicht studiert oder nicht einmal das Abitur) eine geringe Studierneigung aufweisen. Haben sie sich erst einmal zu einem Studium entschlossen, ist unter ihnen die Abbruchneigung aber nur geringfügig höher als bei Studierenden, deren Eltern selbst schon studiert haben.
Wer ein Studium aufgenommen hat, denkt am ehesten über einen Studienabbruch nach, wenn die Finanzierung als "sehr schwer" eingestuft wird. Unter allen Studierenden, die aktuell an einen Studienabbruch denken, wird von 67% die finanzielle Belastung als zu hoch eingeschätzt.
Wer sich informiert, hat größere Sorgen ...
Selbst unter den AbiturientInnen, die fest vorhaben, zu studieren, haben sich laut der Studie erst 39% "sehr" mit Fragen zur Studienfinanzierung auseinandergesetzt. 53% haben sich immerhin "etwas" damit beschäftigt und 8% gar nicht. Je mehr sich die AbiturientInnen mit der Finanzierung beschäftigen, desto mehr gehen davon aus, dass die Finanzierung eher oder sehr schwer wird.
Unter denen, die sich sehr damit beschäftigt haben, gehen 22% davon aus, dass die Finanzierung sehr schwer werde, 47% geben "eher schwer" an, 23% eher leicht und nur 4% sehr leicht. Nur 4% können dazu noch nichts sagen. Bei denen, die sich gar nicht informiert haben, gehen nur 6% von einer sehr schweren Finanzierung auf, 31% von einer eher schweren, dafür aber 32% von einer eher leichten und 7% von einer sehr leichten. 24% können allerdings noch gar nichts dazu sagen.
Stipendien vor allem für Studierende aus Akademikerfamilien
Von den befragten Studierenden haben sich immerhin 18% um ein Stipendium beworben. Aktuell erhalten jedoch nur 4% eines, weitere 2% hatten zeitweise eines erhalten. Von den (nach eigener Einschätzung) guten Studierenden haben sich 24% um ein Stipendium beworben, 10% erhielten schließlich eines.
Wie bei uns schon mehrfach zu lesen war (z.B. im Artikel Stipendien: "Nicht Lösung, sondern Teil des Problems"), bestätigt sich auch in der aktuellen Studie wieder. Stipendien fördern vor allem auch diejenigen, die den richtigen "Habitus" haben – und nicht unbedingt diejenigen, die gut sind und finanzielle Förderung auch dringender bräuchten. Zusätzlich bewerben sich Studierende aus bildungsfernen Familien seltener überhaupt um ein Stipendium.
Betrachtet man nur diejenigen, die sich selbst als "gut" einschätzten, ergibt sich folgendes Bild: Von denjenigen, bei denen mind. ein Elternteil studiert hat, haben sich 29% um ein Stipendium bemüht und 14% tatsächlich bekommen (also fast die Hälfte). Bei denen, deren Eltern als höchsten Bildungsabschluss Haupt- oder Realschule haben, haben sich 20% um ein Stipendium bemüht und 6% eines erhalten (weniger als ein Drittel).
Was die befragten Studierenden fordern
Von den befragten AbiturientInnen und Studierenden sprachen sich über 80% dafür aus, dass neben der Familie vor allem der Staat finanzielle Unterstützung leisten sollte. Knapp unter 50% nennen auch "Wirtschaftsunternehmen". Auch die Universitäten selbst werden von knapp einem Drittel in die Pflicht genommen (wobei diese ja selbst größtenteils durch den Staat finanziert werden). Letzteres interpretieren die Macher der Studie dahingehend, dass die Studierenden von diesen vor allem einen Abschaffung der Studiengebühren erwarten.
Den Befragten wurden schließlich einige Möglichkeiten vorgelegt, in welcher Form sie finanziell unterstützt werden könnten. Eindeutig von den meisten (75% der AbiturientInnen und 78% der Studierenden) wurde die Übernahme von Studiengebühren genannt. Also wohl nichts anderes als die Abschaffung derselben. Als nächstes wurden Mietzuschüsse und günstige Wohnungen mit knapp über 60% genannt.
Stipendien, die nicht zurückgezahlt werden müssen, wurden von fast erstaunlich wenigen, nämlich nur 55% genannt. Offenbar glauben viele nicht daran, dass sie davon je profitieren können – "Stipendien für alle" hätte vermutlich eine höhere Zustimmung erhalten. Von Studierenden werden schließlich noch von 50% Gutscheine für Bücher und Möbel als sinnvoll erachtet (AbiturientInnen nannten dies nur zu 41%). Zinsgünstige Darlehen werden von nur 33% als sinnvoll erachtet. Gar keine Unterstützung wollen 8% der AbiturientInnen und 6% der Studierenden (die Formulierung in der Umfrage: "Keiner sollte unterstützen, das ist Aufgabe der Studenten, z.B. durch Jobs, Kredite).
Konsequenzen?
Der studentische Dachverband fzs fordert aus Anlass der Allensbach-Studie: "Studienfinanzierung auf solide staatliche Grundlage stellen". Florian Keller, Mitglied im fzs-Vorstand, erklärte dazu: "Die Resultate der Studie sind eindeutig und unmissverständlich: Die finanzielle Belastung der Studierenden ist vor und während des Studiums sprengt jede Skala und führt zu Studienverzicht und Studienabbruch. Vor diesem Hintergrund ist es eine politische Notwendigkeit, Studiengebühren in jeder Form sofort abzuschaffen." Seine Kollegin Anja Gadow ergänzt: "Wir fordern die angesichts der heute veröffentlichten Studie eine regelmäßige Anpassung der BAföG-Fördersätze welche eine bedarfsgerechte Finanzierung des Studiums sichert sowie die Abschaffung der Rückzahlungspflicht."
Schöne Forderungen (für die einiges – wie ja auch die Studie zeigt – spricht), aber zur Zeit leider wohl ohne Chance auf Realisierung.
Quelle und weiteres zum Thema