BAföG, Studienfinanzierung und anderesWas der Wahlausgang für (künftige) Studierende bedeutet
Mehr Stipendien auf Kosten des BAföG?
Folgenlos bleibt eine Wahl nie ...
Zwar haben weder CDU/CSU noch FDP (auch in den Antworten auf unsere Wahlprüfsteine) explizit eine Abschaffung des BAföG gefordert. Dass beide Parteien keine so großen Freunde des BAföGs (mehr) sind, ist aber kein Geheimnis. Eine Weiterentwicklung und Ausweitung des BAföGs ist daher nicht zu erwarten. Dass es ganz abgeschafft wird, ist zwar nicht wahrscheinlich, aber durchaus denkbar (dann aber auch nicht sofort).
Stattdessen ist wahrscheinlich, dass für "Leistungs-Stipendien" unabhängig vom Einkommen der Eltern deutlich mehr Geld zur Verfügung gestellt wird. Auch wenn dieses Geld in der Regel eher bei Kindern wohlhabender Eltern landet, also eher denen noch mehr gibt, die sowieso schon haben. Parallel wird man aber sicher betonen, dass man besonders Kinder aus "bildungsfernen / finanzschwachen" Familien damit unterstützen will. Das hört sich dann gut an, bisher haben Stipendien aber - so zeigen auch verschiedene Studien (z.B. des HIS) der letzten Jahre - immer eine starke soziale Schieflage. Die sogar stärker ist, als in der Gesamtstudierendenschaft. Schon in dieser sind Kinder aus finanzschwachen Haushalten unterrepräsentiert (verglichen mit der Gesamtgesellschaft), bei Stipendien aber sogar noch weniger vertreten.
Studienkredite statt BAföG?
Da wie erläutert das BAföG sicherlich keinen Ausbau erfahren wird, dürfte auf der anderen Seite eher eine Tendenz in Richtung kreditfinanzierte Studienfinanzierung stattfinden. Würde tatsächlich das BAföG stärker angegriffen, dürfte ein "Ausgleich" in Form von einer staatlichen Stützung von Studienkrediten kommen. Das könnte dann so aussehen, dass der Staat gewisse Zahlungsausfälle übernehmen könnte (wenn AbsolventInnen nach dem Studium zunächst zu wenig verdienen, um ihren Kredit zurückzuzahlen) oder die Zinsen etwas senkt oder Garantien für einen Höchstzins gibt, der nicht überschritten wird.
Für alle, die vorher BAföG-Höchstsatz (oder jedenfalls viel BAföG) bekommen haben, wäre das aber trotzdem weit schlechter. Heute ist die Rückzahlungssumme des BAföG (sofern man nur BAföG während der Regelstudienzeit in Anspruch nimmt und kein Fachwechsel vornimmt) auf 10.000 Euro beschränkt. Müssen dagegen 10 Semester (6 Bachelor+4 Master) pro Monat 600 Euro (was noch nicht mal ganz der BAföG-Höchstsatz wäre) Kredit in Anspruch genommen werden, wäre die Rückzahlungssumme schon ohne Zinsen bei 36.000 Euro. Kommen noch Zinsen dazu, steigt diese Summe leicht über 50.000 Euro.
Besser gestellt wären all diejenigen, die heute kein oder wenig BAföG bekommen und (aus welchen Gründen auch immer) von ihren Eltern kein Geld in Anspruch nehmen wollen. Sie sind heute auf einen Kredit angewiesen. Finden sie nach dem Studium nicht schnell genug einen Job und können dann die Raten nicht zurückzahlen, könnten sie sogar gezwungen sein, eine Privatinsolvenz anzumelden. Würde zukünftig der Staat in solchen Fällen zeitweise einspringen, wäre zumindest dieser Schritt verhindert. Auch die Zinsen würden durch Staatsgarantien sicher etwas günstiger als heute.
Vielleicht käme letzteres auch ergänzend zum (schleichend ausgedünnten) BAföG. Ein schleichend ausgedünntes BAföG bedeutet allerdings auch automatisch mehr Studierende, die (ergänzend) auf Studienkredite angewiesen sind. BAföG ist immer besser als ein Studienkredit – die Frage ist bei ersterem leider nur, ob man es überhaupt bekommen kann.
Hochschulzugang und Auswahlverfahren
Mit der neuen Regierung ist die endgültige Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes relativ sicher. Ob dies konkrete Auswirkungen auf Studierende haben wird, hängt dann vom Verhalten der einzelnen Bundesländer ab. Sie könnten so noch freier als sowieso schon eigene Regelungen z.B. in Bezug auf den Hochschulzugang einführen. Im schlimmsten Fall könnte es zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen kommen. Das (Fach-)Abitur dürfte aber weiterhin bundesweit anerkannt bleiben, dass einzelne Länder auch aus den zwischen allen Bundesländern geschlossenen Staatsverträgen bezüglich der gegenseitigen Anerkennung aussteigen, ist unwahrscheinlich.
In Sachen Zulassungsbeschränkungen und Auswahlverfahren wird es kein Bundesgesetz geben. Auch hier bleibt es also Sache der Länder, wie mit Zulassungsverfahren umgegangen wird. Es steht zu befürchten, dass weiterhin die meisten direkt von den Hochschulen abgewickelt werden und teilweise nicht einmal eine Teilnahme am geplanten Datenabgleich (zur frühzeitigen Erkennung von Mehrfachbewerbungen) stattfinden wird. Der Bund jedenfalls dürfte sich hierbei vollkommen heraushalten.
Auch die Frage der Abschlüsse (Bachelor, Master etc.) wird in Deutschland im Detail Sache der Bundesländer bleiben, der Bund sich heraushalten. Eine Reform der unter dem Stichwort "Bologna-Prozess" vollzogenen Änderungen wird also kaum durch den Bund angestoßen werden, sondern die Länder ihr eigenes Ding drehen.
Bildungsstreik II?
Im Sommer hatten aktive Studierende und SchülerInnen – für manche durchaus überraschend – Hunderttausende auf die Straße gebracht. Die angesprochenen Themen betrafen zum einen auch Dinge, auf die der Bund weiterhin Einfluß haben wird (Studienfinanzierung) als auch die Studienreform, die Sache vor allem der Länder war und noch mehr sein wird. Die neue Regierungskoalition dürfte den Protestierenden kaum entgegen kommen – es könnten protestreiche Zeiten an Hochschulen werden, der Bildungsstreik vom Sommer weitergehen. Vielleicht nicht gleich in diesem Herbst, aber im kommenden Sommer, wenn die Pläne der neuen Regierung klar sind oder sogar schon die Umsetzung (Beginn der Gesetzgebungsverfahren) derselben beginnen soll.
Zu den Ländern: Langzeitstudiengebühren in Sachsen – sonst noch vieles unklar
Nur in Sachsen sind die Koalitionsverhandlungen nach den Wahlen Ende August schon abgeschlossen. Die CDU hatte vor den Wahlen allgemeine Studiengebühren ausgeschlossen, die FDP wollte es den Hochschulen überlassen, welche einzuführen. Der "Kompromiss" sieht nur Langzeitstudiengebühren vor – diese aber vom Land vorgeschrieben und nicht etwa Sache der Hochschulen. Die Details sind allerdings noch offen.
In den anderen Bundesländern ist die Lage noch etwas unübersichtlich. Zur konkreten finanziellen Ausstattung der Hochschulen in Zukunft kann man – unabhängig von den zukünftigen Regierungskoalitionen – noch wenig sagen. Denn alle werden es auch von der Finanzlage abhängig machen und erstmal einen Kassensturz durchführen.
In Thüringen könnte es eine rot-rot-grüne oder eine schwarz-rote Koalition geben. Mit beiden dürfte es keine allgemeinen Studiengebühren geben, mit ersterer Kombination wäre eine Abschaffung der Langzeistudiengebühr denkbar (aber auch nicht sicher).
Im Saarland hängt es vor allem an den Grünen: Gehen sie eine Koalition mit SPD und Linken ein oder eine mit CDU und FDP? In ersterem Fall dürften die Studiengebühren abgeschafft werden, im zweiteren eher nur abgemildert werden.
In Schleswig-Holstein ist noch nicht sicher, ob es wirklich zu einer Mehrheit von CDU und FDP kommt, da sie nur durch (umstrittene) Überhangmandate erreicht wird. Angenommen, es wäre so, wären landesweite allgemeine Studiengebühren trotzdem ausgeschlossen, da sie von CDU und FDP vor den Wahlen ausgeschlossen wurden, von der FDP sogar ganz deutlich im Wahlprogramm. Langzeitstudiengebühren könnten theoretisch aber kommen.
In Brandenburg ist wohl eine Fortsetzung der großen Koalition unter SPD-Führung am wahrscheinlichsten. Allgemeine Studiengebühren sind nicht zu erwarten, auch Langzeitstudiengebühren eher unwahrscheinlich.