Gesetzesnovelle 2010Vorschläge für eine BAföG-Reform
Vorschläge für Verbesserungen des BAföGs gibt es seit Jahren immer wieder, mal radikaler in Bezug auf einen Totalumbau (entweder deutlich teurer, wenn für mehr Leute Zuschuss oder auch billiger, wenn Umstellung auf Volldarlehen, evt. gar verzinst), mal nur die Höhe der Freibeträge und Bedarfssätze betreffend. Auch jetzt, wo eine neue BAföG-Novelle ansteht, werden wieder Vorschläge ausgebreitet.
Erhöhung der BAföG-Bedarfssätze und der Freibeträge
Am ehesten wird sich bei der Berechnung des BAföGs etwas ändern: Höhere Bedarfssätze und Freibeträge sind ab Oktober 2010 zu erwarten
Zwar wurde mit der letzten BAföG-Novelle 2008 die Bedarfssätze und Freibeträge deutlich angehoben (um jeweils fast 10%). Da davor allerdings sieben Jahre nichts getan wurde, war die Erhöhung nicht ausreichend, um – bezieht man die Inflation ein – das Niveau von 2001 zu erreichen. Bis zur nächsten Erhöhung sind dann wieder zwei Jahre vergangen, eine niedrige einstellige Erhöhung wäre also nicht ausreichend, wenn (was natürlich die Frage ist) das Ziel sein soll, das Niveau von 2001 zu erreichen oder noch zu übertreffen.
Genau mit dem Ziel, deutlich mehr BAföG-EmpfängerInnen zu erreichen, fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) denn auch konkret, das BAföG Ende 2010 um deutliche 10% anzuheben (sowohl Freibeträge als auch Bedarfssätze).
Die Studentenwerke sind hier – in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund – etwas zurückhaltender: Sie fordern, dass die Bedarfssätze "um 3 bis 4%", die Freibeträge um "mindestens 4 bis 5%" anzuheben seien. Damit konkretisiert das Deutsche Studentenwerk seine Forderung von Anfang Dezember, als es hieß, die Anhebung solle auf Basis der Preisentwicklung seit Herbst 2007 beruhen. Hintergrund dieser Forderung war, dass die Erhöhung zum Herbst 2008 grob auf Basis der Preisentwicklung von 2001 bis eben Herbst 2007 errechnet wurde. Die Elternfreibeträge sollten jedoch "massiv" angehoben werden, "damit insbesondere mehr Studierende aus der unteren Mittelschicht von der Förderung profitieren könnten". 5% sind so gesehen sogar eher bescheiden.
Am Ende wird es wahrscheinlich auf eine Erhöhung der Bedarfssätze im unteren bis mittleren einstelligen Prozentbereich hinauslaufen, nicht anders bei den Freibeträgen. Dass wirklich substantiell mehr Menschen vom BAföG erreicht werden können, dürfte sich eher nicht erfüllen. Statt dessen wird wohl eher auf das Stipendienprogramm verwiesen werden, mit dem aber per se kaum mehr Menschen zum Studium gelockt werden können, denn wer kann schon sicher wissen, immer zu den 10% Besten zu gehören (sofern soviel Stipendien überhaupt zusammen kommen werden)?
Anhebung der Altersgrenze
Eine Idee hinter den Bachelor- und Master-Studiengängen war gerade auch, dass man nach dem Bachelor erstmal Berufserfahrungen sammeln kann. Um dann noch einen Master anzuschließen. Wer vor dem Master aber schon 30 Jahre alt ist, bekommt dafür kein BAföG mehr. Genau so wenig, wenn er oder sie direkt im Anschluss an den Bachelor den Master macht, aber zu Beginn des Masters schon 30 ist. Bei einem Diplomstudiengang konnte man mit 29 anfangen und bekam ihn komplett durch BAföG finanziert. Beim zweistufigen System wäre in so einer Konstellation nach dem Bachelor Schluss.
So fordern praktisch alle, die sich Gedanken zum BAföG gemacht haben, eine Erhöhung der Altersgrenze. Wobei es verschiedene Varianten gibt. Einige wollen die Grenze pauschal erhöhen, z.B. auf 35, 40 oder 45 (selbst das CHE fordert letzteres) – oder sogar ganz abschaffen (DGB, Deutsches Studentenwerk u.a.). Andere meinen, dass die Grenze von 30 für den Bachelor (oder andere Ausbildungen) bleiben solle, nur beim Master solle man als Altersgrenze für den Beginn des Studiums 35 setzen.
Auch Bundesbildungsministerin Schavan deutete an, eine Erhöhung in Erwägung zu ziehen. Nun kann sie darüber nicht endgültig entscheiden: Bundeskabinett, Bundestag und Bundesrat müssen alle zustimmen und auf diesem Wege Parteigremien, Ausschüsse und andere. Zumindest eine Erhöhung der Altersgrenze für Master-Studiengänge scheint aber nicht unwahrscheinlich.
"Familenfreundliches BAföG"
Mit der letzten BAföG-Novelle wurde ab Dezember 2007 für Studierende mit Kind der Kinderbetreuungszuschlag eingeführt. Den gibt es aber nur für Kinder unter 10 Jahren. Wer sehr jung ein Kind bekommen hat und mit um die 30 studiert, dessen Kind kann diese Grenze schon überschreiten und es gibt keinen Zuschlag. Hier schlägt bspw. der best practice-Club "Familie in der Hochschule" vor, die Altersgrenze für zu berücksichtigende Kinder auf mind. 13 zu erhöhen.
Bisher brechen sehr viele Studierende mit Kind ihr Studium ohne Abschluss ab. Um die Abbrecherquote zu verkleinern, schlägt der best practice-Club noch einige weitere Maßnahmen vor. So soll ab der Schwangerschaft das BAföG als Vollzuschuss gewährt werden. Bisher gibt es einen Vollzuschuss nur für zusätzliche Semester, die dadurch zustande gekommen sind, dass sich das Studium wegen Schwangerschaft/Kindererziehung verlängert hat. Als Maximalforderung wird sogar genannt, für Studierende mit Kind das komplette BAföG (auch für die Zeit vor der Schwangerschaft, sofern nicht schon mit Kind das Studium begonnen wurde) als Zuschuss zu gewähren.
Schließlich wird vorgeschlagen, insbesondere Studierenden mit Kind BAföG auch bei einem teilzeitorientiertem Studium möglich zu machen. Dabei soll das BAföG "gestreckt" werden können, d.h. geringere monatliche Auszahlungen, diese aber eben über einen längeren Zeitraum. Heute kann man bei Kindererziehung zwar auf Antrag länger BAföG bekommen und muss keine Einbußen bei der monatlichen Höhe machen, ist allerdings immer auf die Zustimmung des BAföG-Sachbearbeiters angewiesen. Dieser muss bewerten, wie lange man auf Grund der Kindererziehung bzw. Schwangerschaft denn unvermeidlich länger braucht. Je nach Sachbearbeiter kann es hier zu durchaus unterschiedlichen Bewertungen kommen, der/die Studierende mit Kind ziemlich unter Druck geraten.
Familienförderung ist ein Thema, bei dem Verbesserungen auch beim BAföG Chancen haben. Dass sich allerdings die Maximalforderungen des best practice-Clubs durchsetzen, erscheint nicht sonderlich wahrscheinlich. Die Erhöhung der Altersgrenze für den Kinderbetreuungszuschuss wäre aber denkbar. Vielleicht auch noch zeitweise einen Vollzuschuss – aber nicht pauschal für das ganze Studium.
Der Umbau des BAföGs in eine Richtung, bei der auch ein Teilzeitstudium förderungsfähig ist, wäre nicht nur für Studierende mit Kind sinnvoll. Wegen vieler komplizierter Wechselwirkungen (wie ist es dann mit dem Studierendenstatus, der studentischen Krankenversicherung etc.) scheint es aber eher unwahrscheinlich, dass sich die aktuelle Regierung an eine solche Ausweitung des BAföGs wagt.
Zusammenfassung der verschiedenen staatlichen Studienfinanzierungsangebote
Spätestens seit der Einführung von allgemeinen Studiengebühren ("Studienbeiträge") in einigen Bundesländern ist die Lage in Sachen Studienfinanzierungsmöglichkeiten unübersichtlich geworden. Jedes Bundesland hat sein eigenes Studienbeitragsdarlehen-Modell entwickelt. Dazu kommen seit dieser Zeit diverse Angebote für Studienkredite von privaten Banken und der staatseigenen KfW. Leicht sind Konstellationen denkbar, bei denen im Laufe des Studiums auf verschiedenen dieser Darlehen zugegriffen werden muss – und für fast jedes Angebot ist jemand anderes zuständig.
Die beste Lösung aus Sicht der Studierenden wäre die Abschaffung von Studiengebühren (dann braucht es keine extra Darlehen zur Finanzierung derselben) und ein deutlich besseres, am besten elternunabhängiges BAföG (das würde den Bildungskredit und die Studienkredite zumindest in den meisten Fällen unnötig machen).
Genau diese Lösung ist aber kaum zu erwarten. Für die Studiengebühren und damit auch die Darlehen dafür sind die einzelnen Bundesländer zuständig. Ein deutlich besseres BAföG dürfte einiges kosten und wäre – will man eine elternunabhängige Lösung – mit vielen weiteren Gesetzesänderungen verbunden (Unterhaltsrecht). Also ein richtig großes und komplexes Projekt.
Schon die bisherigen Instrumente wenigstens unter ein Dach zu bringen, ist schwierig genug, weil eben soviele unterschiedliche Gremien dabei involviert wären. Aber selbst das CHE fordert inzwischen eine Bündelung der verschiedenen Förderungen. Das ist insofern interessant, als das CHE durchaus Einfluss hat (oft mit eher unschönen Ideen) und sonst immer für mehr "Wettbewerb" ist. Offenbar ist aber bei der Studienfinanzierung der Wettbewerb der Länder untereinander (verschiedene Gebühren- und auch Finanzierungsmodelle derselben) doch nicht so von Vorteil.
Dass es tatsächlich dazu kommt, dass die verschiedenen staatlichen Finanzierungsangebote unter ein Dach gebracht werden, ist aber nicht sonderlich wahrscheinlich. Selbst BAföG und KfW-Studienkredit werden wohl nebeneinander weiter existieren, denn die KfW ist zwar in Staatseigentum (von Bund und Ländern), handelt aber doch weitgehend autonom und hat den KfW-Studienkredit in Eigenregie aufgelegt, ohne dass er vom Bundestag beschlossen worden wäre.
Vorschläge und Forderungen ans BAföG von verschiedenen Institutionen
- Eckpunkte zur BAföG-Reform (Gemeinsames Konzept von Deutschem Gewerkschaftsbund und Deutschem Studentenwerk, 09.12.2009)
- Studentenwerke begrüßen BAföG-Erhöhung zum 1. Oktober 2010 (Pressemitteilung des Deutschen Studentenwerkes, 03.12.2009; mit einigen konkreten Vorschlägen für Verbesserungen)
- GEW: "BAföG um zehn Prozent anheben" (Pressemitteilung der GEW, 03.12.2009)
- Forscher wollen Bafög zum Anreizsystem umbauen (zum CHE-Papier; bei Handelsblatt.com am 24.11.2009 veröffentlicht)
- Positionspapier des best practice-Clubs "Familie in der Hochschule" zur Familienfreundlichkeit der BAföG-Regelungen vom 24.11.2009 (PDF)
- Eine sozial gerechte Studienfinanzierung ist möglich (Pressemitteilung des fzs, 05.11.2009)
- Entschließung des Beirats für Ausbildungsförderung zum Änderungsbedarf im BAföG vom 13. Mai 2009 (PDF, via bmbf.de)
Hintergründe zum Thema BAföG-Änderungen und Studienfinanzierungsmodelle
- Protestfolgen? Schavan kündigt Erhöhung des BAföG an (Studis Online, 18.11.2009)
- Teuer, kompliziert und nicht zielgerichtet: Studienfinanzierung in Deutschland (Studis Online, 03.04.2008; Artikel zu einer Studie des HIS)
- Studienfinanzierung in Europa: Förderkonzepte (Überblick bei Studis Online über die verschiedenen Studienfinanzierungsmodelle)