Achtzehnter BAföG-BerichtAlles gut mit dem BAföG?
Jahrelang gab es keinerlei Erhöhung der BAföG-Bedarfssätze und Einkommensfreibeträge. Dass die deutliche (und auch dringend notwendige) Erhöhung zum Wintersemester 2008/2009 dann auch bei der Zahl der BAföG-EmpfängerInnen positive Auswirkungen hat, ist klar.
So groß ist die Steigerung allerdings gar nicht. Die Erhöhung betraf nur diejenigen, die ab dem Wintersemester 2008/2009 neu oder noch studierten, für den Großteil des Jahres dagegen galten noch die alten, niedrigen Förderbeträge. Insgesamt gab es 2008 nur ca. 2000 mehr Studierende, die BAföG erhalten haben. Allerdings war die Studierendenzahl sogar um ca. 7000 gefallen. Die Gefördertenquote ist also klar gestiegen.
Bei den Schüler_innen ist die Zahl der Geförderten sogar gesunken. Das könnte allerdings an fallenden Schüler_innenzahlen liegen. Zum Teil aber vielleicht auch daran, dass sich die BAföG-Erhöhung noch nicht so herumgesprochen hat.
Eine sehr deutliche Erhöhung gab es im Berich Auslands-BAföG. Hier war es seit Anfang 2008 möglich, das ganze Studium BAföG-gefördert im EU-Ausland (oder der Schweiz) zu verbringen. Die Zahl der BAföG-geförderten Studierenden in der EU ist sprunghaft von 14882 im Jahr 2007 auf 18453 im folgenden 2008 gestiegen. Auch sonst gehen immer mehr Studierende mit BAföG ins Ausland, wenn auch außerhalb der EU und der Schweiz die Steigerung geringer ausfällt.
Anpassungsbedarf beim BAföG
Im BAföG-Bericht (hier als PDF) wird neben dem Rückblick auch abgeschätzt, welche Anpassungen notwendig wären, um das BAföG mit der Entwicklung der Einkommen und in Bezug auf andere Parameter (z.B. Sozialpauschale für das Elterneinkommen, die also Beiträge für die Sozialversicherungen abdecken soll) im Gleichklang zu halten.
So findet sich im Bericht auf Seite 44 eine Tabelle, die die Entwicklung der Bedarfssätze und der Freibeträge seit 1991 der Preisentwicklung und der Einkommensentwicklung gegenüberstellt. Nun ist schon die Frage, ob 1991 ein besonders gelungenes Basisjahr darstellt und ob damals die BAföG-Sätze überhaupt "bedarfsdeckend" waren. Aber selbst wenn man das annimmt, sieht man, dass die letzte BAföG-Erhöhung (auf 133,7 Punkte im Vergleich zum Basisjahr) nicht ausgereicht hat, um die Bedarfssätze so anzupassen, dass sie mit dem Preisindex (der bei 140,4 steht) gleichzuziehen.
Schöne und weniger schöne Details
Bedenklich ist, dass im Abschnitt zum Thema "Bedarfsermittlung" ausgeführt wird, dass "die Bedürfnisse der Auszubildenden bestimmenden Umstände und Rahmenbedingungen für die Höhe der Bedarfsbemessung zudem durch die bestehenden Kreditangebote der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) abgerundet" würden. Die verzinsten und deutlich früher als das BAföG zurückzuzahlenden Kredite der KfW werden also mehr oder weniger aus Grund herangezogen, warum man das BaföG nicht so sehr erhöhen müsse. Ein sehr unschönes Detail.
Im Gegensatz zum Bedarfssatz sind die Freibeträge auf das Elterneinkommen seit 1991 durchaus deutlich angehoben worden (um insgesam 69%). Subjektiv scheinen aber trotzdem weitere Erhöhungen notwendig.
Der Beirat für Ausbildungsförderung ("BAföG-Beirat"), in dem auch Studierende vertreten sind, empfiehlt übrigens, bei der geplanten Erhöhung nicht nur die Preissteigerungen seit 2008 auszugleichen, sondern "positive Förderungssignale zu setzen. Daher sollten insbesondere die Freibeträge deutlich erhöht werden, um den Kreis der Förderungsberechtigten auszudehnen und dadurch die Bildungschancen für möglichst breite Bevölkerungsgruppen zu verbessern."
Leider hat sich die jeweilige Bundesregierung nur selten in Gänze an die Empfehlungen des Beirates gehalten.
Kleine Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge relativ sicher
Ab Herbst soll die nächste BAföG-Erhöhung kommen - unser Rechner wird rechtzeitig angepasst werden
Wenn man zurückblickt, ist es - so traurig es klingt - trotzdem schon positiv zu werten, dass eine Erhöhung überhaupt angekündigt wird, auch wenn Details nicht genannt werden. Im vorigen BAföG-Bericht, der im Januar 2007 veröffentlicht wurde, war eine Erhöhung ganz ausgeschlossen worden (vgl. auch unseren Artikel zum 17. BAföG-Bericht). Schließlich wurde doch noch im selben Jahr eine deutliche Erhöhung beschlossen, die allerdings erst zum Wintersemester 2008/2009 realisiert wurde.
Insofern ist zu hoffen, dass es diesmal schneller geht mit einer Anpassung und diese bereits zum kommenden Wintersemester kommen wird. Zur Höhe dieser Anpassung hält sich der Bericht wie erwähnt bedeckt, auch eine aus diesem Anlass von der Bundesregierung herausgegebene Presseerklärung bleibt vage. Es bleibt der Bundesbildungsministerin überlassen, in ihrer Presseerklärung eine Anhebung der Bedarfssätze für BAföG-Empfänger um 2 Prozent, der Freibeträge um 3 Prozent in Aussicht zu stellen.
Das würde gerade ausreichen, um (unter Berücksichtigung von Inflation und Lohnniveau) das BAföG auf dem Niveau zu halten, dass es mit der Erhöhung 2008 erreicht hatte, nicht aber um - wie vom BAföG-Beirat gefordert - darüberhinaus ein positives Signal zu geben. Aber selbst so wäre das immerhin besser, als die lange Durststrecke zwischen 2001 und 2008.
Weitere geplante Änderungen
Als weitere Änderungen am Gesetz kündigt Schavan die Erhöhung der Altersgrenze von 30 auf 35 Jahre an, allerdings nur für Master-Studiengänge. Darüber hinaus soll es bei einem rechtzeitigen erstmaligen Fachrichtungswechsel bis zum Ende des Studiums normale BAföG-Förderung geben (halb zinsfreies Staatsdarlehen, halb Zuschuss) und nicht wie bisher am Ende nur noch ein Bankdarlehen.
Beim Leistungsnachweis soll zukünftig der Nachweis ausreichender Credit Points genügen. Bisher muss die Hochschule gesondert bestätigen, dass die nötigen Leistungen der ersten vier Semester erbracht wurden, was bspw. das Vorziehen von Prüfungen höherer Semester und das Aufschieben anderer erschwert, auch wenn die Leistungspunkte insgesamt ausreichen würden.
Weiterhin soll das Hinausschieben der Altersgrenze durch Kindererziehungszeiten möglich sein, wenn der Kinderwunsch erst kurz vor dem 30. Lebensjahr Kinder erfüllt wurde. Es wird dann nicht mehr wie bisher eine eine Maximaldauer von drei Jahren zwischen Abitur und Studienbeginn oder Beginn der Kindererziehung ("Orientierungszeit") gefordert.
All diese Änderungen sind durchaus lobenswert, auch wenn sie z.T. durchaus weitergehend sein könnten (z.B. könnte die Altersgrenze stärker und auch für andere Ausbildungen angehoben werden). Als das BAföG in den 1970ern eingeführt wurde, lag die Altersgrenze noch allgemein höher.
Es wird aber wohl noch ein ziemliches Ringen zwischen allen geben, die dabei mitreden können (Parteien der Koalition, Ministerien - z.B. das Finanzministerium ..., Länder).
Und ja nicht vergessen: Das "nationale Stipendienprogramm"
Gleichzeitig kann sich Bundesbildungsministerin Schavan es sich nehmen lassen, auch auf das geplante "nationale Stipendienprogramm" zu verweisen und zu betonen, dass dieses nicht zu Lasten des BAföGs ginge. Das Stipendienprogramm hat im Gegensatz zum BAföG aber keinerlei soziale Komponente und bedeutet zumindest zum Teil Geld für diejenigen, die es gar nicht unbedingt bräuchten. Was dann wiederum doch für ein wirklich besseres BAföG fehlen wird. Darüber hinaus ist gar nicht klar, ob die vollmundige Ankündigung, dieses Programm solle am Ende 10% der Studierenden, überhaupt erreicht werden kann. Siehe auch unseren Artikel Stipendien für 10% der Studierenden?.
Genau an diesem Stipendienprogramm und einer möglichen Verknüpfung desselben mit einer BAföG-Erhöhung könnte es auch hängen, ob und mit welchen Details am Ende wirklich eine Erhöhung des BAföGs kommen wird. Es bleibt spannend.
Studierendendachverband und GEW unzufrieden mit Ankündigungen
Der Studierendendachverband fzs sieht die Ankündigungen nicht als ausreichend an. Vorstandsmitglied Florian Kaiser erklärt dazu: "Eine Erhöhung der Bedarfssätze von zwei Prozent gleicht noch nicht mal die Inflation seit der letzten Änderung im Januar 2008 aus. Die Erhöhung der Freibeträge um drei Prozent wird die die Zahl der BAföG-Berechtigten nicht merklich erhöhen, sondern bestenfalls verhindern dass Kinder aus Familien mit einem Einkommen an der Friebetragsgrenze ihren Anspruch verlieren."
Besonders das Stipendienprogramm stößt auf Widerspruch. "Die Mehrheit der StipendiatInnen kommt nicht aus einem einkommensschwachen Hintergrund. Stipendien sind oftmals abhängig von Interessengruppen und sie fördern den Konkurrenzdruck unter den StudentInnen. Auch das Problem des privat wirtschaftlichen Einflusses, dass unter anderem auch durch den Bildungsstreik massiv kritisiert wurde, wird verstärkt", sagt dazu Juliane Knörr vom fzs.
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert weitergehende Verbesserungen. Die GEW hatte bereits im Dezember eine Erhöhung der Bedarfssätze um 10% gefordert. Knapp die Hälfte davon seit notwendig, um die Geldentwertung zwischen der letzten Erhöhung und der aktuellen auszugleichen, der Rest ziele auf eine materielle Verbesserung der Situtation der geförderten Studierenden sowie eine Erweitertung des Förderquote ab.
Die GEW fordert als weitere Ergänzung in Richtung "Bologna-Tauglichkeit des BAföG" eine Lösung für die oft auftretende Förderlücke zwischen Bachelor- und Masterstudium. Selbst bei einem konsekutivem Bachelor/Master kann dies vorkommen. Wer beispielsweise im Juni seinen Bachelor mit der letzten Prüfungsleistung abschließt und im Oktober den Master anschließt, muss von Juli bis September auf BAföG verzichten.
Weiteres zum Thema und Quellen
- Presseerklärung der Bundesregierung zum BAföG-Bericht (13.01.2010)
- 18. BAföG-Bericht (PDF)
- Studentischer Dachverband enttäuscht von Bundesregierung (Pressemitteilung des fzs, 13.01.2010)
- BAföG um zehn Prozent anheben (Pressemitteilung der GEW, 03.12.2009; aktuelle Pressemitteilung liegt online noch nicht vor)
- Die BAföG-Story (von der Entstehung des BAföG bis heute, mit Statistik)