Corona-Überbrückungshilfen für StudisNothilfe? Welche Nothilfe?
Die „Überbrückungshilfe“ für Studierende ist eine große Enttäuschung und keine „Nothilfe“.
Vergangenen Donnerstag präsentierte Bundesbildungsministerin Karliczek die langersehnten Nothilfen für Studierende. Die Ministerin konnte sich nicht dazu durchringen, das BAföG temporär zu öffnen, wie von sehr vielen gefordert (unter anderem auch den Jugendverbänden von SPD, Grünen, FDP und CDU!). Stattdessen soll der KfW-Studienkredit geöffnet und temporär zinsfrei gestellt werden. Die SPD hält sich zugute, dass sie immerhin 100 Millionen für Notfonds der Studentenwerke durchsetzen konnte, mehr sei nicht zu machen gewesen. In der Berichterstattung danach wurde vor allem kritisiert, dass Darlehen keine geeignete Hilfe seien und die 100 Millionen Zuschuss für die Notfonds zu wenig.
Viele nahmen dabei aber an, dass der KfW-Studienkredit in der Zeit von Mai 2020 bis März 2021 ausnahmsweise allen Studierenden offen stehen wird. Zwar nur als Darlehen (was vielfältig kritisiert wurde), aber „allen“. In Gesprächen im Laufe des letzten Tage bestätigte sich dieser Eindruck – und auch ich selbst war davon ausgegangen.
Schöne Worte, unschöne Realität
„Wir unterstützen Studierende in Not“ hatte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek bei ihrer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag erklärt. Und: „Ich freue mich, dass wir heute ein ausgewogenes Konzept für die Betroffenen vorstellen können. Es berücksichtigt, dass weitere Hilfen in dieser Ausnahmesituation notwendig sind.“
Skeptisch hätte schon „Gleichzeitig werden die finanziellen Belastungen für künftige Generationen berücksichtigt.“ machen müssen – das deutete schon an, dass das BMBF nicht zu viel Geld ausgeben wollte. Dann hieß es: „Nicht alle betroffenen Studierenden können ihre bisherigen Einkünfte kurzfristig durch anderweitige Arbeitsgelegenheiten ausgleichen. Diesen Studierenden steht nun die Möglichkeit offen, ein in der Startphase zinsloses Darlehen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu beantragen.“ und später: „Studierende können ab Anfang Mai bei der KfW ein zinsloses Darlehen beantragen. Das zinslose Darlehen hat eine Höhe von bis zu 650 Euro im Monat. Das Darlehen kann unbürokratisch online beantragt werden. Das ist ein faires, schnelles und wirksames Angebot für die betroffenen Studierenden.“ Das habe ich – und eben auch andere – so gelesen, dass der Kredit nun „allen“ Studierenden zur Verfügung steht.
KfW-Studienkredit mit minimalen Änderungen
Doch weit gefehlt: Wie sich nunmehr bestätigt, wird der ganz normale KfW-Studienkredit lediglich in der Auszahlungsphase für den Zeitraum von Mai 2020 bis März 2021 zinsfrei gestellt und ab Juli können auch ausländische Studierende (mit Wohnsitz in Deutschland) den Kredit bekommen. In allen anderen Punkten bleibt es bei den Bedingungen des KfW-Studienkredits. Und das bedeutet insbesondere: Alle ab dem 11. Fachsemester können kein Kredit erhalten. Wer an einer Berufsakademie studiert oder über 45 Jahre alt ist, ist ebenfalls ausgeschlossen. Auch vollständige Studiengänge im Ausland sind raus (um es der Vollständigkeit halber zu erwähnen, auch wenn das weniger überraschend sein dürfte).
Und „natürlich“: Wer schon einen KfW-Studienkredit nutzt, kann nichts zusätzlich bekommen und sollten die bestehenden Regeln dem Kredit demnächst ein Ende setzen, war es das ebenso. Wer die eigene Studienfinanzierung also auf Jobben und einen KfW-Studienkredit aufgebaut hat, steht dumm da, wenn der Job nun weggebrochen ist. Überhaupt sind 650 Euro in den meisten Städten deutlich zu wenig, um zu überleben, nur mit dem KfW-Studienkredit kommt praktisch niemand aus.
Notfonds viel zu klein
Bleibt all diesen also noch der Notfonds. Doch wenn einige der geschilderten Fälle (die vom KfW-Studienkredit ausgeschlossen sind) für 10 Monate je 500 Euro benötigen, so wäre der Notfonds nach nur 20.000 Anträge schon leer – 20.000 * 5.000 € = 100.000.000 € … Und es gibt aktuell fast 2.900.000 Studierende, damit wäre also gerade 0,7% der Studis ein wenig geholfen.
Ach ja: Die 100 Millionen für die Notfonds sind noch nicht auf den Konten der Fonds. Und über die Bedingungen, wer denn genau wieviel bekommen darf, müssen BMBF und Studentenwerke erst noch reden. Da Bundesbildungsminsterin Karliczek sich offensichtlich vor allem um die Darlehenslösung gekümmert hat (die dann dennoch so enttäuschend ausfällt), wurde in Sachen Notfonds bis letzte Woche praktisch nichts unternommen. Das wird also auch noch dauern.
Kritik von allen Seiten
Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW) erklärt zu den aktuellen Konditionen: „Wir hätten uns als Nothilfe für die Studierenden grundsätzlich eine temporäre Öffnung des BAföG gewünscht, das unter anderem ein zinsloses Darlehen beinhaltet - und BAföG-Geförderte weder besser noch schlechterstellen würde. Die Beibehaltung der Kriterien für die Vergabe des KfW-Studienkredits erschwert manchen Studierenden in einer finanziellen Notlage, die sich über Nebenjobs finanzieren müssen und deswegen länger benötigen, die Inanspruchnahme dieses Angebots. Viel problematischer ist jedoch, dass die Zinsbefreiung nur für die Auszahlungsphase gilt, nicht jedoch für die Karenz- und Rückzahlungsphase. Das macht es richtig teuer für unverschuldet in Not geratene Studierende.“
Der freie zusammenschluss von studierendenschaften (fzs) und diverse Studierendenorganisationen fordern den Rücktritt von Bundesbildungsministerin Karliczek. Das im Grunde schon, ohne das allen damals schon so richtig klar war, dass die Nothilfe im Form des KfW-Studienkredits keineswegs für alle Studis zugänglich ist.
Wie großzügig: Der Bund zahlt 152 € Zinsen, Studis weit über 4.000 €
In einer gemeinsamen Pressemitteilung von studentischem Bundesverbands fzs, mehrerer Landesstudierendenvertretungen, der GEW Studis und des Bundesverbands ausländischer Studierender wird u.a. vorgerechnet, wie „großzügig“ die Zinsfreiheit ist. Wer nun für ein Jahr den KfW-Kredit in voller Höhe nutzt, für den würde das BMBF bis März ca. 153 € Zinsen übernehmen (beim aktuellen Zins von 4,26% nom.). Nimmt die Kreditnehmerin dann 18 Monate Karenzzeit in Anspruch (Zeit, in der weder Auszahlungen stattfinden, aber auch noch keine Rückzahlung), fallen schon allein für diese rund 500 € Zinsen an, die die Kreditnehmerin selbst tragen muss. Wird schließlich das Darlehen in Raten von 50 € pro Monat zurückgezahlt, würden weitere Zinsen von über 3.500 € anfallen. Insgesamt also über 4.000 € Zinsen, die die Studentin, der Student selbst tragen muss.
Natürlich werden viele das Darlehen irgendwann schneller zurückzahlen als in Raten von 50 €/Monat. Doch dass das BMBF gerade einmal 153 € Zinsen trägt und in der Karenzzeit (die für einige nicht einmal reichen wird, um das Studium abzuschließen) schon mehr als das dreifache anfallen und von den Studierenden selbst zu tragen sind, zeigt nochmals, wie kleinkariert und unzureichend die Hilfe ist.
Übrigens: Im BMBF-Artikel zur Pressekonferenz am Donnerstag heißt es „[d]as Darlehen kann unbürokratisch online beantragt werden.“ Auch das hört sich schöner an, als die Realität ist. Das BMBF schrieb mir auf Nachfrage: „Für die Identitätsprüfung gilt weiterhin, dass diese durch die „Vertriebspartner“ der KfW erfolgt.“ Also auch hier alles beim Alten, wenn jemand geglaubt hat, in der aktuellen Situation würde hier irgend etwas vereinfacht, hat sich getäuscht.
Noch ein Detail: Wer das Geld dringend braucht, sollte sich beeilen. Nur bei Antragstellung bis 15. des Monats (und natürlich rechtzeitiger erfolgreicher Identitätsprüfung) kann mit einer ersten Rate für den Folgemonat gerechnet werden. Sonst darf man ein Monat länger warten – mehre Auszahltermine gibt es nicht. Auch das enttäuschend für eine „Überbrückungshilfe“ – unflexibel und damit wenig hilfreich.
Gibt es noch Hoffnung?
Am Donnerstag (7. Mai 2020) soll im Bundestag das „Wissenschafts- und Studierendenunterstützungsgesetz“ beschlossen werden. Diesen umfasst allerdings nur konkrete Regelungen zum BAföG und zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Von der Opposition gibt es ergänzend einige Anträge, die auf Nothilfen abzielen, aber abgelehnt werden dürften.
Optionen für Verbesserungen bestehen aber durchaus – und wären mehr als wünschenswert. Vielleicht rafft sich die SPD dazu auf, hier doch nochmals Druck zu machen. Und sehen auch bei CDU/CSU genügend ParlamentarierInnen ein, dass ihre Ministerin da bisher zu wenig geboten hat.
Als erstes und wichtigstes müsste der Notfonds großzügiger ausgestattet werden. Gerade im Hinblick darauf, dass der KfW-Studienkredit als Nothilfe ein Witz ist, weil er weder alle Studierende erreicht, noch wirklich zinsfrei ist (nur für die Monate bis März 2021 und nur, wenn in der Zeit auch Auszahlungen stattfinden). Als Darlehen wird er sich wohl kaum großer Beliebtheit erfreuen. Denn wer möchte sich in einer solch unsicheren Lage auch noch verschulden?
Wenn im letzten Jahr 900 Millionen Euro weniger für das BAföG abgerufen wurden, als im Haushalt vorgesehen, wäre dass eine Größenordnung, an der man sich für den Notfonds orientieren sollte – jedenfalls ein Vielfaches von den bisher geplanten 100 Millionen Euro.
Wichtig wäre auch: Die Bedingungen, zu denen Leistungen aus dem Notfonds ausgezahlt werden können, sollten vom Bundestag in den Blick genommen und nicht allein dem BMBF überlassen werden. Ein Zwang, erst den KfW-Studienkredit nutzen zu müssen – oder Empfänger des KfW-Studienkredits per se auszuschließen –, wäre beispielsweise mehr als verfehlt. Denn es gibt auch Studis, die ihre Finanzierung auf KfW-Studienkredit und Jobben ausgelegt haben – und denen nun der Job weggebrochen ist. Auch die brauchen u.U. Hilfe aus dem Notfonds, wenn der Kredit für sie nicht reicht (was in vielen Städten der Fall ist!).
Auch bei den Regeln des KfW-Studienkredits könnte zumindest an einige temporäre Verbesserungen gedacht werden – auch wenn ein Darlehen als Nothilfe weiter zweifelhaft bleibt. Es würde aber einigen helfen, wenn in der Zeit bis März 2021 die Fachsemester-Schranke bei Antragstellung fallen würde – oder wenigstens um 4 Semester ausgedehnt würde. Auch wäre die Frage, ob der Kredit für alle Kreditnehmer – wenn diese es Wünschen – ein bis zwei Semester länger laufen kann, als eigentlich laut den normalen Bedingungen möglich. Das würde für Entspannung sorgen.
Allerdings wäre wohl jeder Euro, der mehr in die Notfonds gesteckt werden kann, dort besser als beim KfW-Studienkredit aufgehoben.
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