HintergrundStudienfinanzierung in Europa: Förderkonzepte
Abbildung 1: Studienfinanzierungstypen nach Studierendenbild
rot: Eigenverantwortliche BürgerInnen
grün: Heranwachsende Auszubildende
blau: Kinder im Bund der Familie
gelb: InvestorInnen in den Beruf
(Quelle: eigene Darstellung nach Schwarz-Hahn / Rehburg 2004: 128)
Vier Förderkonzepte
Man findet in Europa vier Typen von Studienfinanzierungssystemen. Sie unterscheiden sich jeweils in Bezug auf die Unabhängigkeit der Studierenden und das finanzielle Engagement des Staates. Die Studierenden werden entweder als „eigenverantwortliche BürgerInnen“, „heranwachsende Auszubildende“, „Kinder im Haus ihrer Eltern“ oder „InvestorInnen“ gesehen. (Vgl. Schwarz / Rehburg 2002: 195-197; Schwarz-Hahn / Rehburg 2004: 127-128)
Eigenverantwortliche BürgerInnen
Die Staaten, die Studierende als „eigenverantwortliche BürgerInnen“ begreifen, zeichnen sich dadurch aus,
dass der Staat die finanziellen Mittel zur Realisierung des Studiums weitgehend zu Verfügung stellt. Die Studierenden wohnen überwiegend eigenständig. Sie gelten als junge Erwachsene, die mit Hilfe der staatlichen Finanzierung ihren Weg gehen. (Schwarz / Rehburg 2002: 196)
Typischerweise werden beinahe alle Studierenden elternunabhängig durch Zuschüsse und Darlehen gefördert. Unterhaltsansprüche können die Studierenden nicht geltend machen. Ihre Eltern erhalten allerdings auch kein Kindergeld oder ähnliche Transfers. Studiengebühren werden nicht erhoben. Die skandinavischen Länder Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland sind typische Vertreter dieses Studienfinanzierungstyps. (Vgl. Schwarz-Hahn / Rehburg 2004: 128).
Studierende als heranwachsende Auszubildende
Der zweiten Gruppe von Staaten gehören etwa Frankreich, Deutschland, Österreich und Belgien an. Diese Staaten betonen ebenfalls die Bedeutung der staatlichen Verantwortung für Studienfinanzierung. Allerdings vor allem als sozialstaatliches Korrektiv für den Fall, dass
die Eltern der Studierenden die Studienkosten ihrer Kinder nicht oder nicht vollständig tragen können. Hier werden die Studierenden als heranwachsende Auszubildende gesehen. (Schwarz-Hahn / Rehburg 2004: 128)
Hauptfinanzierungsquelle ist für die Studierenden elterlicher Unterhalt. Grundsätzlich existiert ein Rechtsanspruch auf Unterhalt. Staatliche Zuschüsse und Darlehen erhalten Studierende nur, wenn die finanzielle Leistungsfähigkeit ihrer Eltern zur Studienfinanzierung nicht ausreicht. Die Eltern studierender Kinder erhalten in diesen Ländern meist nicht unerhebliche Transferleistungen. Studiengebühren werden in geringer oder mittlerer Höhe erhoben, wobei bedürftige Studierende in der Regel befreit werden können. (Vgl. Schwarz-Hahn / Rehburg 2004: 128, Eurydice 1999: 115)
Hinweis: Auf diese Art von Studienfinanzierungssystem gehen wir im Rahmen dieses Artikels nicht weiter ein, da Deutschland ein Beispiel dafür ist. Die Situation in Deutschland sollte bekannt sein. Falls nicht bzw. für alle, die sich genauer informieren wollen: Im Rahmen von Studis Online gibt es ausführliche Informationen zu Themen wie BAföG, Studienfinanzierung allgemein oder der Lage in Sachen Studiengebühren.
Kinder im Haus ihrer Eltern
Der dritte Studienfinanzierungstyp zeichnet sich durch eine geringe staatliche Verantwortung und wenig finanzielle Unabhängigkeit der Studierenden aus. Studierende werde hier als „Kinder im Haus ihrer Eltern“ gesehen. Typisch ist,
dass die Studienchancen der jungen Erwachsenen, in der Regel vollständig durch die Eltern zu sichern [sind], der Staat bietet nur in seltenen Fällen besondere Hilfen für bedürftige Familien an. Generell werden Studiengebühren erhoben. (Schwarz-Hahn / Rehburg 2004: 128)
Die Studierenden sind in diesen Ländern vollständig auf den Unterhalt durch ihre Eltern oder eigene Erwerbsarbeit angewiesen. Der Unterhalt ist Ihnen normalerweise gesetzlich zugesichert. Zuschuss- oder Darlehensysteme habe keine große Bedeutung. Allerdings gibt es für Studierende vielfach erhebliche Vergünstigungen in den Bereichen Unterbringung, Verkehr, Verpflegung und Gesundheit. Dieses Konzept von Studienfinanzierung ist etwa in Italien, Spanien, Portugal und Griechenland verbreitet. (Vgl. Schwarz-Hahn / Rehburg 2004: 128)
Studierende als InvestorInnen in den Beruf
Das vierte verbreitete Studienfinanzierungskonzept zeichnet sich schließlich durch eine geringe staatliche Verantwortung bei gleichzeitiger relativer finanzieller Unabhängigkeit der Studierenden aus. Das Verständnis von „Studierenden als InvestorInnen in den Beruf“ bringt es mit sich, dass
vergleichsweise hohe Studiengebühren erhoben werden, die den Wert der Hochschulbildung verdeutlichen sollen, gleichzeitig wird aber einen größeren Anteil der Studierenden staatliche Studienförderung zu teil. (Vgl. Schwarz-Hahn / Rehburg 2004: 128)
Die Studierenden werden von Ihren Eltern in der Regel finanziell nicht besonders unterstützt. Ein Unterhaltsanspruch der Studierenden hat sich nicht ausgeprägt. Auch ihre Eltern erhalten kaum staatliche Transfers. Im Gegenzug werden aber sehr viele Studierende direkt mit Zuschüssen und vor allem mit Darlehen gefördert. Die Niederlande und das Vereinigte Königreich sind VertreterInnen dieses Studienfinanzierungstyps.
Eine kleine Bilanz
Zusammenfassend macht die vergleichende Betrachtung dieser vier verschiedenen europäischen Studienfinanzierungskonzepte vor allem eines deutlich: Auch international wird die Diskussion um Studienfinanzierung nicht im luftleeren oder unpolitischen Raum geführt. Der Diskurs und die Gestaltung eines Studienfinanzierungssystems reflektiert letztlich immer den Blick der Gesellschaft und Politik auf ihre Studierenden.
Literatur
Eurydice (1999): Ausbildungsförderung für Studierende an Hochschulen in Europa. Bestandsaufnahme und Entwicklungen. In: Schlüsselthemen im Bildungsbereich. Band I. Eurydice / Europäische Kommission (Hrsg.). Zitiert: Eurydice (1999).
Schwarz, Stefanie / Rehburg, Maike (2002): Studienkosten und Studienfinanzierung in Europa. Frankfurt am Main.
Schwarz-Hahn, Stefanie / Rehburg, Maike (2004): Wie wird das Thema 'Chancengleichheit junger Bürger' für 16 Länder des europäischen Hochschulraumes verwirklicht. Eine empirische Vergleichsstudie. In: Das Hochschulwesen. Forum für Hochschulforschung, -praxis und -politik. Nr. 4/2004. S. 122-128.