Regelungen für „Altschuldner:innen“Wann BAföG-Schulden erlassen werden können
Solange die BAföG-Schulden nicht abgetragen werden, vergehen mindestens 20 Jahre bis zu einer endgültigen Erlassmöglichkeit.
Schuldenerlass, aber nicht für alle?
Mit dem 26. BAföG-Änderungsgesetz wurde zum September 2019 auch die Möglichkeit eingeführt, nach 20 Jahren einen Schuldenerlass des noch nicht zurückgezahlten Darlehenanteils zu beantragen („Kooperationserlass“). Voraussetzung ist, dass bis zum Antrag auf Schuldenerlass die Rate immer pünktlich gezahlt oder bei geringem Einkommen rechtzeitig eine Freistellung beantragt wurde. Die Möglichkeit zum Schuldenerlass schließt das nach Ende der Förderungshöchstdauer in besonderen Studiensituationen seit September 2019 verfügbare Volldarlehen mit ein.
Doch die Regelung war nicht so großzügig, wie sie hätte sein können: Wer vor September 2019 erstmals BAföG bekommen hatte („Altschuldner“), für den galt die Option zum Schuldenerlass nur, wenn bis 2.3.2020 das Rückzahlungsverfahren nach der Neuregelung beantragt wurde.
Die neue Regierung aus SPD, Grünen und FDP hat eingesehen, dass diese Antragserfordernis nur dazu geführt hat, dass sich das BVA immer noch mit sehr alten Fällen herumschlagen muss, da natürlich viele das mit dem Antrag nicht mitbekommen hatten. Im 27. BAföG-Änderungsgesetz wird die Erlassregel daher doch auf alle Altschuldner ausgedehnt werden. Und selbst der Härtefallantrag, wie im Folgenden noch beschrieben, soll nicht mehr nötig sein: Das BVA soll direkt von Amts wegen prüfen, ob der Erlass so möglich ist und ihn ohne extra Antrag gewähren.
Hier aber dennoch die formal zwischen Wintersemester 2019 und Sommersemester 2022 gültige Regelung – vor allem zur Dokumentation, wie wenig großzügig das BMBF und die damalige Koalition aus CDU und SPD war. Vor allem scheint nicht bedacht worden zu sein, dass bei diejenigen, die nach so langer Zeit noch Schulden haben, es auch in Zukunft wenig wahrscheinlich ist, noch viel zurückzuholen – Aufwand und Nutzen also über alle Betroffenen betrachtet eher negativ sein dürfte.
Der alte Normalfall: Rückzahlung innerhalb von 20 Jahren, Freistellungszeiträume können Zeitraum um bis 10 Jahre verlängern
Erlass nach Rückzahlung von 10.000 € BAföG-Schulden (außer bei Darlehensbeginn vor März 2001!)
Solltest du mehr als 10.000 € BAföG-Schulden haben, so wird dir – außer dein BAföG-Bezug begann schon vor März 2001 – der Rest der Schulden erlassen, sobald du 10.000 € zurückgezahlt hast. Das war bei der bis März 2020 gültigen Ratenhöhe von 105 €/Monat nach acht Jahren (96 Monate / 32 Quartale) durchgängiger Rückzahlung der Fall. Wer erst ab April 2020 zurückzahlt, wird 77 Monate brauchen; alle mit Zahlungen vor und nach März 2020 irgendwas dazwischen.
Wer weniger BAföG-Schulden hat, muss natürlich nur diese zurückzahlen und ist direkt nach Begleichung dieser Schuld „frei“.
Diese Deckelung bezieht sich nur auf das BAföG-Staatsdarlehen der BAföG-Zahlungen, die während der Regelstudienzeit zum Teil als Zuschuss gewährt worden sind. Normalerweise beträgt der Zuschuss 50% der monatlichen BAföG-Auszahlung. Bei Auslandssemestern oder wer einen Kinderbetreuungszuschlag erhält, ist es mehr, da hier Zuschläge dabei sind, die zu 100% als Zuschuss gewährt werden.
Wer dagegen das seit Wintersemester 2019 bestehende 100%-Staatsdarlehen erhalten hat – bspw. als Hilfe zum Studienabschluss, muss dieses zusätzlich zurück zahlen.
Wann hört der Rückzahlungszeitraum auf?
Die Rückzahlung des Staatsdarlehens hat für Altschuldner innerhalb von 20 Jahren zu erfolgen. Lässt du dich von der Rückzahlung wegen zu geringen Einkommens freistellen, wird der Ablauf der Frist gehemmt, sie läuft also in dieser Zeit nicht weiter. Auch dies geht jedoch nicht unbegrenzt. Maximal um zehn Jahre kann sich auf diesem Wege die Frist verlängern. Gegen Ende der 20-jährigen (oder entsprechend bis allerhöchstens 30 Jahre verlängerten) Frist steigt die Höhe der Raten, weil die Zeit ja immer kürzer wird, in der das Darlehen zurückgezahlt werden kann.
Wenn du neben dem Staatsdarlehen auch ein verzinsliches Bankdarlehen nach § 18c BAföG zurückzahlen musst, hast du 22 Jahre (statt 20 Jahre) Zeit, deine Schulden zu tilgen (plus bis zu 10 Jahre Verlängerung bei Freistellung). Das Bankdarlehen wird zuerst fällig.
Zwischendurch: Die neue Regelung für Altschuldner, die rechtzeitig einen Antrag gestellt haben mussten
Die neue Regelung zum Schuldenerlass nach 20 Jahren musste von Altschuldnern bis 2.3.2020 beantragt werden. Nur wenn dir das erfolgreich gelungen, ist für dich nach 20 Jahren kooperativen Verhalten ein Schuldenerlass möglich. Das war auch für alle möglich, die schon über 20 Jahre zurückzahlen, aber auf Grund von Freistellungszeiträumen noch weiter dabei waren.
Nochmals zur Erinnerung: Mit dem 27. BAföG-Änderungsgesetz, dass bis Juli 2022 beschlossen sein sollte, wird der Erlass doch für alle kommen – und es wird nicht mal für den Härtefall ein Antrag nötig sein, alles soll von Amts wegen geprüft werden!
Kooperationserlass oder Härtefallerlass nach 20 Jahren
Für alle, die vom Wahlrecht zur neuen Regelung bis zum 2.3.2020 Gebrauch gemacht haben oder erstmals ab/nach September 2019 BAföG erhalten haben, werden nach 20 Jahren Rückzahlungszeit noch offene Schulden endgültig erlassen – das nennt sich Kooperationserlass. Diese Option gilt auch für Staatsdarlehen, die Studentinnen und Studenten in Form eines Volldarlehens nach Ende der Förderungshöchstdauer zum Beispiel bei mehrfachem oder zu spätem Studienfachwechsel oder als Hilfe zum Studienabschluss bekommen können. Es gibt natürlich Bedingungen dafür!
[icon=achtung]Der Kooperationserlass wird nur gewährt, wenn du dich immer korrekt verhalten hast. Konkret bedeutet das (zitiert von der Seite des BVA dazu):
Es dürfen zum Ende des Rückzahlungszeitraumes keine Zahlungsrückstände vorhanden sein.
Im Rückzahlungszeitraum ggf. angefallene Mahnkosten wurden von Ihnen mit dem Zahlungsrückstand beglichen.
Es wurden während der gesamten Rückzahlungszeit keine Stundungen gewährt.
Es wurden keine Anschriftenermittlungskosten erhoben.
Es wurden keine Rückstandszinsen erhoben.
Es wurden keine Bußgelder erhoben.
Das Bundesverwaltungsamt muss von sich aus prüfen, ob die Bedingungen für den Kooperationserlass eingehalten worden sind. Ist das nicht der Fall, gibt es einen Bescheid, der das mitteilt. Dann haben BAföG-Darlehenschuldner möglicherweise noch die Chance auf einen Härtefallerlass:
Wenn höchstens einmal Anschriftenermittlungskosten erhoben wurden, nie ein Bußgeld bestandskräftig festgesetzt und höchstens für die Dauer von insgesamt 150 Tagen Rückstandszinsen erhoben wurden (die bereits bezahlt sein müssen), kannst du dich per Antrag auf den Härtefallerlass berufen.
Wenn du nach 20 Jahren tatsächlich noch Schulden hast und selbst per Härtefall nicht für den Schuldenerlass in Frage kommst, dann wird die verbliebene Darlehensschuld einschließlich etwaiger offener Kosten und Zinsen in einer Summe zurückgefordert.
Am Ende immer noch Schulden? Dann gilt die Bundeshaushaltsordnung (BHO) …
Zum Ende der Rückzahlungsfrist – also in Zukunft nur noch, wenn die beschriebenen Erlasse leider nicht für dich greifen – wird das gesamte (Rest-)Darlehen auf einen Schlag fällig, die Regelungen des BAföG-Gesetzes enden. Das heißt aber nicht, dass ihr das Rückzahlungsproblem damit los seid. Die Schulden verjähren nicht. Vielmehr gilt nun die Bundeshaushaltsordnung (BHO).
Im Gegensatz zur BAföG-Rückzahlungsregelung wird bei der BHO auch das Vermögen herangezogen. Wer aber definitiv nichts hat, womit er das Darlehen zurückzahlen könnte, kann sich auf § 59 BHO berufen, nach dem Ansprüche des Staates zur Not (weiter) gestundet oder erlassen werden können, wenn eine besondere Härte vorliegt. Der Stundungsantrag muss online gestellt werden.
Übrigens: Da das BAföG-Darlehen wahrscheinlich die älteste Forderung gegen dich ist, steht die Tilgung desselben nicht hinter anderen (später) hinzugekommenen Verbindlichkeiten zurück. Erst die BAföG-Schulden tilgen, dann andere Schulden (oder wenn möglich andere Schulden gar nicht erst aufnehmen)!
Immerhin: BAföG-Schulden können nicht vererbt werden
Bis Mitte 2019 gab es noch einige spezielle Einschränkungen, aber seither ist in § 18 Absatz 11 abschließend geregelt –auch für „Altfälle“.
„Mit dem Tod der Darlehensnehmenden erlischt die verbliebene Darlehensschuld einschließlich etwaiger Kosten und Zinsen.“